Zwei Kinder stehen an einem Strand. Hinter ihnen eine Illustration die die Strahlen eines Leuchtturms zeigt
Bild: Cornelsen/Anja Poehlmann

5 Fragen: 10 Antworten

Digitaler Wandel

Zwei Lehrerpersönlichkeiten – zwei Generationen: Anke Barth und Florian Look stellen sich aktuellen Fragestellungen aus der Unterrichtspraxis. Wir stellen fünf Fragen mit Fokus auf den digitalen Wandel. Wo liegen die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede?

Unsere Gesprächspartner

Anke Barth
Bild: Copyright/kemnitzmares

Anke Barth
Lehrerin für Englisch und Russisch im sächsischen Vogtlandkreis, arbeitet im Englischunterricht mit Lighthouse

Ich bin seit 1993 Lehrerin für die Fächer Englisch und Russisch. Über den Auslandsschuldienst hatte ich im August 2006 die Möglichkeit, für 11 Jahre an der Europäischen Schule in Culham/ Großbritannien tätig zu sein. 2017 zog ich mit meiner Familie wieder zurück nach Deutschland. Seitdem bin ich Schulleiterin an einer Oberschule im sächsischen Vogtlandkreis. Wir haben ca. 370 Schüler. Ich unterrichte aktuell eine 8. Klasse im Realschul- und Hauptschulbildungsgang, was mir große Freude macht.


Florian Look
Bild: Copyright/kemnitzmares

Florian Look 
Lehrer für Englisch, Gesellschaftslehre und Geschichte in Kleve, unterrichtet Englisch mit Lighthouse

Ich bin Florian Look, 35 Jahre alt, und unterrichte die Fächer Englisch, Gesellschaftslehre und Geschichte an der Joseph Beuys Gesamtschule in Kleve, die 2017 aus einer Sekundarschule entstand. Nach dem Studium an der Universität Duisburg-Essen, dem Referendariat an einem Gymnasium und einer Vertretung an einer Realschule kam ich 2017 an die Joseph Beuys Gesamtschule. Ich unterrichte Englisch in den Jahrgangsstufe 6, 8, 9, 10 und EF und bin Beratungslehrer der EF.

Unsere Fragen

1. Wie digital ist Ihr Englischunterricht heute – was motiviert Sie oder was hält Sie davon ab, digitale Medien einzusetzen?

Anke Barth
Bild: Copyright/kemnitzmares

Anke: Der Umgang mit digitalen Medien ist für unsere Schüler längst zu einer festen Größe im Alltag geworden. Umso wichtiger finde ich es, auch Unterrichtsmethoden in dieser Richtung weiterzuentwickeln. Unsere Schule hat bereits eine Anzahl von interaktiven Tafeln und Whiteboards. Doch scheitert der Einsatz oft an der schwachen Internetverbindung. Nicht jedes Klassenzimmer, in dem ich unterrichte, hat diese technische Ausstattung, sodass ich immer eine traditionelle Variante dabei habe. Auf einer Skala von 1 bis 5 würde ich mich in der Mitte einordnen. Gern nutze ich verschiedene digitale Einstiege wie z. B. mentimeter.com, aber auch analoge Methoden wie marketplace oder double circle machen den Schülerinnen und Schülern immer wieder Spaß.

Florian: Die Digitalisierung meines Englischunterrichtes würde ich im Mittel mit 3,5 einschätzen (von 1–5). In unteren Jahrgangsstufen arbeite ich tendenziell weniger bzw. anders digital als in höheren Jahrgangsstufen. Wichtiger sind für mich die Ausprägung allgemeiner Methodenkompetenzen und insbesondere die Medienkompetenz der Schüler/-innen. Mit stärkerer Ausprägung in höheren Jahrgangsstufen setze ich vermehrt digitale Medien ein, auch zur Förderung des eigenverantwortlichen Lernens. Dies ist teils auch unabhängig von der Schulausstattung möglich, da digitale Angebote wie die Apps des British Councils, die Game Zone-App der Big Challenge oder Kahoot im Sinne des Bring-Your-Own-Device-Ansatzes auch individuell nutzbar sind und so einen ersten Schritt zum digitalen Arbeiten darstellen. Die Schülerinnen und Schüler können dazu an Stellen, an denen es sinnvoll ist, in meinem Englischunterricht ihre Smartphones einsetzen.


2. Welchen Mehrwert können digitale Medien im Englischunterricht bieten?

Anke: Der Einsatz verschiedener Medien beim Sprachenlernen bietet immer eine gute Abwechslung. So sind mein Handy und ein Lautsprecher immer in der Tasche, um ein Lied cooler zu präsentieren. Das motiviert meine Schüler/-innen und sie singen gern mit. Für meine Unterrichtsplanung nutze ich das E-Book auf scook.de Diese Plattform ist sehr hilfreich. Ich habe meine Unterrichtsvorbereitung auf meinem Notebook immer dabei und muss nicht ständig Ordner von zu Hause in die Schule tragen. Ob ein Video oder ein Hörtext aus einer Unit – es ist alles gut organisiert und schnell zu finden. Die digitalen Vorschläge zur Leistungsmessung erleichtern das Individualisieren und ich kann Klassenarbeiten für meine Gruppe entsprechend zusammenstellen. Für individuelle Förderung und Differenzierung mit digitalen Medien fehlt einfach noch die Ausstattung an unserer Schule. Da nutze ich die klassische Variante mit Kopien aus dem Ordner Differenzieren – Fördern – Fordern oder auch das Arbeitsheft. Doch ich merke immer wieder, dass auch traditionelle Methoden, wie bewegtes und handlungsorientiertes Lernen, meinen Schülern helfen, Englisch mit allen Sinnen zu verstehen. Selbst das Schreiben mit Kreide an der Tafel macht ihnen Spaß und motiviert zum Mitmachen.

Bild: Copyright/kemnitzmares

Florian: Digitale Medien bieten meiner Erfahrung nach an fast jeder Stelle des Englischunterrichtes einen Mehrwert. Entscheidend ist für mich immer die Frage, wie man ein digitales Medium zu einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll einsetzen kann. Gerade als fast finisher-Aufgaben können bereits kleine digitale Aufgabenformate einen Mehrwert bieten. Hier habe ich beispielsweise die Verwendung von ChatClass in meinen Lerngruppen etabliert, welches ich im Rahmen eines Testings mit meiner Klasse ausprobiert habe. Schülerinnen und Schüler können so individuell zusätzliche Aufgaben wählen und bearbeiten. Durch das teacher’s desk kann ich zeitgleich Feedback zum Lernfortschritt geben. Auch in Stundeneinstiegen bzw. Wiederholungsphasen bieten sich digitale Medien an, auch wenn dies bei geschlossenen und halboffenen Aufgabenstellungen oft noch einfacher als bei offenen Aufgaben ist. Besonders im Project based learning bieten digitale Medien weitere Chancen. Umfassendere Projekte, wie z. B. Reiseführer, können digital bearbeitet und präsentiert werden, sowohl schriftlich als auch mündlich durch Videoaufnahmen.


3. Lernen Schülerinnen und Schüler Ihrer Meinung nach mit digitalen Medien besser oder einfach nur anders Englisch?

Anke Barth an digitaler Tafel
Bild: Copyright/kemnitzmares

Anke: Ich denke, unsere Schüler lernen nur anders mit digitalen Medien. Es ist etwas Neues und hat somit einen hohen Motivationsfaktor. Die interaktive Tafel im Klassenzimmer ist mittlerweile ein selbstverständliches Medium. So erlebe ich es bei verschiedenen Präsentationen. Die Schüler nutzten die interaktive Tafel zur Veranschaulichung ihres Themas, manche bauen kleine Videoclips oder ein Quiz mit ein. Schüler helfen sich gegenseitig beim Umgang mit der interaktiven Tafel, aber auch mir, wenn ich nicht die richtige Funktion finde. Gern nutze ich Lieder und kurze Filme zur Landeskunde aber auch Erklärfilme zu verschiedenen Methoden (Think – Pair – Share). Erst kürzlich präsentierte ich das Lied Flower of Scotland with Impressions (Unit 4/ Lighthouse) über YouTube. So hörten meine Schüler das Lied und gewannen auch gleichzeitig einen Einblick in die Natur Schottlands. Neben den Videoclips aus dem Lehrwerk verwende ich kurze Videosequenzen auf bbc.co.uk um aktuelle Ereignisse zu präsentieren. Das traditionelle Sprachenlernen hat trotzdem noch einen hohen Stellenwert. Miteinander sprechen und kommunizieren sind wichtig in meinem Unterricht. Aktivitäten wie z. B. bus stop oder partner talk sind gute Möglichkeiten und fördern die soziale Kompetenz. Und nebenbei tut Bewegung im Unterricht den Kindern gut. In diesem Schuljahr müssen meine Schüler eine komplexe Leistung mit digitalen Medien erstellen. Dabei geht es um die Vorstellung der eigenen Schule. Das Ergebnis sollen einzelne Videoclips sein, die im Anschluss auf unserer Homepage veröffentlicht werden.*

*Weiterlesen: Stundenentwurf für das Projekt „Present your school“

Florian Look am Laptop / digitale Medien
Bild: Copyright/kemnitzmares

Florian: Durch die Nutzung von digitalen Medien lernen Schülerinnen und Schüler mit Sicherheit anders und individueller Englisch. Ein besseres Lernen ist es dadurch aber noch nicht automatisch, insbesondere da dazu auch immer eine gewisse Ausprägung der Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien nötig ist. Deshalb sind digitale Medien für mich in variierendem Umfang immer ein weiteres, nicht jedoch das einzige Medium meines Englischunterrichtes. Zugleich stelle ich den Schülerinnen und Schülern, falls wie beim Project based learning möglich, frei ob sie ein digitales oder analoges Produkt erstellen. Der größere Gestaltungsspielraum bei Verwendung digitaler Medien und die – sicherlich auch hinsichtlich des Nutzungsumfangs debattierbare – größere Nähe der Schülerinnen und Schüler dazu führt aber fast immer zu einer höheren Motivation, was ich als große Chance sehe, solange zeitgleich die Medienkompetenz gefördert wird. Lehrkräfte können mit Sicherheit in Hinblick auf digitale Medien von Schülerinnen und Schülern lernen, insbesondere hinsichtlich der vielseitigen Möglichkeiten. Hier erinnere ich mich gerne an Präsentationen, die statt eines klassischen Referates bspw. Comics/Trickfilme, Kurzfilme und Erklärvideos bzw. Podcasts als Produkt gewählt haben. Insbesondere kurze Erklärvideos eignen sich perfekt zur späteren Wiederholung von Unterrichtsthemen.


4. Wo sehen Sie den Englischunterricht in 5 Jahren mit Blick auf die Digitalisierung?

Anke Barth im Gespräch
Bild: Copyright/kemnitzmares

Anke: Ich hoffe, dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die digitalen Medien zum Lernen sicher genutzt werden können. Dazu gehören nicht nur ein schnelles Internet, sondern auch die entsprechende Anzahl von Endgeräten für Schüler und Lehrer. Der individuelle Lernfortschritt gewinnt mehr an Bedeutung. Digitale Medien bieten diese Möglichkeit der Individualisierung. Das bedeutet aber auch, dass die Schüler immer selbständiger das Lernen übernehmen und ich als Lehrer in der Verantwortung bin, diese Aktivitäten zu begleiten und dabei einen diagnostischen Blick auf alle Schüler zu haben. Die neue Herausforderung für uns Lehrer wird sein, sowohl digitale als auch traditionelle oder analoge Unterstützungen bereitzustellen, um einen nachhaltigen Lernprozess zu sichern. Spiele, Dialoge und Lieder fördern die soziale Kompetenz und werden immer ein wesentlicher Bestandteil meines Unterrichts bleiben. Sprechen und miteinander arbeiten sind für mich sehr wichtig – nicht nur für das Erlernen der Sprache, sondern auch für die Dynamik in der Lerngruppe.

Florian: Der Englischunterricht wird durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche vermutlich zwangsläufig digitaler (werden müssen). Der Umfang wird dabei mit Sicherheit auch abhängig von Lehrkräften und Lerngruppen variieren. Ich glaube nicht, dass in 5 Jahren der Englischunterricht schon so stark digitalisiert sein wird, wie man jetzt möglicherweise erwartet. Zugleich ist es ein fortlaufender Prozess, dessen Entwicklung über die nächsten 5 oder 10 Jahre hinaus schwierig abzusehen ist und für den es keinen wirklichen Endpunkt gibt – die digitale Entwicklung wird nie beendet sein. Der Digitalpakt ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung infrastruktureller Voraussetzungen, die Veränderungen, die die Digitalisierung für den Unterricht mit sich bringt, sind aber so umfassend, dass ich zunächst hoffe, dass in 5 Jahren alle Schulen über eine gute und vergleichbare Ausstattung verfügen. Mit der verstärkten Nutzung in der Praxis erwarte ich erst dann eine umfassende Neu- bzw. Weiterentwicklung digitaler Materialien im Englischunterricht. Meinen eigenen Englischunterricht würde ich dann verstärkt digital gestalten. Zeitgleich wäre dies für mich keine völlige Abkehr von klassischen Materialien. Vielmehr glaube ich, dass das größte unterrichtliche Potenzial hinsichtlich der Differenzierung und Individualisierung des Englischunterrichtes in einer Verzahnung von Print- und Digitalmaterialien liegt. Einen ersten Einblick in die Möglichkeiten gab meines Erachtens die Verzahnung von ChatClass und Lighthouse in Jahrgangsstufe 9.


5. Wenn Sie einen Wunsch für Ihren digitalen Englischunterricht frei hätten – welcher wäre das?

Anke Barth im digitalen Unterricht
Bild: Copyright/kemnitzmares

Anke: Ich wünsche mir auf jeden Fall ein starkes und schnelles Internet in der Schule. Das ist die Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz digitaler Medien. Damit verbunden sollte jeder Schüler ein Tablet besitzen, um gemeinsam mit verschiedenen Materialien arbeiten zu können. Ich kann mir gut vorstellen, mit dem neuen mBook zu arbeiten. Eine Unit aus Lighthouse 3 konnte ich schon erproben. Es ist für mich ein gutes Arbeitswerkzeug, um meinen Schülern eine digitale Lernumgebung zu schaffen. Gleichzeitig bietet es Möglichkeiten, emotionale Kompetenzen zu vermitteln. Denn trotz aller Digitalisierung dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Kinder auch sozial gefestigt und stark gemacht werden müssen.

Florian: Es wäre für mich tatsächlich schwierig, nur einen Wunsch zu benennen. Da ich durch den Digitalpakt auf Verbesserungen der Infrastruktur hoffe, hätte ich in absteigender Reihenfolge diese drei Wünsche: 1. Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien, auch um mögliche Hemmschwellen abzubauen. 2. Höhere Verfügbarkeit einfacher, guter und in Verbindung zum Lehrwerk einsetzbarer digitaler Materialien. 3. Eine stärkere Betrachtung des Potenzials digitaler Medien in der Schule abseits der Diskussion um kritischen Medienkonsum. Diesen will ich damit nicht bestreiten, dennoch sehe ich die aktive Mediennutzung als wichtigen Ansatzpunkt zur Förderung der Medienkompetenz und zur Medienerziehung

 

TEXT: Florian Look, Anke Barth; FOTOS: Anne Schubert