Klassenregeln gemeinsam erarbeiten
So geben Sie Ihren Schüler/-innen durch klare Strukturen Halt
Überall gibt es Regeln. Der gesamte Alltag ist voll von ihnen, auch in der Schule. Viele unserer täglichen Regeln sind überflüssig, manche unverständlich, einige kontraproduktiv. Doch es gibt Regeln, die wirklich sinnvoll sind, weil sie einen sicheren, verlässlichen Rahmen schaffen. Klassenregeln gehören – sofern sie gut erarbeitet wurden – unbedingt dazu.
Gemeinsam geht’s besser
Wichtig ist, Klassenregeln maßvoll zu gestalten, sie mit freundlicher Entschlossenheit durchzusetzen, und die Schülerinnen und Schüler in den gesamten Prozess einzubeziehen. Denn nur, wenn Kinder und Jugendliche Regeln nicht als Verbote auffassen, sondern verstehen, wofür sie gut sind, können sie Regelungen annehmen und im Schulalltag von ihnen profitieren.
"Gute" Regeln entstehen auf der Basis einer gemeinsamen Beschäftigung mit einem Thema. Weil ihnen ein breiter Konsens zugrunde liegt, sind sie effektiver und erleichtern das sozialverträgliche Miteinander in der Klasse. Sie geben Orientierung. "Gute" Regeln gelten für alle, auch für Lehrkräfte. Sie engen nicht ein, sondern sorgen für Struktur. Sie beruhen auf einem demokratischen Prozess, beinhalten Rechte und Pflichten.
Miteinander ins Gespräch kommen
Was gilt es also bei der Aufstellung von Klassenregeln zu beachten? Stellen Sie zum Einstieg sich selbst und Ihren Schüler/-innen die Frage: "Wie sollten wir uns verhalten, damit sich alle wohlfühlen und gut lernen können?" Eine Möglichkeit ist ein Brainstorming: Sammeln Sie gemeinsam alle Antworten, die Ihnen zu der Fragestellung in den Sinn kommen, und filtern Sie später die wichtigsten heraus.
Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch kommen und dabei auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen. Ein aktuelles Ereignis, etwa eine nachhaltige Unterrichtsstörung oder ein Konflikt in der Klasse, bietet sich als Ausgangspunkt für ein solches Brainstorming an, aber Sie können auch einfach den Beginn des Schuljahres oder eine neue Klassenzusammenstellung zum Anlass nehmen. So schaffen Sie eine verbindliche und verlässliche Grundlage für die bevorstehende gemeinsame Zeit. Häufig lässt sich in einer entspannten Situation, in der keine akute Schwierigkeit besteht, besser und kreativer über ein mitunter emotional beladendes Thema wie "Regeln" reden.
Die "heimlichen" Regeln
Eine schöne Übung für Schüler/-innen der Sekundarstufe I ist, sich Gedanken über die Regeln zu machen, die in der Klasse unterschwellig gelten, obwohl sie nie direkt angesprochen wurden. Folgende Situation kann als Einstieg dienen:
"Stell dir vor, jemand kommt neu in eure Klasse. Du magst diese Person gern und möchtest ihr alle wichtigen Informationen zukommen lassen, die man braucht, um in eurer Klasse kein Außenseiter zu werden. Es geht hier nicht um die offizielle Schulordnung oder das, was die Lehrer verlangen, sondern um 'heimliche' Regeln."
1. Durchgang: Schreib deine Meinung zu den folgenden Punkten auf:
- Bei den meisten in der Klasse kommt es gut an, wenn …
- Die meisten würden es gar nicht gut finden, wenn …
2. Durchgang: Setzt euch in kleinen Gruppen zusammen und tauscht eure Ergebnisse aus. Findet gemeinsam Punkte, die möglichst von allen so eingeschätzt werden.
3. Durchgang: Tragt eure Gruppenergebnisse in der Klasse zusammen. Stellt dann gemeinsam eine Liste auf, die ihr einem neuen Schüler oder einer neuen Schülerin als Empfehlung in die Hand drücken könnt.
Klassenregeln richtig formulieren
Bereiche, für die Sie Regeln aufstellen können, sind beispielsweise der Umgang miteinander, das Arbeiten in Gruppen, der Unterrichtsablauf oder das Verhalten in den Pausen. Das Spektrum reicht vom Ausredenlassen über eine Unterstützungskultur bis hin zu festgelegten Bewegungspausen. Bei der Formulierung der Regeln sollten Sie folgende Grundsätze beachten:
- Eine Regel sollte kurz gehalten sein.
- Eine Regel sollte verständlich formuliert sein.
- Eine Regel sollte positiv formuliert sein – nicht als Verbot, sondern als Gebot.
- Es sollten nicht zu viele Regeln aufgestellt werden, damit man sie alle im Blick behalten kann.
- Eine Regel sollte für den Einzelnen verbindlich formuliert sein, also zum Beispiel nicht: "Wir wollen das Eigentum anderer nicht beschädigen", sondern besser: "Ich achte auf das Eigentum anderer".
Ein wichtiges Element bei der Erstellung von Klassenregeln stellt auch die Definition von entsprechenden Konsequenzen im Falle eines Verstoßes dar. So wissen die Schüler genau, womit sie zu rechnen haben, und können sich daran orientieren.
Die Regel der Woche
Beim Einüben der Klassenregeln müssen die Schüler manchmal automatisiertes Verhalten ablegen. Gar nicht so einfach. Richten Sie deshalb anfangs für einen bestimmten Zeitraum, zum Beispiel eine Woche, das Augenmerk nur auf eine einzige Regel. Das heißt nicht, dass die anderen Regeln in dieser Zeit ungültig sind, aber der Fokus der Klasse ist eindeutig.
Legen Sie zunächst fest, was die Regel der Woche sein soll. Überlegen Sie, womit sich die Schüler belohnen wollen, wenn es beispielsweise am Ende der Woche 80 Prozent von ihnen gelungen ist, die Regel einzuhalten. (Wurde die Regel nicht eingehalten, kann es notwendig sein, sie noch etwas länger im Fokus zu behalten.)
Nun bekommt jeder Schüler vier Zettel, die mit je einer der folgenden Fragen beschriftet sind:
- Was kann ich zur Einhaltung der Regel beitragen?
- Was (ganz konkret) muss ich unterlassen?
- Was sollen die anderen tun?
- Was sollen die Lehrkräfte tun?
Auf jedem Zettel machen die Schüler nun mindestens eine Angabe. Die Antworten zu den Fragen 1. und 2. werden nacheinander vorgetragen. Jeder Schüler behält den eigenen Zettel als Erinnerungshilfe mit dem Ziel, das Bewusstsein für die Eigenverantwortung zu fördern. Die Zettel zu den Fragen 3. und 4. kleben Sie gemeinsam auf Plakate und werten sie dann im Klassenplenum aus. Achten Sie dabei auf eindeutige Formulierungen, damit die Vorschläge auch umsetzbar sind. Wenn Sie die Plakate anschließend im Klassenzimmer aufhängen, haben die Schüler sie stets vor Augen und können daran ihr Verhalten messen.
Klassenregeln visualisieren
Die Visualisierung gemeinsam erarbeiteter Regeln spielt eine wichtige Rolle. Sie schafft Verbindlichkeit und erleichtert den respektvollen Umgang miteinander. Durch einen dezenten Hinweis auf das "Regel-Plakat" erübrigt sich so manche zeitraubende Diskussion und Sie beugen Konflikten effektiv vor.
Sie können die Übung auch weiterdenken und neben Regeln auch weitere wichtige Inhalte visualisieren, die es wert sind, sich in schwierigen Situationen immer wieder in Erinnerung zu rufen – zum Beispiel Ressourcen, Stärken, Handlungsempfehlungen, Mutmacher oder Ähnliches. Auch zur Erarbeitung dieser Inhalte eignet sich das Brainstorming-Modell.
Mit älteren Schülern lohnen sich auch alternative Darstellungsformen. Sie haben vielleicht wenig Lust, eine Collage aus Pappe zu basteln, dafür aber viel Freude daran, eine Online-Präsentation, ein Wiki oder Blog zu erstellen. Oder sich ein Regel-Quiz auf Englisch auszudenken!
Regeln freundlich durchsetzen
Regeln aufzustellen ist vergleichsweise leicht, sie auch wirklich einzuhalten, eine ganz andere Herausforderung. Jeder kennt das aus eigener Erfahrung: So sinnvoll und einfach es einem auch erscheint, jeden Morgen zehn Minuten Sport zu machen – der Schritt von der Theorie in die regelmäßige Praxis ist ein riesengroßer.
Sie erleichtern der Klasse das Einhalten von Regeln, indem Sie es langsam angehen lassen (siehe Abschnitt "Die Regel der Woche"). Finden Sie je nach Alter der Schüler mehr oder weniger spielerische Strategien, die Regeln zu trainieren und somit zu verinnerlichen.
Etablieren Sie ein Klima der Wertschätzung, in dem auch kleinste Fortschritte gesehen und anerkannt werden. Machen Sie Komplimente, sparen Sie nicht mit Lob. Gleichzeitig müssen Ihre Schüler aber auch spüren, dass Sie es ernst meinen mit den Klassenregeln. Das bedeutet, dass Sie manche Kinder – auch wenn es lästig ist – immer wieder freundlich erinnern müssen. Bleiben Sie konsequent und verlässlich.
Auch Regeln dürfen sich verändern
Wenn Sie Klassenregeln gemeinsam mit Ihren Schülern erstellen, kann es sein, dass Sie am Ende ein Ergebnis bekommen, mit dem Sie in dieser Form nicht gerechnet haben. Das liegt daran, dass sich in jeder Regel ein Bedürfnis äußert – und die Bedürfnisse innerhalb einer Klasse sind sehr individuell. Freuen Sie sich über die Vielfalt, die sich im Gesprächs- und Findungsprozess sowie in den schließlich miteinander definierten Regeln äußert. Sie spiegelt den Charakter Ihrer Klasse wider.
Berücksichtigen Sie aber auch, dass sich jeder Mensch und jede Gruppendynamik verändert und weiterentwickelt. Es werden im Laufe der Zeit neue Bedürfnisse hinzukommen, während alte, die einst als Regel festgehalten wurden, an Wichtigkeit verlieren. Halten Sie Ihre Klassenregeln deshalb immer auf dem aktuellen Stand. Bleiben Sie darüber im Gespräch und denken Sie immer wieder an altersgerechte "Trainingseinheiten".
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