Klassenziel nicht erreicht
Kein gutes Mathe-Ergebnis für die Grundschule
Auch in diesem Jahr können die deutschen Grundschulen sich nicht über ein gutes Zeugnis freuen. Denn etwa jeder fünfte Viertklässler erreichte in Mathematik nicht einmal das einfachste Niveau der Bildungsstandards, auf die sich die Kultusminister im Jahr 2005 bundesweit verständigt hatten - so das Ergebnis des IQB-Bildungstrends 2021. Zum dritten Mal seit 2011 wurde diese Studie am Ende der 4. Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik durchgeführt. Ein Grund für die schlechten Ergebnisse in diesem Jahr mögen gewiss die pandemiebedingten Schulschließungen sein. Allerdings war der Negativtrend bereits in der letzten Studie im Jahr 2016 spürbar. Was also tun, damit sich diese Abwärtsspirale nicht fortsetzt?
Petra Stanat, Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) sprach bei der Vorstellung der Studie von „signifikant negativen Trends“. Denn was bereits bei der ersten PISA-Studie 2001 zutage gekommen war, verstärkt sich noch: „Der sozioökonomische Status der Familie spielt eine immer größere Rolle beim Schulerfolg der Kinder.“ Dieser Trend sei seit 2016 festzustellen und treffe alle Kinder, „aber ganz besonders Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungshintergrund.“
Schulschließungen, Hybrid- und Onlineunterricht haben die Schulen in den beiden letzten Jahren an ihre Grenzen gebracht. Dazu kommen Lehrermangel, pandemiebedingte Krankheitsausfälle und wenig Aussichten auf eine Verbesserung der Situation. Grundschullehrkräfte können also nur versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen.
Der Anfang ist entscheidend
Die Grundlagen für erfolgreiches Mathematiklernen werden in der Grundschule gelegt, und zwar vom ersten Tag an. Allerdings kommen die Kinder mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zur Schule. Manche können bereits lesen oder sind schon wahre Rechengenies, andere wissen mit Buchstaben und Zahlen nichts anzufangen. Dazu kommen noch die Kinder mit einer anderen Muttersprache, die dem Unterricht nicht ohne weiteres folgen können.
Jedes Kind im Blick haben
Allerdings bietet die Grundschule mit dem Klassenlehrerprinzip auch die Chance, dass die Lehrkräfte jedes Kind in seiner Gesamtheit sehen und gezielt Unterstützung und Hilfe anbieten können. Gerade in den ersten Wochen der Eingangsklasse ist die Diagnose jedes einzelnen Kindes eine der vordringlichsten Aufgaben. Denn nur so kann der Unterricht an das individuelle Vorwissen der Kinder anknüpfen.
Motivieren und Fehler ernst nehmen
Wichtig ist, die Kinder zu ermutigen und ihnen Raum zum Erproben zu geben. Auch ein falsches Resultat kann den Weg zum richtigen Ergebnis aufzeigen, außerdem zeigt es den Lehrerinnen und Lehrern den aktuellen Lernstand des Kindes. Wenn Philipp zum Beispiel bei der Aufgabe 12 · 3 zum Ergebnis 32 kommt, ist es wenig hilfreich zu sagen, das Ergebnis sei falsch. Stattdessen lohnt es sich nachzufragen, wie Philipp zu diesem Ergebnis gekommen ist. Vielleicht weil er 10 · 3 = 30 + 2 gerechnet hat?
Mathe macht Spaß!
Im Grundschulunterricht kommt dem Spielen eine wichtige Rolle zu. Gerade im Fach Mathematik werden sich Kinder mit Spaß und Entdeckerfreude, Neugier und Ehrgeiz den fachlichen Inhalten nähern, wenn sie spielerisch verpackt sind. Gute Anregungen dafür liefert die Broschüre Spiele und Kurzaktivitäten des Projekts PIKAS.
PIKAS ist ein Kooperationsprojekt der Universitäten Dortmund und Münster, des Schulministeriums NRW sowie der Deutsche Telekom Stiftung. Die Internetplattform bietet forschungsbasierte, praxiserprobte Materialien und Konzeptionen für einen guten Mathematikunterricht. Wer das Ganze in gedruckter Form vorzieht, greift zu den Büchern Mathe ist Trumpf - Guter Mathematikunterricht. Hier werden die Konzeption des Projekts, die wissenschaftlichen Hintergründe und viele konkrete Beispiele ausführlich vorgestellt. Eine wertvolle Basis für einen modernen Mathematikunterricht. Und den klagte PISA-Chef Andreas Schleicher bereits vor drei Jahren in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (rnd) ein. Das Land müsse weiter daran arbeiten, seinen Unterricht zu verbessern, so Schleicher. Denn deutsche Schüler seien gut darin, etwas auswendig zu lernen. Aber sie könnten besser darin sein, Ideen zu durchdringen und kreativ mit ihnen zu arbeiten. Mathematisches Denken lasse sich trainieren. Um Lust an Mathematik zu wecken, bedürfe es auch besserer Aufgaben im Unterricht.
SINUS – ein Angebot für alle Schulen
Wie diese Aufgaben aussehen und den Unterricht tatsächlich verbessern können, hat auch das Projekt „Sinus (Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts)-Transfer Grundschule“ beispielhaft gezeigt, das aus dem gleichnamigen Modellversuchsprogramm für die Sekundarstufe I entwickelt wurde. Das Grundschulprogramm lief von 2004 bis 2009 in vierzehn Ländern der Bundesrepublik und das Nachfolgeprojekt „SINUS an Grundschulen“ bis 2013. Seither können die Länder die Arbeit nach landesspezifischen Konzepten weiterführen. Außerdem stehen alle Materialien des Programms den Schulen und Lehrkräften weiterhin zur Verfügung. Und es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen! Insbesondere Lehrerinnen und Lehrer, die fachfremd unterrichten und Quereinsteiger/-innen werden von diesem Angebot profitieren.
Lehrkräfte können die Module entweder individuell nutzen oder sich in der Schule vernetzen und sie gemeinsam umsetzen. Angeboten werden insgesamt zehn Module, die aus typischen Problembereichen des Unterrichts empirisch ermittelt wurden. Grundschullehrerinnen und -lehrer kennen diese Bereiche häufig aus ihrer eigenen Erfahrung. Die zehn Module sind:
- Gute Aufgaben
- Entdecken, Erforschen, Erklären
- Schülervorstellungen aufgreifen, grundlegende Ideen entwickeln
- Lernschwierigkeiten erkennen
- Talente entdecken und unterstützen
- Fachübergreifend und fächerverbindend unterrichten
- Interessen (von Mädchen und Jungen) aufgreifen und entwickeln
- Eigenständig lernen gemeinsam lernen
- Lernen begleiten Lernerfolg beurteilen
- Übergänge gestalten
Außerdem stehen ausführliche Handreichungen zu den SINUS-Arbeitsschwerpunkten zur Verfügung. etwa zum mathematischen Argumentieren und Modellieren, zur kompetenzorientierten Förderung im Übergang von der Kita zur Schule oder zur Zusammenarbeit von Lehrkräften und Eltern bei Rechenschwäche.
Die Einstellung zählt
Doch nicht nur Lehrkräfte und Kinder, auch die Eltern müssen überzeugt sein vom Stellenwert der Mathematik. Leider kokettieren Erwachsene nur allzu gern damit, dass sie „Mathe auch nicht konnten“. Sie würden aber wohl niemals auf die Idee kommen, sich damit zu brüsten, in ihrer Schulzeit Analphabet gewesen zu sein. Vielleicht ein Thema für den nächsten Elternabend?
Fortbildungstipps der Cornelsen Akademie
Vielfalt nutzen – Differenzieren im Unterricht (SchiLf)
Sie erfahren, wie Sie durch Verfeinerung, Abstufung und Aufteilung der Lerninhalte auch bei unterschiedlichen Begabungen und sozialen Einbettungen sowie spezifischen Lernbedürfnissen differenzieren können. So finden Sie für jede Schülerin und jeden Schüler den Lernweg mit der größten Erfolgsaussicht.