Schule gestalten / 11.03.2024

Schulhöfe naturnah gestalten

Warum Schulhöfe eine wichtige Funktion für das Schulleben, für das Quartier und für die Umwelt haben

Versiegelte Flächen, vielleicht noch ein Sandkasten und ein paar Bänke: Viele Schulhöfe in Deutschland laden nicht gerade zum Entdecken und Erkunden oder zum Entspannen ein. Doch es geht auch anders. Schulhöfe können Orte des Lernens und der Erholung sein, hier kann Natur erfahren werden und sie können über die Schule hinaus eine wichtige Rolle für die Umwelt spielen. Wie das gelingen kann, weiß Annemarie Rost. Sie betreut bei der Deutschen Umwelthilfe unter anderem das Projekt Schulwäldchen.

Schüler pflanzen Bäume
Bild: Shutterstock.com/Dmytro Zinkevych

Frau Rost, warum kümmert sich die Deutsche Umwelthilfe ausgerechnet um Schulhöfe?

Annemarie Rost:  Ganz einfach: Der Schulhof ist auch ein Umwelt- und Klimaschutzthema. Denn wo verbringen Schülerinnen und Schüler einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend? In der Schule und dann auch auf dem Schulhof. Das ist ein wichtiger Ort, um Naturerfahrungen zu machen. Wir haben ungefähr 32.000 allgemeinbildende Schulen, leider gibt keine genauen Daten über die Gestaltung der Schulhöfe, aber bei unseren Schulhof-Ausschreibungen bekommen wir immer sehr viele graue, monotone Bilder. Da sieht man nirgendwo einen Käfer krabbeln oder einen Baum blühen. Zusätzlich ist es im Sommer oft unerträglich heiß, weil Schattenplätze fehlen. Ich kenne auch Schulen, die ihren Schulhof bei starkem Regen nicht nutzen können, weil das Wasser dort steht und nicht abfließen kann.
 

Aber in den letzten Jahren hat sich doch einiges getan. Immer wieder werden Schulhöfe als Spielflächen und Rückzugsorte umgestaltet.

Annemarie Rost: Diese ersten Schritte sind richtig und wichtig. Aber der Schulhof muss wegkommen vom alleinigen Pausenraum mit Rückzugs- und Spielmöglichkeiten. Er kann auch ein Lernort sein und sollte gleichberechtigt zum Schulgebäude behandelt werden.

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Was für ein Lernraum kann denn der Schulhof sein?

Annemarie Rost: Der Schulhof kann für ganz verschiedene Fächer als Lernraum betrachtet werden. Nicht nur - was naheliegt - für das Fach Biologie. Wenn man zum Beispiel den Schulhof umgestalten will, kann man das auch zum Thema im Fach Mathematik machen. Wie viel Volumen muss ausgehoben werden? Wie viel Volumen hat überhaupt so ein kleiner Hügel auf dem Schulhof? Wie viel Volumen hat eine Baumkrone? Ähnliches gilt für andere Fächer. Es gibt zahlreiche Gedichte und Kunstwerke über die Natur – diese werden mit einem naturnahen Schulhof ganz neu erfahren. Und ganz klassisch lässt sich der Schulhof auch fächerübergreifend als grünes Klassenzimmer nutzen. Sitz und Lernmöglichkeiten draußen ermöglichen Unterricht im Grünen. Das ist besser, als nur im stickigen Klassenraum zu sitzen.
 

Das ist jetzt alles ziemlich fächerbezogen, aber wenn ich es richtig verstehe, geht Ihr Ansatz noch weiter?

Annemarie Rost: Genau, es geht um das ungezwungene Lernen. Dass die Kinder sich beispielsweise einfach mal in irgendeine Ecke verkriechen können und merken: „Oh, das piekst“. Oder: „Hier blüht ja gerade etwas und dort wachsen Früchte.“ Diese Naturerfahrungen in der Kindheit sind wichtig für späteres Umweltengagement und für ein Umweltbewusstsein.

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Trittsteinbiotop für Vögel und Insekten

Sie betrachten Schulhöfe aber nicht nur aus dem Blickwinkel der Schülerinnen und Schüler, sondern sehen sie auch als Teil der Stadt. Warum?

Annemarie Rost: Schulhöfe bieten ein Riesenpotenzial, denn naturnah und klimaangepasst gestaltete Schulhöfe können zur klimaresilienten Stadt beitragen. Die Schulhofflächen einer Stadt können zu einem grünen Erholungsort werden, wenn sie auch für andere Gruppen am Nachmittag oder am Abend als Erholungsort geöffnet werden. Dazu kommt: Wenn die Schulhöfe mit heimischen Pflanzen begrünt sind, dann werden sie zu einem Trittsteinbiotop für Vögel, die nicht direkt zum nächsten großen Park fliegen können und irgendwo Rast machen müssen. Das gleiche gilt für Insekten. Dazu kommt die Klimaanpassung. Es wird immer heißer in den Städten und da ist jedes kleine Fleckchen, das entsiegelt und begrünt ist, ein wertvoller Baustein. Und natürlich ist diese Schulhofumgestaltung auch für die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler wichtig.

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Das Projekt Schulwäldchen

Ihr aktuelles Projekt heißt Schulwäldchen. Was steckt dahinter?

Annemarie Rost: Drei Schulen in Berlin, Hamburg oder Leipzig haben die Möglichkeit, ein Schulwäldchen anzupflanzen. Das sind sogenannte Tiny Forests. Die Schulen bekommen von uns das notwendige Material und es werden Gehölze auf einer Fläche von mindestens 100 Quadratmetern auf dem Schulhof angepflanzt. Davor gelagert erhalten die Schulen drei Workshops vor Ort. Dabei ist uns Partizipation ein großes Anliegen. Wir wollen, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte, und auch Hausmeister und Hausmeisterinnen die Möglichkeit bekommen, sich von Anfang an zu beteiligen.
 

Das sind drei Schulen in drei Städten, oder vielleicht auch drei Schulen in einer Stadt, je nachdem, wie das Ergebnis der Ausschreibung aussieht. Wie wollen Sie dieses Projekt, diese Idee in die Breite tragen?

Annemarie Rost: Wir stehen mit dem Projekt noch ganz am Anfang und es ist unser erstes bundesweites Projekt dieser Art. Bisher hatten wir Projekte innerhalb einzelner Bundesländer. Wir merken aber jetzt schon, dass uns vor allem auf der Verwaltungsebene Skepsis entgegengebracht wird. Das bedeutet: Wir müssen noch mehr Aufklärung betreiben. Dieses Konzept der Tiny Forests gibt es noch nicht allzu lange und ist auch noch nicht sehr bekannt. Und Schulwäldchen passen natürlich auch nicht auf jeden Schulhof. Auf einen dicht bebauten Schulhof, mitten in einem Berliner Kiez, passt kein Schulwäldchen. Entscheidend ist, dass allgemein ein Bewusstsein dafür entsteht, dass Schulhöfe klimaangepasst, naturnah und biodivers umgestaltet werden können und sollten. Das Schulwäldchen kann ein Teil davon sein, aber es gibt auch verschiedene andere Maßnahmen. Natürlich wünschen wir uns, dass in Deutschland Schulhöfe flächendeckend umgestaltet werden und dass dahingehend auch die Vorgaben verändert werden.
 

Sie sprechen von Skepsis, die Ihnen entgegengebracht wird. Wie sieht diese Skepsis aus?

Annemarie Rost: Beim Schulwäldchen gibt es zum Beispiel Sicherheitsbedenken und auch die Pflege ist ein großer Aspekt. Die Schulträger haben oft große Bedenken, welcher Pflegeaufwand auf sie zukommen mag, allein was das Gießen im Sommer betrifft. Natürlich müssen die Pflanzen in den ersten Jahren, solange sie noch klein sind, gepflegt werden. Aber es werden Pflanzen ausgewählt, die an den Standort angepasst sind und später kaum noch gepflegt werden müssen. Außerdem gibt es innerhalb der Schulgemeinschaft in der Regel auch einen riesengroßen Rückhalt.  Wenn die Kinder dort selbst gepflanzt haben, dann kümmern sie sich auch anschließend darum. Wir haben auch schon tolle Kooperationen gesehen von Schulen mit Kleingartenvereinen. Dann haben die Kleingärtner/-innen im Sommer gegossen oder die Eltern haben sich abgewechselt.
 

Sie haben gesagt, in den Bundesländern gab es auch schon Initiativen, nur nicht bundesweit. Seit wann ist denn die Deutsche Umwelthilfe in Sachen Schulhöfen unterwegs? Und womit fing es an?

Annemarie Rost: Die Deutsche Umwelthilfe ist seit 2018 mit den Schulhofprojekten in einzelnen Bundesländern unterwegs. Begonnen hat es in Thüringen. Dort haben wir zehn Schulen bei der Planung und Umsetzung naturnaher Schulhöfe begleitet. Mittlerweile ist Thüringen schon in der vierten Projektrunde. Thüringen ist auch das einzige Bundesland mit dem verpflichtenden Fach Schulgarten. Weitere Projekte laufen oder liefen in Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen und in Brandenburg.

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Was können einzelne Schulen tun?

Wenn sich eine Schule auf den Weg machen will, die keine Ausschreibung gewonnen hat und auch nicht Teil eines Projektes ist, wie beginnt sie und wo findet sie Hilfe?

Annemarie Rost: Am Anfang ist es wichtig, eine feste Projektgruppe zu bilden und möglichst alle Akteure miteinzubinden, die Schulleitung, die Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler, die Elternschaft. Ganz wichtig ist auch, den Schulträger möglichst früh miteinzubeziehen. Und dann sollte man zunächst den Ist-Zustand dokumentieren. Wie sieht unser Schulhof aus? Danach müssen alle funktionalen Flächen, wie zum Beispiel die Feuerwehrzufahrt, gekennzeichnet werden, ebenso die Wege, die die Schülerinnen und Schüler gehen. Danach kann man einen ersten Plan machen und fragen: Was wollen wir erleben?

Man sollte mit anderen Schulen Kontakt aufnehmen, die bereits Erfahrung mit einer Schulhofumgestaltung gemacht haben. Und dann muss diese Idee in die Welt getragen werden, also in das Viertel oder in die Gemeinde, damit zum Beispiel Unternehmen aufmerksam werden, die mit Maschinen oder Material helfen können. Man kann einen Spendenlauf machen, auf einem Sommerfest darauf aufmerksam machen. Wichtige Ansprechpartner sind außerdem die Umweltverbände. Bei deren Regionalverbänden kann man Saatgut, Nistkästen und ähnliches bekommen.  Und wir stellen online eine Toolbox „Naturnahe Schule“ zur Verfügung, es gibt zum Beispiel auch von der Natur- und Umweltakademie die Beratungsmappe „Naturnahes Schulgelände“.

Es gibt also genug Möglichkeiten, sich zu erkundigen, sich Hilfe zu holen und das Ganze zu entwickeln?

Annemarie Rost: Es gibt bereits einiges an tollen Nachschlagewerken mit wichtigen Informationen und Best-Practice-Beispielen. Nichtsdestotrotz ist so eine Schulhofumgestaltung ein großer und fordernder Prozess, neben all dem, was Schule eh noch leisten muss. Ein externes Projekt wie von uns als DUH und die damit verbundene Begleitung kann da einen hilfreichen Rahmen und Unterstützung bieten, damit das Vorhaben nicht im Alltag untergeht.

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