Mobbing: So können Sie als Lehrkraft eingreifen
Anti-Mobbing-Tipps
Im Fall der Fälle sorgt Mobbing immer noch für Unsicherheit: Wie können oder müssen Sie als Lehrer/-in richtig reagieren? Hier gewinnen Sie einen Überblick und finden konkrete Interventionsanregungen. Mobbing ist zweifelsohne eines der drängendsten und meistdiskutierten Themen an deutschen Schulen. Welche Handlungsmöglichkeiten haben Sie? Was sollen Sie tun, was müssen Sie vielleicht sogar tun? Wir haben wichtiges Grundwissen für Sie gebündelt.
Wann muss ich eingreifen?
Die meisten Lehrer/-innen sind unsicher, wann die Grenze zum Mobbing überschritten ist. Allgemein wird aus einzelnen Übergriffen Mobbing, wenn sie über längere Zeit regelmäßig – also (mehrfach) wöchentlich – gegen eine bestimmte Person verübt werden, die sich nicht wehren kann. Eine hundertprozentig sichere Diagnose ermöglicht Ihnen diese Definition in der Praxis natürlich trotzdem nicht – und genau das macht die Sache vermeintlich schwierig.
Dabei ist es eigentlich sehr simpel: "Bei Mobbingverdacht Mobbinginterventionen in den Blick nehmen", lautet die einfache Formel. Die Frage, ob es sich tatsächlich um Mobbing handelt, ist nämlich gar nicht entscheidend. Dass Sie darüber überhaupt nachdenken, zeigt schließlich, dass es einem Ihrer Schüler/-innen offensichtlich schlecht geht – und schon darum sollten Sie aktiv werden.
Aktiv werden – aber richtig!
Es liegt wohl auf der Hand: Ignorieren Sie die Probleme nicht und verharmlosen Sie die Situation auch nicht. Nehmen Sie die Sache und die Schülerinnen und Schüler ernst und ziehen Sie sich nicht mit einem lapidaren "Macht das unter euch aus!" auf der Affäre. Blinder Aktionismus hilft aber ebenso wenig weiter. Damit Sie nicht – trotz guter Absicht – alles nur noch schlimmer machen, vermeiden Sie öffentliche Schuldzuweisungen und schlagen Sie sich nicht auf eine Seite. Bleiben Sie möglichst unparteiisch und vermeiden Sie es, die "Moralkeule" zu schwingen.
Machen Sie sich einen fundierten Plan, statt aus dem Bauch heraus Maßnahmen zu ergreifen und sprechen Sie die Schritte mit den Betroffenen (Mobbingopfer, Kollegen, Schulleiter ...) ab. Vermeiden Sie es, die Sache in Abwesenheit des/der Gemobbten mit der Klasse zu besprechen und verhängen Sie auch keine pauschalen Sanktionen, mit denen Sie alle bis auf das Opfer der Attacken abstrafen. Versuchen Sie zudem nicht, Mitleid zu wecken oder die besondere Hilfsbedürftigkeit des Gemobbten herauszustellen. Auch einen konkreten Fall sollten Sie nicht mit der Klasse erörtern. Welche Möglichkeiten bleiben Ihnen also?
Handlungsmöglichkeiten: pädagogische Intervention
Von der pädagogischen Intervention über die Mediation, den No Blame Approach und die Farsta-Methode bis hin zu juristischen Schritten und einem Täter-Opfer-Ausgleich gibt es verschiedene Ansätze, die zum Einsatz kommen können – je nach Eskalationsgrad und Ressourcen. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die pädagogischen Interventionsmöglichkeiten und damit quasi auf Ihr Repertoire als Lehrer.
Die schulische Mobbingintervention basiert letztlich vor allem auf den folgenden Säulen:
- Strategie des Hinschauens,
- Kooperation mit Kollegen,
- Grenzsetzungen und Gespräche.
Stopp-Signale setzen
Ein rauer Ton und dumme Sprüche sind für Jugendliche oft ganz normal. Gerade bei Verdacht auf Mobbing dürfen Sie einen abwertenden Umgang miteinander aber nicht zum Normalzustand in Ihrem Unterricht werden lassen. Mit wütenden Reaktionen oder oberlehrerhaften Gängelungen werden Sie kaum einen Zugang zu den Schülern finden. Setzen Sie stattdessen Stopp-Signale, indem Sie Ich-Botschaften auf der Appell-Ebene tätigen:
- "Ich dulde solche Worte in meiner Klasse nicht."
- Lassen Sie keinen Raum für Einwände oder Diskussionen: "Mir ist egal, wie andere das handhaben, ich möchte so etwas hier nicht hören."
- "Ich will nicht, dass ihr so miteinander umgeht."
- "Ich möchte, dass sich jeder äußern kann, ohne angegriffen oder ausgelacht zu werden."
- "Wenn ihr euch anderswo so verhaltet, kann ich das nicht verhindern. Hier dulde ich es aber nicht."
Bleiben Sie ruhig, aber seien Sie bestimmt. Beschuldigen Sie niemanden und kritisieren Sie ausdrücklich immer nur ein Verhalten, nicht eine Person. Geben Sie der Klasse ein paar Sekunden, um Ihre Aussagen sacken zu lassen. Wenn nötig vergewissern Sie sich, dass Sie gehört wurden. Nach einigen Sekunden setzen Sie den Unterricht dann fort.
Gespräche führen und Helfer/-innen finden
Gespräche mit dem/der Gemobbten, den Mobber/-innen, aber auch den Eltern können sinnvoll sein. Vor jedem Gespräch sollten Sie sich (seelisch) vorbereiten damit Sie tatsächlich bereit sind. Zeitdruck sollten Sie unbedingt vermeiden, planen Sie also ein ausreichend großes Zeitfenster ein und sorgen Sie für einen geschützten Ort. Eine ruhige, ungestörte Atmosphäre ist wichtig, genau wie Vertraulichkeit und eine sensible Herangehensweise. Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus: Etwas Smalltalk hilft dabei, anzukommen und sich auf das Gespräch einzulassen. Spannen Sie Ihren Gesprächspartner allerdings nicht zu lang auf die Folter – Schüler/-innen (und auch Eltern) sind schließlich immer gespannt oder sogar ängstlich, was sie erwartet.
Holen Sie sich für die Maßnahmen, die Sie ergreifen wollen, immer die Erlaubnis des Mobbingopfers ein, um das Ohnmachtsgefühl nicht noch zu verstärken. Hören Sie zu, nehmen Sie den Schüler ernst und erklären Sie Ihre Ansätze. Ist er oder sie partout gegen eine bestimmte Maßnahme, akzeptieren Sie das. Sollten Sie das Nein im absoluten Ernstfall nicht stehenlassen können, vermeiden Sie es aber unbedingt, hinter dem Rücken des Schülers tätig zu werden. Erklären Sie stattdessen, warum Sie aktiv werden müssen. Ähnlich ist es mit der Vertraulichkeit. Sie hilft dem/der Gemobbten meist, sich zu öffnen und mit Ihnen zu sprechen. Das Vertraulichkeitsversprechen kann im Laufe der Zeit allerdings mit dem Informationsrecht der Eltern kollidieren. Erteilt der Schüler Ihnen keine Redeerlaubnis, sind Sie dann natürlich in einer Zwickmühle, zumal für nachhaltige Lösungen das Involvieren der Eltern oft wichtig ist. Wenn Sie nicht mehr schweigen können, sprechen Sie auch hier mit dem Schüler und erklären Sie, warum ein Elterngespräch zwingend nötig ist. Wenden Sie sich auf keinen Fall heimlich an die Eltern.
Um dem Machtgefälle und der Isoliertheit des Gemobbten entgegenzuwirken, kann auch ein Helfersystem ein guter Ansatz sein. Gibt es in der Klasse einen Freund oder einen Unterstützer? Dann sollten Sie ihn ins Gespräch mit einbeziehen. Hören Sie ihm – wie dem Mobbingopfer auch – zu und fragen Sie nach seinen Ideen. Achten Sie darauf, dass Sie den Schüler nicht überfordern. Halten Sie sich mit eigenen Vorschlägen zurück und präzisieren Sie lieber gemeinsam die Ideen des Freundes. Die Möglichkeiten sind vielfältig – von "Wir unternehmen in der Freizeit mehr miteinander." über "Wir verbringen die Pause öfter zusammen." bis hin zu "Wenn etwas Heftiges passiert, sage ich es dem Klassenlehrer." (für Letzteres muss der Gemobbte natürlich erst einwilligen). Auch ältere Schüler können als Mentoren, Buddys oder Paten jüngere Schüler unterstützen. In Abstimmung mit dem Mobbingopfer können sie zum Beispiel als Bezugsperson fungieren, als Pausenkontakt oder als Begleiter auf dem Schulweg.
Alleine geht es nicht
Bleiben Sie mit dem Gemobbten in Kontakt, auch wenn er sich ablehnend verhält: "Jedes Gespräch ist eine Unterstützung." Idealerweise machen Sie sich aber nicht zum Einzelkämpfer, sondern holen das "Klassenteam", also die Kollegen, mit ins Boot. Je mehr Kollegen an einem Strang ziehen, desto besser lässt sich die "Kultur des Hinschauens" etablieren. Auch ein Elternabend zum Thema kann sinnvoll sein – je mehr Akteure für die Sache sensibilisiert werden, desto unwahrscheinlicher wird Mobbing in der Schule.
Fortbildungen der Cornelsen Akademie
Gewalt ist kein Mittel (SchiLf)
Sie erproben wirksame Maßnahmen zur Verhinderung, Eindämmung und zum Abbau von Gewalt und Mobbing. Sie erfahren, wie Sie als Kollegium durch die konsequente Doppelstrategie „Weich zu den Menschen und hart in der Sache" zur Deeskalation beitragen können.
Mobbing? Nicht an unserer Schule! (SchiLf)
Sie erproben wirksame Maßnahmen zur Verhinderung, Eindämmung und zum Abbau von Gewalt und Mobbing. Sie erfahren, wie Sie als Kollegium durch die konsequente Doppelstrategie „Weich zu den Menschen und hart in der Sache“ zur Deeskalation beitragen können.
Lösungsorientiert Kommunizieren und Handeln (SchiLf)
Sie werden fit für eine lösungsorientierte wertschätzende Kommunikation in Konfliktsituationen. Zudem lernen Sie, wie Sie auf Kritik eingehen und freundlich und konstruktiv auf „Killerphrasen“ reagieren können.