6 Beispiele für den Gebrauch mehrteiliger Konnektoren
1. Der Gegensatz
Sind 3 Sandkörner schon ein Haufen? Und 102? Oder 219.756? Wo ist die Grenze? Einerseits kommt es bei einem Sandhaufen nicht auf ein einzelnes Korn an, andererseits muss ja ein bestimmtes Korn den Ausschlag gegeben haben, das Ganze irgendwann einen Haufen zu nennen. Dieses als Paradoxie des Haufens bekannte Problem müssen wir in unserem Unterricht nicht auflösen. Für uns ist interessant, dass wir die mangelnde Trennschärfe mit zweiteiligen Konnektoren beschreiben können, die gegensätzliche Betrachtungen ermöglichen.
2. Die Alternative
In der digitalen Ethik wird ein Problem diskutiert, das mit der Entwicklung fahrerloser Autos verbunden ist. Die Fragestellung geht auf das Trolley-Problem (auch: die Weichenstellerfrage) zurück, das schon 1930 formuliert wurde. Dabei rollt ein Güterzug auf einen vollbesetzten Personenzug zu. Der Weichensteller könnte den Güterzug umlenken, auf dem Ausweichgleis befindet sich jedoch eine Gruppe von Arbeitern. Kann er eine moralisch vertretbare und juristisch straffreie Entscheidung treffen? Die aktuelle Diskussion dreht sich inzwischen um die Frage, ob ein fahrerloses Auto bei zu kurzem Bremsweg entweder in eine Gruppe von Kindern fährt oder eine alte Dame überrollt.
3. Die Komparation
Der Gebrauch von je – desto fällt auch Muttersprachlern oft schwer. Selbst Kommentatoren, Journalisten oder Blogger verwenden diese Konjunktionen in unterschiedlich falschen Kombinationen. Um den richtigen Gebrauch zu trainieren, hilft vielleicht das nicht ganz ernst gemeinte Käse-Paradoxon; dabei bekommt man auch gleich ein Gefühl für die Ellipse in der Sprache.
Je mehr Käse, desto mehr Löcher.
Je mehr Löcher, desto weniger Käse.
Also: Je mehr Käse, desto weniger Käse!
4. Die Aufzählung
Von Jürgen Wegmann, einem Fußballer der 1980er Jahre, ist ein Satz überliefert, der inzwischen zu den Klassikern der Fußballweisheiten zählt: „Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch das Pech dazu.“ Mit zweiteiligen Konnektoren hätte er eleganter formulieren können, dass die Mannschaft nicht nur glücklos, sondern auch vom Pech verfolgt war.
Im Gegensatz zu dieser misslungenen Aufzählung hat Marc Aurel im 2. Jahrhundert gekonnt formuliert: „Alles geht in einem Tage dahin, sowohl der Rühmende als auch der Gerühmte.“ Aber weil diese Sentenz sowohl den Rahmen des Unterrichts sprengen als auch das Sprachvermögen unserer Teilnehmer/-innen überfordern würde, können wir ihnen zumindest mitgeben: Um gut Deutsch zu sprechen, muss man sowohl über einen großen Wortschatz verfügen als auch die Grammatik beherrschen.
5. Die negative Aufzählung
Wenn etwas nichts Halbes und nichts Ganzes ist, beschreiben wir es auch als „weder Fisch noch Fleisch“. Eines der bekanntesten Beispiele für eine negative Aufzählung stammt von Johann Wolfgang Goethe. Leider kann es uns heute nicht als Muster für die korrekte Verwendung zweiteiliger Konnektoren dienen. Im „Faust“ lässt er Margarete zu Faust sagen: „Bin weder Fräulein, weder schön…“ Aber ehe wir dem Klassiker Goethe vorwerfen, die grammatische Korrektheit dem Metrum geopfert zu haben, erfahren wir, dass im klassischen Latein tatsächlich dasselbe Wort wiederholt wurde. Das ‚neque….neque‘ übersetzen wir allerdings mit weder- noch. Aber „Wenn das Aug nicht sehen will, helfen weder Licht noch Brill‘“, wie eine alte Volksweisheit konstatiert.
6. Die Einschränkung
Sie kennen das aus Ihrem Kurs. X hat zwar gelernt, aber es hat nicht gereicht. Y hat zwar nicht gelernt, aber es hat trotzdem gereicht.
Dazu passt vielleicht die Bemerkung des Philosophen Karl Popper: „Es dürfte uns guttun, uns manchmal daran zu erinnern, dass wir zwar in dem Wenigen, was wir wissen, recht verschieden sein mögen, dass wir aber in unserem grenzenlosen Unwissen alle gleich sind.“1 Entscheiden Sie selbst, ob Sie das tröstlich oder beunruhigend finden.
1 K. R. Popper, Von den Quellen unseres Wissens und unserer Unwissenheit. Vorlesung vor der Britischen Akademie am 20. Januar 1960. In: Vermutungen und Widerlegungen, Band 1, S. 45