Referendariat / 22.01.2020

Meine 3 Top und Flop Momente im Referendariat

Teil 10: Tipps für Referendare 

Im Referendariat durchlebt man sie alle – die Höhen, die Tiefen und alles was dazwischen noch kommt. Manchmal ist es eine wahre Gratwanderung, ob man über Situationen weinen oder lachen möchte. Hier stelle ich je drei Tops und Flops meiner bisherigen Zeit vor, viel Spaß! 

Illustration Mein Start ins Referendariat
Bild: Cornelsen/Claudia Medrow

Die Tops 

Top #1: Eis essen – kommt alle mit! 

Kurz vor den Sommerferien: Die Hitze steigt, die Motivation sinkt. Wochen und Tage werden von Schülern und Lehrern gezählt. Da es auch meine letzte Stunde vor den Sommerferien ist, wird meine Frage „Wollen wir heute alle zusammen ein Eis essen gehen?“ mit einem lautstarken „Ja!“ erwidert. Egal ob 7. oder 11. Klasse – die Aussicht auf etwas Süßes oder ein Eis bereitet sowohl Klein als auch Groß pure Freude. Motiviert machen wir uns auf den Weg zur nächsten Eisdiele. Am Ende der Treppe treffen wir auf einen ehemaligen Schüler von mir, der gerade das Abitur gemacht hat. Kurzerhand wird auch er eingeladen, und wir laufen weiter. Etwas weiter die Straße entlang, treffen wir zufällig zwei weitere ehemalige Schülerinnen, die mit einigen Schülern des Kurses befreundet sind – und schon sind wir drei mehr! Während wir uns der Eisdiele nähern, halte ich klammheimlich Ausschau nach noch mehr Bekannten und Freunden und überlege, welche Tarnmöglichkeiten die Gegend um uns herum bietet – nicht, dass ich es nicht schön finde, dass die Gruppe wächst, doch beim Referendarsgehalt wird das mit der Einladung sonst doch kostspieliger als gedacht!

Doch zum Glück bleiben wir eine gemütliche Runde aus 20 Schülerinnen und Schüler. Bei leckerem Eis und mit viel Lachen reden die Kinder und ich über die schönen und weniger schönen Momente des Schuljahres, vor allem aber auch über Persönlicheres, wie Pläne nach der Schule, Sorgen und Wünsche. Natürlich darf man nicht zu persönlich werden und  man sollte stets eine gewisse Distanz wahren, doch wenn man in der Mauer der Professionalität ab und an ein paar Lücken zulässt, hat man selbst und die Kinder nicht nur eine Menge Spaß, sondern man lernt sich gegenseitig lockerer und dadurch ganzheitlicher kennen. Dieser Ausflug zur Eisdiele in seiner Lockerheit und sommerlichen Vorfreude gehört daher zu den schönen Sommererinnerungen und den Top-Momenten des Referendariats. 

Top #2: Lehreryoga

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte Sie gerne nochmal daran erinnern, dass Montag nach der 8. Stunde der Lehrer-Yogakurs in der kleinen Sporthalle stattfindet! Sie sind alle herzlich eingeladen, nach einem langen Schultag, die Sorgen des Alltags loszuwerden und in netter Runde den Geist zu Ruhe kommen zu lassen“, tönt die hochmotivierte und fröhliche Frau Fuchs mit ihrer etwas nasalen Stimme am Ende der Dienstberatung durch das Klassenzimmer. Die ersten Kollegen hören gar nicht mehr zu und sind schon mit einem Bein aus der Tür hinaus, einige unterhalten sich noch miteinander. Und ich beschließe innerlich, am nächsten Montag mir diese Lehreryoga-AG näher anzuschauen, denn ich bin ja Yoga-Fan, praktiziere jetzt im Referendariat aber weniger als eigentlich wirklich gut wäre. Bisher hatte der Kurs auch mit meinem Stundenplan überhaupt nicht zusammengepasst, nun aber bietet es sich wirklich gut an, ein Wink des Schicksals, ein wenig was für die Entspannung zu tun!

Also stehe ich am Montag nach der 8. Stunde auf der Yogamatte und fühle mich durch die Sportkluft allein schon super sportlich, es kann losgehen. Frau Fuchs, wie immer gut gelaunt und fröhlich, begrüßt unsere kleine Gruppe aus fünf Leuten zur gemeinsamen Entspannung. Für die Anfangsentspannung sollen wir uns alle auf die Matte legen und die Augen schließen. Als ich plötzlich irgendwann Frau Fuchs nasale Stimme mit der Ansage „Jetzt kommt langsam in die Sitzposition“ höre, wehrt sich gefühlt mein ganzer Körper gegen dieses grausame rausreißen aus der Entspannung. Wir legen los mit Sonnengrüßen, muskel- und bauchkräftigenden Übungen, kugeln fröhlich über unsere Matten und kommen schließlich über Dehnungsübungen bei der Endentspannung an.

Der heftige Muskelkater am nächsten Tag lässt mich schwören, mehr für meine Fitness zu tun, da ich nach Frau Fuchs „Entspannungsyoga“ Muskeln spüre, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Daher gehe ich nun so gut wie jede Woche zur Lehreryoga-AG und die dadurch nach und nach schwindenden Verspannungen in meinem Nacken sprechen für diese entspannende aber auch schweißtreibende Lehrer-Yoga-AG als wöchentliches Top-Erlebnis im Referendariat! 

Top #3: Gutes Feedback trotz mittelmäßiger Stunde 

Von sehr guten und auch weniger tollen Unterrichtsbesuchen hatte ich ja schon ein bisschen erzählt, doch es gibt sie natürlich auch – die mittelmäßigen Unterrichtsbesuche. Es läuft an sich alles gut und es gibt keine groben Fehler, aber es sind halt auch keine Glanzmomente.

Nach meinem dritten Unterrichtsbesuch in Geschichte sitze ich also im Lehrerzimmer und kaue nochmal ein wenig das Reflexionsgespräch mit meiner Seminarleiterin durch. Alles lief gut, es sind aber ein paar Kleinigkeiten in Planung und Ablauf, die verbessert werden können. Was mich natürlich an der Sache ein wenig ärgert, ist, dass Frau Hase, die Schulleiterin, ausgerechnet heute dabei war, wo es eben nicht der gewünschte Glanzmoment war, der mich als künftigen Superlehrer auszeichnet. Ich weiß immer nicht, ob Frau Hases Pokerface bei den Unterrichtsbesuchen ihrer langjährigen Erfahrung oder eher der Müdigkeit geschuldet ist, aber egal, wie gut oder weniger gut die Vorzeigestunde läuft, aus Frau Hases Ausdruck lässt sich nicht viel ablesen.

Während ich mir während der Pause also schon mal die Sachen für die nächste Unterrichtsstunde bereit lege, rauscht Frau Hase ins Lehrerzimmer und läuft erst mal schnurstracks an mir vorbei, zu einer Kollegin weiter hinten im Raum. Kein Blick, kein Lächeln, nichts – kein gutes Zeichen, denke ich mir innerlich. Schon male ich mir aus, wie die gute Bewertung durch die Schulleitung flöten geht, und bin gerade dabei seufzend meinen Rucksack zu schultern (der mir in dem Augenblick noch schwerer vorkommt als sonst) als plötzlich Frau Hase vor mir steht und fröhlich fragt: „Na, das war doch eine ganz schöne Stunde, oder?“ Ich brauche einen Moment, um zu kapieren, dass sie den gerade gesehenen Unterrichtsbesuch meint und inwiefern sich ihre Aussage mit den eher für Mittelmaß stehenden Kritikpunkten meiner Fachseminarleiterin vereinbaren lässt. Ich stammele also etwas von „War okay, gab ein paar Punkte, die verbessert werden können.“ Frau Hase schaut mich hinter ihren dickeren Brillengläsern an und lächelt, dass es ihrer Meinung nach doch eine gute und durch die schwierigeren Historikertexte eine die Schüler fordernde und anspruchsvolle Unterrichtsstunde war. Auch dies gehört daher zu meinen Top-Momenten, da mir hier durch das Gespräch mit Frau Hase klar geworden ist, dass für einige Schulleiter auch andere Dinge im Vordergrund stehen können, als theoretische Unterrichtsperfektion.

Die Flops 

Flop #1: Schüler dürfen nicht ins Lehrerzimmer!

Im ersten Teil der Kolumne hatte ich bereits die überraschten Blicke und Fragen zum meinem Alter erwähnt, da ich auf viele Schüler recht jung wirke – aber auch auf Kollegen! Ungefähr in meiner zweiten oder dritten Woche am Gymnasium laufe ich in der Frühstückspause selbstbewusst zur Tür des Lehrerzimmers und krame gerade nach meinem Schlüssel, als sich die Tür öffnet und jemand das Lehrerzimmer verlässt. Direkt am Eingang unterhalten sich zwei (damals noch unbekannte) Kollegen Herr Sachs und Herr Meier und um an Ihnen zum Referendarstisch durchzukommen, murmele ich „Entschuldigung bitte“ und will schnell zwischen den beiden hindurchschlüpfen, doch ich komme nicht dazu, denn Herr Sachs versperrt mir den Weg und blafft: „Wo willst du denn hin? Schüler haben hier im Lehrerzimmer nichts verloren!“ Ungläubig starre ich ihn an und werde super rot, obwohl man die Situation ganz normal und logisch (und cooler) erklären könnte, ist das einzige, was mir in dem Moment einfällt, meinen Schlüssel hochzuhalten und zu piepsen: „Ich bin seit zwei Wochen Referendarin an der Schule, ich darf hier rein.“ Herr Sachs wird noch röter als ich und entschuldigt sich hastig, dass er mich im Vorbeigehen für eine Schülerin gehalten habe. Es war mir natürlich unglaublich peinlich vor den Kollegen, die die Szene miterlebt haben, Herrn Sachs aber genauso und natürlich war ich ihm da nicht böse – nicht lange jedenfalls. Es ist zwei oder drei Kollegen anschließend auch nochmal passiert, mich für eine Schülerin zu halten, doch von da an machte immerhin Herr Sachs nicht nochmal denselben Fehler! 

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Flop #2: Den Vertretungsplan nicht rechtzeitig gesehen

Es ist ein ganz normaler Donnerstagvormittag. Ich bin gut gelaunt, da ich ausgeschlafen habe und nicht im Morgengrauen zur Schule tigern muss. Da mein Tag donnerstags erst zur fünften Stunde beginnt, fahre ich gemütlich von zuhause los. Ich male mir aus, dass ich sogar noch etwas Zeit übrig habe ein paar Unterlagen zu kopieren, gemütlich ein Käffchen zu trinken und vielleicht ein paar nette Worte mit Kollegen zu quatschen, die gerade im Lehrerzimmer herumlungern. Ich parke gerade das Auto ein und freue mich, ausnahmsweise mal direkt einen Parkplatz vor der Schule erwischt zu haben, als ich höre wie mein Telefon klingelt. Meine Laune bleibt ungetrübt, auch als ich auf meinem Handydisplay in riesigen Buchstaben SEKRETARIAT aufleuchten sehe und fröhlich „Stark hier“ ins Handy zwitschere. 

„Guten Tag Frau Stark, wo sind Sie denn?“, fragt mich Frau Lampe, die Sekretärin.

Nun vergeht die gute Laune doch etwas und ich kriege Herzklopfen: „Ich habe gerade vor der Schule geparkt, ist etwas passiert?“ „Na, Sie sollten seit 15 Minuten in der 9e sein, haben Sie das nicht gesehen?“ Ohne weiteres Diskutieren, sage ich ihr, dass ich in zwei Minuten im Raum bin und hetzte die Stufen zum Klassenraum hoch. Außer Atem schwöre ich mir im Klassenzimmer angekommen, etwas mehr für meine Kondition tun zu müssen, da sich mein Herz anfühlt, als wolle es mir aus der Brust springen. Die Schüler begrüßen mich unbekümmert und wir wiederholen gemeinsam ein paar Vokabeln für den anstehenden Englischtest der Klasse und ich komme auch langsam aber sicher wieder zu Atem.

In der Mittagspause kommt dann der stellvertretende Schulleiter Herr Arnold auf mich zu: und ich entschuldige mich für die Verspätung, ich habe es schlicht und einfach nicht gesehen. Freundlich wie immer beruhigt Herr Arnold mich: „Entschuldigen Sie bitte, das ist heute Morgen einfach ungünstig gelaufen, ich hatte sie auch erst nach der 3. Stunde eingetragen, und mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass Sie ja erst zur 5. kommen!“

Das man eine Vertretung mal verpennt passiert wahrscheinlich den meisten Lehrern mindestens einmal im Leben, die Schulkoordinatoren und man selbst ist und bleibt ein Mensch, der Dinge in der Hektik vergisst oder übersieht. Als Referendar ist es einem doppelt dennoch unangenehm, da man sich eben noch in der Ausbildungszeit befindet und keinen schlechten Eindruck bei der Schulleitung hinterlassen möchte. Doch seitdem studiere ich den Vertretungsplan akribisch mehrmals am Tag! 

Flop #3: Gutes Elterngespräch – falsches Kind 

Zum Schluss einer der peinlichsten, aber für mich auch lustigsten Flop-Momente: Mein erster Elternsprechtag – eine aufregende Angelegenheit. Da einige Räume renoviert werden, müssen die Referendare der Schule auf die Schnelle ins Lehrerzimmer umsiedeln. Es ist zwar nicht wirklich ruhig, aber gut, anders geht es nun mal nicht und man macht das Beste daraus. Mit ein paar Keksen und einer Thermoskanne Kaffee bewaffnet lege ich mir meine Unterlagen auf dem Tisch bereit und schiebe nervös Keksdose und Kaffee hin und her. Kurz überlege ich, mir selber einen zu genehmigen, doch zum Glück siegt die Vernunft und ich lasse es bleiben – ich bin schon hibbelig genug.

Insgesamt haben sich sieben Eltern meiner 8. Klasse angemeldet, die gerne wissen möchten, wie sich ihre Sprösslinge denn so in meinem Englischunterricht machen. Da es sich dabei größtenteils um gute Schülerinnen und Schüler handelt, sollte es wegen der Noten keine zu großen Überraschungen geben. Direkt um 17 Uhr beginnt der erste Termin und die Mama von Anna steht auf der Matte. Das Gespräch läuft recht schnell und freundlich ab, anschließend kommen noch Ricos Eltern und auch der Papa von Amira sucht Tipps, wie Töchterchen denn noch besser werden kann.

Froh, diese ersten Gespräche nett und lockerer als gedacht geschafft zu haben, gehe ich zur Tür des Lehrerzimmer und frage in die Runde wartender Eltern, ob schon die Eltern von Louisa aus der 8. da seien. Der letzte Teil geht im Stühlescharren und Gemurmel der Eltern etwas unter, doch von der rechten Seite kommt ein enthusiastisches: „Ja, wir sind schon da!“ Etwas verwirrt, da ich bei Louisa optisch eine asiatische Herkunft vermutet hatte, die Eltern aber beide sehr nicht-asiatisch aussehen, bitte ich die Eltern von Louisa hinein – es gibt ja ungewöhnliche Familienkonstellationen, denke ich mir innerlich, ich kann ja nun aufgrund des Aussehens keine voreiligen Schlüsse ziehen. Wir setzen uns und es fallen erneut ein paar lustige Sprüche à la „Sie sind noch nicht abgeschreckt? – Ha ha ha“ und dann kommen wir auch zur Sache – nämlich Louisa.

Das Gespräch läuft wie die bisherigen angenehm und ruhig, bis gegen Ende des Gesprächs die Frage aufkommt: „Können Sie einschätzen, ob Louisa durch den bilingualen Unterricht besser im Englischunterricht geworden ist, vielleicht auch immer Vergleich zu Kindern, die nicht am bilingualen Unterricht teilnehmen?“ Ich schaue die Mama von Louisa an und antworte zögernd, dass Louisa und auch der Rest der Klasse ja gerade mal ein halbes Jahr bilingualen Unterricht erhalten, es fiele mir schwer dazu eine Aussage zu treffen, doch bilingualer Unterricht hätte durchaus positiven Einfluss auf die Sprachkompetenzen. Nun spiegelt sich meine Verunsicherung in den Gesichtern der Eltern und der Papa sagt: „Aber Louisa hat doch seit der 8. Klasse, also schon zwei Jahre bilingualen Unterricht?“ Nun fällt es  mir wie Schuppen von den Augen, meine anfänglichen Zweifel bestätigen sich und obwohl ich die Antwort schon weiß, frage ich: „Wir sprechen doch von Louisa aus der 8., oder?“ Nun schauen die Eltern mich wie zwei Uhus an und nach einem kurzen Moment Stille, fangen wir alle an zu lachen, dass wir es geschafft haben, 15 Minuten nicht zu merken, dass wir über das falsche Kind sprechen! 

Die Cornelsen Referendariatskolumne

Marie Stark ist Mitte 20 und unterrichtet als Referendarin an einem Berliner Gymnasium die Fächer Englisch und Geschichte. Im Cornelsen Magazin berichtet sie regelmäßig über die bisher spannendste Phase ihres Lebens – das Referendariat. 
Alle in der Kolumne verwendeten Namen sind Pseudonyme zum Schutz der Personen. Ansonsten ist aber alles echt – Realität Schule. 

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