Vielfalt in der Elternschaft
Wie die Zusammenarbeit mit Eltern aus anderen Kulturkreisen gelingt
Laut Mikrozensus lag der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund im Jahr 2016 in Deutschland bei 32,5 Prozent. Das heißt auch, ebenso viele Eltern haben eine Zuwanderungsgeschichte. Was bedeutet dies für die Beziehung von Eltern und Schule, die ohnehin eine besondere ist?
Zugegeben: Die Zusammenarbeit mit Eltern ist nicht immer einfach – schließlich birgt sie jede Menge Konfliktpotenzial. Aber sie enthält auch mindestens ebenso viele Chancen. Elternabende, Elternsprechtage, Schulfeste und Projekte – es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten, bei denen Eltern und Lehrer sich gemeinsam für eine gute Erziehung und Bildung der Kinder einsetzen. Ziel sollte sein, dabei möglichst alle Eltern mit ins Boot zu holen.
1. Sprachbarrieren überwinden
Nicht alle Eltern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und die möglicherweise diese Art der Zusammenarbeit gar nicht kennen, kommen automatisch zum deutschsprachigen Elternabend. Als Lehrer könnten Sie es sich leicht machen und sagen: Die Eltern interessieren sich nicht für das, was wir hier machen. Sie können aber auch ihren Blick ändern und erkennen, dass Eltern Probleme haben, einer solchen Einladung zu folgen, weil sie in der neuen Sprache noch unsicher sind oder weil sie diese Form der Kooperation von Schule und Elternhaus aus ihren Kontexten gar nicht kennen.
Ein erster Schritt: Formulieren Sie die Elterninformationen auch in den Muttersprachen aller Schülerinnen und Schüler Ihrer Klasse. Vielleicht gibt es in dieser oder in anderen Klassen Eltern, die außerdem als Dolmetscher zum Elternabend eingeladen werden könnten? Denn Eltern, die wissen, dass sie sich – auch über einen Dolmetscher – verständlich machen und auch der Veranstaltung mit seiner Hilfe folgen können, werden viel eher Ihrer Einladung folgen. Oder Sie organisieren – vielleicht auch klassenübergreifend und gemeinsam mit anderen Kollegen – einen Elternabend für Eltern aus anderen Kulturkreisen und Sprachräumen. Dieser Abend sollte dem gemeinsamen Austausch dienen, sowohl was Ihre eigenen Vorstellungen und Konzepte als auch die der Eltern betrifft. Aus einem solchen Elternabend können sich gemeinsame Ziele formulieren lassen, bestenfalls entstehen sogar neue Ideen und Projekte.
2. Auf die Eltern zugehen
Eltern, die eingewandert sind, haben in ihrem Ursprungsland möglicherweise eine andere Art der Beziehung zwischen Lehrern und Eltern kennengelernt. Sie sind es vielleicht gewohnt, dass der Lehrer nach Hause kommt. Sie können diesen Eltern entgegenkommen, indem Sie einmal im Jahr eine Art Rundumhausbesuche anbieten. Wenn Eltern zustimmen, dann lernen Sie auch das Umfeld Ihrer Schülerinnen und Schüler kennen. Und Eltern, die das nicht möchten, werden nicht gezwungen, Ihr Angebot anzunehmen. Auch andere Formen unterstützen die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern. An vielen Schulen haben sich Elterncafés bewährt, in denen Eltern und Lehrer sich begegnen können.
3. Eltern als Partner sehen
Eltern bieten wertvolle Ressourcen. Und je mehr Eltern in das Schulgeschehen einbezogen werden können, umso besser. Das gilt nicht bloß für Schulveranstaltungen und die Mitarbeit in den verschiedenen Gremien. Eltern können den Unterricht enorm bereichern, indem sie etwa aus ihrem Berufsalltag berichten. Ausländische Eltern können außerdem zum Beispiel über ihr Herkunftsland, über die Gründe ihrer Auswanderung oder über ihre Erfahrungen in Deutschland berichten. Der Umstand, auch in seiner eigenen Kultur von der Lehrkraft respektiert zu werden und etwas zum Schulleben und zur Integration beizutragen, stärkt außerdem das elterliche Selbstbewusstsein und fördert die zukünftige Zusammenarbeit.
4. Wer übersetzt?
Kinder lernen meist schneller die fremde Sprache als ihre Eltern und werden deswegen gern als Dolmetscher eingesetzt – im Alltag etwa beim Einkaufen. Im schulischen Kontext ist dies aus pädagogischer Sicht eher fragwürdig. Als Hilfsdolmetscher können aber andere ausländische Eltern, die bereits gut deutsch sprechen, fungieren. Bedenken sollten Sie hierbei, dass sie bei heiklen Themen eher nicht geeignet sind, beziehungsweise zur Verschwiegenheit verpflichtet werden müssen. Eine andere Möglichkeit: Sie bitten das Schulamt, einen Dolmetscher zu vermitteln.
5. Kulturvermittler
Um möglichst viele Eltern mit ins Boot zu holen, können Sie Eltern aus anderen Kulturkreisen, die Interesse am schulischen Umfeld ihrer Kinder zeigen, als Kulturvermittler einsetzen. Diese Eltern machen Sie am besten in einem kurzen Lehrgang fit, damit sie notwendige Informationen rund um die Schule an andere Eltern aus ihrem Kulturkreis weitergeben können. Zum Beispiel während des Elternsprechtags oder während eines Schulfests stehen diese Eltern dann zur Verfügung, um in ihrer Muttersprache Antworten auf Fragen zum Schulgeschehen zu geben.
6. Verhalten bei möglichen Konflikten
Natürlich treten im Schulalltag immer wieder Konflikte auf. Bekannt sind in erster Linie die Probleme muslimischer Eltern mit dem für Schülerinnen und Schüler gemeinsamen Sport- und Schwimmunterricht, beziehungsweise mit der Teilnahme ihrer Kinder an Klassenfahrten. Solche Konflikte können rasch eskalieren, sie lassen sich aber auch frühzeitig mit möglichen Kompromissen beilegen. So können Schülerinnen vom Schwimmunterricht befreit werden, mit der Auflage, dass sie den Unterricht nachmittags in einem Schwimmverein nachholen, zu dem ausschließlich weibliche Personen Zutritt haben. Wichtig ist, dass sich auf beiden Seiten – bei den Eltern und bei Ihnen – ein Problembewusstsein für die Situation des jeweilig anderen entwickelt. Sie versuchen also, die Lage der Eltern zu verstehen und die Eltern müssen Ihre Rolle als professionelle Lehrkraft akzeptieren, die dem Schulgesetz und den Lehrplänen verpflichtet und für die Bildung und Erziehung der Schülerinnen und Schüler verantwortlich ist.
7. Kleine Schritte
Als Lehrkraft haben Sie – und zwar an alle Eltern – bestimmte Erwartungen. Naturgemäß werden die nicht immer erfüllt. Freuen Sie sich also auch über kleine Schritte. Und lassen Sie nicht locker! Wenn Eltern zum Beispiel trotz mehrfacher Aufforderung nicht zum Elternabend kommen, gibt es vielleicht eine andere Gelegenheit, mit ihnen in Kontakt zu treten, etwa auf dem Schulfest, oder auch, wenn sie ihre Kinder von einer Veranstaltung abholen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Akteure in der Schule ist nicht nur für das Zusammenleben in dieser Institution wichtig, sondern für das Zusammenleben in der Gemeinschaft überhaupt. Schließlich spielt die Schule eine ganz zentrale Rolle in der Entwicklung einer pluralen Gesellschaft.
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Elterngespräche professionell führen
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