Lernen mit Schulbuch und App
Wie Künstliche Intelligenz Sprachenlernen unterstützt
Entscheidend für erfolgreiches Sprachenlernen ist das Sprechen. Aber in großen Klassen und mit nur wenigen Stunden Fremdsprachenunterricht pro Woche kommen die einzelnen Schüler/-innen im Klassenraum nur selten dazu. Außerdem haben sie oft Hemmungen, sich in der fremden Sprache auszudrücken – auch weil sie so wenig Übung haben. Gibt es also eine andere Lösung zum erfolgreichen Sprachenlernen in der Schule? Ja. Mit einer sinnvollen Kombination von digitalen und analogen Lehrmitteln.
Seit zwei Jahren bietet der Cornelsen Verlag genau diese Kombination für den Englischunterricht an. Mit der App ChatClass passend zu allen Englischlehrwerken von der fünften bis zur zehnten Klassenstufe. Ein wichtiges Thema bei der Entwicklung und Optimierung der App ist Einsatz Künstlicher Intelligenz, kurz KI. Dabei geht es sowohl um die Möglichkeiten als auch um die Grenzen Künstlicher Intelligenz.
Künstliche Intelligenz als Motivationshilfe
ChatClass bietet zunächst bekannte Formate wie Vokabeltraining, Multiple Choice, Hör- oder Quizaufgaben. Die erste Besonderheit der App: Ihre Oberfläche ist bei der Zielgruppe bestens bekannt. Sie sieht nämlich aus wie eine Messenger-App. Die zweite Besonderheit: Die Schüler/-innen werden zum freien Sprechen motiviert — und zwar in einem geschützten Umfeld, etwa zu Hause — und erhalten direktes Feedback. Sie können in ihren eigenen Worten auf bestimmte Fragen antworten. Die App gibt ihnen dafür lediglich einen Satzanfang, eine Reihe von Vokabeln, die im gesprochenen Text vorkommen sollten, und eine Mindestzahl an Wörtern vor. Dann können die Schüler/-innen ihre Antwort aufzeichnen. Vor dem Absenden können sie die Aufzeichnung beliebig oft korrigieren. Das Feedback der App kommt umgehend. Doch kann KI tatsächlich ein intelligentes Feedback zu einer offenen Sprechaufgabe liefern?
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Bislang ist noch zusätzliche Unterstützung durch menschliche Intelligenz notwendig. Dennoch ist das automatische direkte Feedback ein wichtiges Instrument für die Lernenden, auch wenn clevere Schüler/-innen schnell erkennen, dass sie die App überlisten können: Reihen sie nach dem gewünschten Satzanfang einfach Wörter sinnfrei aneinander, wird das Feedback trotzdem positiv sein, schließlich sind Parameter wie Satzanfang und Anzahl der Wörter erfüllt. „Wir haben von vornherein auf einen Dreiklang gesetzt“, erklärt Produktmanagerin Sandra Hestermann. „Es gibt erstens das automatische Feedback, was zunächst einmal dafür sorgt, dass Schülerinnen und Schüler überhaupt motiviert sind, zu sprechen und außerhalb des Unterrichts in einem sicheren Raum Sprechen monologisch zu üben. Zweitens gibt es ein Peer-Feedback der Mitschüler/-innen – wenn es die Lehrkraft erlaubt. Und drittens kann sich die Lehrkraft jederzeit die Sprachaufnahme anhören und ein individuelles Feedback geben. Und so werden auch die Schummler auffliegen.“
Die Lehrkräfte in ihrer professionellen Arbeit unterstützen
Doch das Programm soll nicht auf diesem Level stehenbleiben. Sandra Hestermann gibt einen Ausblick: „Wir wollen von den Lehrkräften wissen, in welchem Bereich sie sich ein besseres Feedback wünschen. Eher bei Syntax, Grammatik oder Inhalt? Alles auf einmal geht nicht. Falls die Entscheidung auf Syntax fällt, dann wird die Künstliche Intelligenz entsprechend trainiert.“
Außerdem soll Ada, der aktuelle Kommunikations-Chat-bot der App, lernen, bessere Kommentare abzugeben. Da-mit wird den Lehrkräften eine bessere Voranalyse geliefert, auf die sie dann ihr individuelles Feedback aufsetzen können. „Individuelles Feedback ist das Kerngeschäft der Lehrkraft“, betont Sandra Hestermann. „Deswegen wollen wir immer wieder erörtern, was kann die Maschine an dieser Stelle leisten, was nicht? Damit wir etwas entwickeln, das die Lehrkräfte in ihrer professionellen Arbeit unterstützt.“
Aussprachetraining
Bereits zum kommenden Schuljahr gibt es eine weitere KI-gestützte Neuheit in der App. Dann können die Schüler/-innen einen vorgegebenen Text aufzeichnen. Die KI analysiert ihre Aussprache und gibt ein zuverlässiges Feedback — schließlich ist sie auf diesen Text trainiert. Ein Tool, das zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Weil die Schüler/-innen die Wörter und Sätze oft wiederholen, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erlangen, festigen sie sowohl ihren Wortschatz als auch die korrekte Aussprache. Gerade das Aussprachetraining kommt im Unterricht oft zu kurz. Dieses Tool wird zum Schuljahresbeginn für die Klassen 5 bis 7 bereitstehen und zum Jahreswechsel dann auch für die Klassen 8 bis 10.
Schulbuchautor/-innen schreiben für beide Medien
Ebenso wie die App werden auch die Schulbücher weiterentwickelt. Das heißt, Schulbuchautorinnen berücksichtigen von Anfang an, wie sie aus jedem Medium das beste Potenzial schöpfen. Sandra Hestermann nennt ein Beispiel: „Das Thema Pronunciation Practise etwa berücksichtigen wir hervorragend in ChatClass. Es muss also kein kostbarer Platz auf Papier für entsprechende Übungen geopfert werden. Sprechkompetenz hingegen fördern wir intensiv im Schulbuch mit Situationen und Aufgaben, bei denen die Schüler/-innen im Klassenzimmer dialogisch agieren müssen. Das kann kein Avatar leisten und nichts ersetzt Präsenzunterricht, in dem Schüler/-innen in der Fremdsprache interagieren. Wir können aber gute Absprungstellen schaffen, in denen dialogisches Sprechen dann außer-halb des Klassenzimmers über monologische Sprechaufgaben trainiert wird.“
Noch ist der Einsatz von ChatClass im Englischunterricht nicht die Regel. Die Autor/-innen müssen also darauf achten, dass sich die Aufgaben einerseits allein mit dem Buch umsetzen lassen und dass sie andererseits mit der App sinnfällig verknüpft sind. Aber wenn Fortbildungsangebote und gute Beispiele die Lehrkräfte ermutigen, analoge und digitale Lehrmittel zu kombinieren, werden Buch und App möglicherweise schon bald ganz selbstverständlich in Kombination eingesetzt. Schließlich geht es um besseres Lernen.