Textinterpretation leicht gemacht
Texte bearbeiten – deuten – bewerten
Bei Textinterpretationen schwankst du zwischen planlosem Achselzucken, frustriertem Stirnrunzeln und panischem Blackout? Dann kommt dieser Artikel genau richtig: Mit diesen vier goldenen Regeln meisterst du die nächste Interpretation ganz locker!
Textinterpretationen leicht gemacht: Mit diesen Tipps klappt’s gleich viel besser
Texte, die vor Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten geschrieben wurden, anspruchsvolle Inhalte und ganz viel Angedeutetes und Ungesagtes: Geht es im Deutschunterricht ans Interpretieren, gibt es jede Menge Fragezeichen – und zwar nicht nur auf dem Papier. Die beruhigende Nachricht lautet aber: Das ist ganz normal. Und mit den folgenden Tricks und Kniffen lieferst du trotzdem richtig ab!
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1. Bleib locker und hab die richtige Erwartungshaltung.
Gehst du mit dem Anspruch an den Text heran, dass du es sofort verstehen musst, sind Frust und Panikpuls vorprogrammiert ("Woher soll ich denn bitte wissen, was der Autor sagen will?", "Was, wenn ich zum falschen Schluss komme?", "Was, wenn ich erst mal nur Bahnhof verstehe?"). Mach dir bewusst: Die wenigsten Texte sind gleich auf Anhieb glasklar und kinderleicht verständlich. Es ist vollkommen normal, dass du sie dir schrittweise erschließen musst – und genau dadurch sammelst du das „Futter“ für eine richtig gute Interpretation.
Die Bestandteile, die dich wahrscheinlich so nervös machen – nämlich die Deutung und Bewertung des Texts – sind tatsächlich nur die letzten zwei Bausteine deiner Interpretation. Bis du dort angekommen bist, hast du dich Schritt für Schritt vorgearbeitet, „Fakten“ (und Punkte!) gesammelt und deine Schlussfolgerung schon auf sichere Beine gestellt.
2. Sammle erst mal, was dir auffällt, und mach dir einen Schlachtplan.
Statt dich unter Druck zu setzen, gehst du als neugieriger Beobachter an die Sache heran und konzentrierst dich erst mal nur auf deine Leseerfahrung und die Textuntersuchung. Neben den Kernaussagen (Was hältst du für die wichtigsten Aussagen des Autors?) geht es nämlich immer auch um die Wirkungsweise des Texts, um die Stilmittel und Besonderheiten, die der Autor verwendet, und um deine Empfindung als Leser. Das kommt dir zugute – denn statt dir sofort den Kopf darüber zu zerbrechen, was dir der Autor bloß sagen will, untersuchst und analysierst du erst mal ausführlich den Text und machst dir jede Menge Markierungen und Notizen.Du sammelst fleißig, was dir auffällt und einfällt. So läufst du dich ganz entspannt warm und siehst Schritt für Schritt klarer.
Statt einfach so drauflos zu schreiben, machst du dir außerdem immer einen klaren Schlachtplan und nutzt ausgiebig deine Schmierzettel. Du hältst wichtige Gedankengänge fest, stellst Hypothesen auf (die du ggf. noch mal korrigierst oder verfeinerst) und formulierst wichtige Sätze probeweise vor. Bevor du beispielsweise bei der Einleitung die Frage, worum es geht, einfach runterratterst, probierst du mehrere Formulierungen aus und entscheidest dich für die, die die Gesamtaussage des Texts am besten trifft. Auch sonst schreibst du nie einfach wild drauflos: Du bringst immer erst deine zentralen Erkenntnisse und Hypothesen aufs Schmierpapier und hakst sie dann beim finalen Schreiben zielsicher Stück für Stück ab. So sorgst du auch direkt dafür, dass du dich nicht verzettelst, und die wirklich wichtigen Dinge immer im Auge behältst.
3. Hangel dich ganz entspannt an den Pflichtbestandteilen entlang.
Orientier dich an den Formvorgaben und gängigen Bestandteilen. Meist sind eine Einleitung, eine Einordnung, eine Textbeschreibung (Analyse), die Deutung und die abschließende Bewertung von dir gefordert
- Deine Einleitung beantwortet kurz und knapp, worum es geht. Autor, Textsorte und Entstehungszeit sind hier genauso obligatorisch wie ein oder zwei Sätze (nicht mehr!) zum Thema bzw. dem Kern des Textes.
- Bei der sogenannten "Einordnung in den Verstehenshorizont" geht es dann vor allem um die Zugänglichkeit des Texts. Die Lebensumstände, die Lebenserfahrungen und auch die Sprache waren zu der Zeit, in der der Text geschrieben wurde, oft ganz anders als heute. Es gilt also, zu analysieren, was heute noch gültig, passend und wichtig ist, was "der damaligen Zeit" geschuldet ist, und inwiefern sich der Text in unsere Zeit "übersetzen lässt". Deine eigenen Erfahrungen können dir helfen, einen Zugang zum Text zu finden und die Inhalte einzuordnen.
- Bevor du fundierte Schlussfolgerungen ziehen kannst, musst du erst einmal analysieren, beobachten und beschreiben. Vor der Deutung steht darum immer noch die Textbeschreibung. Hier nennst und beschreibst du besondere Merkmale und (strukturelle) Elemente des Texts – aber ohne sie zu bewerten oder zu deuten.
- Erst jetzt kommt das, was die meisten meinen, wenn sie an Interpretationen denken: die Deutung. Du betrachtest die wichtig(st)en Aspekte des Texts und arbeitest die Sinnzusammenhänge heraus, um schließlich die Kernaussage des Texts deuten zu können. Dabei hast du zwei Möglichkeiten: Du kannst linear vorgehen, also der Textzeile für Textzeile, oder aspektorientiert. Wenn du für deine Deutung Zeile für Zeile den Text oder das Gedicht "abarbeitest", läufst du schnell Gefahr, den roten Faden zu verlieren, und vergisst oft auch, welche Aspekte besonders wichtig sind. Damit du aspektorientiert arbeiten kannst, verschaffst du dir zuerst einen Überblick, was du markiert bzw. herausgeschrieben und welche Hypothesen du aufgestellt hast. Du entscheidest, welche Aspekte du besonders wichtig findest und ausführlicher besprechen möchtest. Dann bündelst du alle Beobachtungen und Markierungen, die zum ersten Aspekt gehören, dann die zum zweiten Aspekt et cetera pp.
- Der letzte Teil deiner Interpretation ist die Bewertung. Sie basiert auf deinem persönlichen Urteil über den Text, den Ergebnissen deiner Untersuchung bzw. Analyse und – wenn möglich – auch auf weiterführendem Wissen. Die folgenden Fragen kannst du dir dafür beispielsweise stellen:
- Hat der Text einen besonderen Bezug zur Gegenwart? Sind die Aussagen des Autors heute noch interessant bzw. wichtig? Hat dich der Text zum Nachdenken gebracht? Wenn ja: Inwiefern?
- Wie klar und verständlich ist die Botschaft des Autors? Wie leicht ist sie zu entschlüsseln? Passen Form und Struktur des Texts zur inhaltlichen Aussage? Was ist besonders gut strukturiert und eingesetzt? Wo "hakt" es?
- Ist der Text typisch für seine Epoche? Ist er typisch für den Autor? Was ist anders als bei anderen Texten der Epoche? Ist die Sprache "gewöhnlich" oder für die Epoche/den Autor eher experimentell?
4. Stress dich nicht, wenn ein paar Fragezeichen bleiben.
Auch wenn du nicht auf alles eine abschließende Antwort findest oder dir bei deiner Deutung bzw. Bewertung unsicher bist, ist das kein Grund zur Panik. Offene oder weiterführende Fragen kannst du durchaus auch in deiner Schlussbewertung erwähnen. Wichtig bei Interpretationen ist vor allem, dass deine Gedankengänge, deine Logik und deine Systematik sichtbar werden und nachvollziehbar sind. Wenn die Struktur stimmt, das, was du schreibst, logisch aufeinander aufbaut, und du deine Hypothesen nachvollziehbar begründest und untermauerst, kann kaum noch etwas schief gehen. Das ist doch ziemlich beruhigend!