Zwei Schüler unterhalten sich im Unterricht - Symbolhaft für Unterrichtsstörungen
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Unterrichtsstörungen

Der ganz normale Wahnsinn?

Unterrichtsstörungen können den Schulalltag stark belasten – und doch sind sie ein alltäglicher Begleiter im Unterricht. Mit einer Vielzahl an Materialien und Ratgebern bietet Ihnen Cornelsen die passende Unterstützung für den professionellen Umgang damit an.

Der störungsfreie Unterricht: eine Wunschvorstellung

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Kann Unterricht störungsfrei ablaufen? Der Pädagoge und Autor Gert Lohmann hält dies für eine didaktische Fiktion. Da Unterricht ein psychologischer Prozess mit vielen Beteiligten ist, gilt es als unmöglich, Unterrichtsstörungen gänzlich auszuschließen. Ungefragte Einrufe und das Kippeln mit dem Stuhl gehören also zum ganz normalen Wahnsinn dazu.

Auch wenn Störungen auf den ersten Blick nur negativ erscheinen, so bieten sie auch Chancen. Pädagogen betonen immer wieder, wie wichtig es ist, hinter die Symptome von Unterrichtsstörungen zu schauen. Nur so könne man störende Schüler/-innen verstehen und ihnen darüber hinaus pädagogisch begegnen und helfen.

Ratgeber zu Unterrichtsstörungen

Wissen kompakt: Unterrichtsstörungen

Gert Lohmann setzt sich detailliert mit Unterrichtsstörungen auseinander und sieht in ihnen einen unvermeidbaren Bestandteil des Unterrichts. Er definiert Unterrichtsstörungen als Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, unterbrechen oder unmöglich machen.

Das passiert nach Lohmann immer dann, wenn die Voraussetzungen, unter denen Lehren und Lernen stattfinden kann, teilweise oder ganz außer Kraft gesetzt sind.

Eine Unterrichtsstörung findet laut Lohmann also immer dann statt, wenn normaler Unterricht nicht mehr möglich ist. Dabei können Störungen sowohl durch Schülerinnen und Schüler als auch durch Lehrerinnen und Lehrer verursacht werden.

Unterrichtsstörungen: Lehrerin mit Kopf auf dem Pult
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Bei aktiven Unterrichtsstörungen tun Schülerinnen und Schüler Dinge, die im Unterrichtskontext als auffällig und störend empfunden werden. Die Aufmerksamkeit anderer Schüler wird erregt, sodass im Klassenzimmer Unruhe entsteht. Im Gegensatz dazu  beteiligen sich die Schülerinnen und Schüler bei passiven Unterrichtsstörungen zu wenig am Unterricht.

Generell lassen sich vier Arten der Unterrichtsstörung unterscheiden, die den Lehr-Lern-Prozess wesentlich beeinflussen können:

  • Akustische Unterrichtsstörung
    etwa Flüstern mit dem Nachbarn, Zurufe, Kommentare oder Provokationen
     
  • Motorische Unruhe
    etwa Herumlaufen, mit dem Stuhl kippeln oder Spielen mit dem Unterrichtsmaterial
     
  • Aggressives Verhalten
    etwa Wutausbrüche, Angriffe, Beleidigungen oder das Wegnehmen von fremden Gegenständen
     
  • Verweigerung der Mitarbeit
    etwa Desinteresse, Unaufmerksamkeit, Abwesenheit oder die Beschäftigung mit anderen Dingen

Auf den ersten Blick liegt die Ursache für Unterrichtsstörungen bei den Schülerinnen und Schülern.

Bei genauer Betrachtung sind jedoch viele Faktoren ausschlaggebend für das Unterrichtsverhalten eines Schülers oder einer Schülerin. So haben auch das familiäre Umfeld und die pädagogische Kompetenz der Lehrkraft einen wesentlichen Einfluss. 

Eine Unterrichtsstörung geht demnach nicht immer von den Schülern aus. Um den kausalen Zusammenhang zu erfassen, sollte der gesamte Prozess des Lernens und Lehrens miteinbezogen werden:

1. Familiäre und gesellschaftliche Ursachen

In der Schule treffen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichem sozialem und kulturellem Hintergrund aufeinander. Je nach gesellschaftlicher Gruppe sind sie anderen Einflussfaktoren ausgesetzt. Insbesondere das familiäre Umfeld spielt eine wichtige Rolle – sei es z. B. durch mangelnde Unterstützung im Lernprozess oder zu große Erwartungen an die schulischen Leistungen.

2. Lehrerzentrierte Ursachen

Ein didaktisch und methodisch gut aufbereiteter Unterricht ist Voraussetzung für einen störungsfreien Unterricht. Die persönliche Wertschätzung der Lehrkraft gegenüber Schülern spielt ebenfalls eine sehr wichtige Rolle für das Unterrichtsverhalten – sowohl im Positiven als auch im Negativen.

3. Schülerzentrierte Ursachen

Die individuelle Entwicklung eines Schülers/einer Schülerin spielt eine besondere Rolle im Lernprozess. Fühlt er oder sie sich unter- oder überfordert, so wird er oder sie ggf. gedanklich aus dem Unterricht aussteigen.

Persönliche Konflikte des Schülers/der Schülerin können das Unterrichtsverhalten ebenfalls negativ beeinflussen. Besonders in der Pubertät wird die Beziehung zwischen Lehrkräften und Schülern/Schülerinnen auf eine harte Probe gestellt. Jugendliche sind in dieser Zeit vielen Gefühlen ausgesetzt, die bei ihnen Unsicherheiten auslösen können. Dies kann sich im persönlichen Rückzug oder störendem Verhalten äußern, um Grenzen auszutesten oder Überlegenheit zu demonstrieren. 

Wiederkehrende Unterrichtsstörungen eines Schülers/einer Schülerin können auch neurobiologische Ursachen haben oder ein Hinweis auf Verhaltensstörungen sein. Auch physische Probleme wie eine Fehlsichtigkeit oder Hörprobleme können Lernende daran hindern, konzentriert dem Unterricht zu folgen. 

4. Ursachen in der Institution Schule

Die Unterrichtsbedingungen einer Schule haben wesentlichen Einfluss auf die Qualität des Unterrichts. Eine überschaubare Anzahl an Schülern/Schülerinnen, eine gute Ausbildung der Lehrkräfte und hochwertige Lernmaterialien wirken sich positiv auf die Lernatmosphäre aus

Unterrichtsstörung: Plaudernde Kinder im Unterricht
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Unterrichtsstörungen können nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Unterstützung für den Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten gibt es in Form von Präventions- und Interventionsstrategien.

Tipps zur Prävention: Unterrichtsstörungen vorbeugen

Präventionsstrategien empfehlen Rahmenbedingungen, unter denen ein Unterricht weniger störanfällig ist: Lehrkräfte können für eine Lernumgebung sorgen, die ein reibungsloses Lehren und Lernen ermöglicht. 

Interessanter und abwechslungsreicher Unterricht
Guter Unterricht ist möglichst interaktiv und bindet die Schülerinnen und Schüler mit ein. Eine aktive Mitarbeit und Beteiligung aller Schüler/-innen ist die beste Präventionsmaßnahme, da so wenig Langeweile aufkommt. Dabei sollte der Unterrichtsstoff stets klar strukturiert werden und das Ziel verständlich definiert sein – mit genug Freiraum um auf die individuellen Lerntempos eingehen zu können.

Strukturierter und ordentlicher Unterrichtsraum
Ein aufgeräumter Klassenraum schafft eine positive Lernumgebung. Das entspannt sowohl die Lehrkraft als auch die Schüler/-innen. Eine im Klassenzimmer eingerichtete Entspannungsecke bietet der Lehrkraft zudem die Möglichkeit, störenden Schülern/Schülerinnen  eine Auszeit zu verordnen, um zur Ruhe zu kommen, während der Unterricht weitergeht.

Klare Regeln und Signale für den Unterricht festlegen
Den Schülerinnen und Schülern sollte klar sein, was im Unterricht von ihnen erwartet wird und welche Folgen Regelverstöße haben. Hierbei ist transparentes Handeln ebenso wichtig, wie konsequentes Handeln. Eine gute Orientierung bieten zudem tägliche Rituale.

Positive Lehrer-Schüler-Beziehung aufbauen
Eine wertschätzende Haltung der Lehrkraft entspannt das Verhältnis zwischen ihr und den Schülern/Schülerinnen . In der Regel führt dies zu einer positiven Rückkopplung zwischen Erwartung und Verhalten: Hält eine Lehrkraft gute Stücke auf ihre Schülerinnen und Schüler, so werden sich diese in der Regel auch entsprechend verhalten. 

Positive Autorität zeigt sich u. a. in einem freundlichen und selbstbewussten Auftreten der Lehrenden und echtes Interesse für die Persönlichkeiten der Schüler/-innen. Neben klaren Grenzen sollte auch Raum für Selbstverantwortung der Lernenden sein. Durch Offenheit und Transparenz entwickelt sich von beiden Seiten eine vertrauensvolle Haltung.

Eine gute Klassenatmosphäre schaffen
Ein positives Klassenklima mit wenig Spannung zwischen Lehrenden und Lernenden trägt dazu bei, dass weniger Unterrichtsstörungen auftreten. In einem konstruktiven Klassenklima können Meinungen ausgetauscht und diskutiert werden. Ein Klassenrat wird gebildet, um über interne Anliegen zu beraten, zu diskutieren und zu entscheiden. So können die Schülerinnen und Schüler gemeinsam Regeln entwickeln und einhalten. 

Gemeinsame Aktivitäten stärken das Gemeinschaftsgefühl der Klasse. Die Lehrkraft sollte hierbei immer eine Vorbildfunktion einnehmen. Kommunikative Gruppenspiele stärken auch die Sozialkompetenz der Schülerinnen und Schüler. 

Lehrerinnen und Lehrer sollten bei Unterrichtsstörungen umgehend und angemessen reagieren. Dabei muss jede Störung für sich betrachtet werden: Bei kleineren Störungen kann es sinnvoller sein, den Unterrichtsfluss nicht zu unterbrechen und den Unterricht stattdessen souverän weiterzuführen.

Es ist allerdings nicht empfehlenswert, Unterrichtsstörungen gänzlich zu ignorieren. Bei einer Unterrichtsstörung sollte die Lehrkraft transparent und konsequent eingreifen.

Die Unterbrechung des Unterrichts wird – bestenfalls ohne Autoritätsverlust – so gering wie möglich gehalten. Ziel ist es immer, wieder zügig auf das Lerngeschehen zurückzukommen.

Stufenmodell: Lehrerin mit Schülern
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Aus psychologischer Sicht empfiehlt es sich, Maßnahmen direkt zu ergreifen und auf den Unruhestifter zuzugehen. Eine schlagfertige Reaktion auf die Störung ist besser, als reine Drohungen. Eine Kombination aus Kritik am Störverhalten und ein positives Umdeuten der Situation helfen, angemessen auf die Störung zu reagieren und auf den anschließenden Unterricht überzuleiten.

Regelwerk für Konsequenzen

Die Eins-zwei-drei- Methode gibt ein klares Regelwerk für Konsequenzen bei Unterrichtsstörungen vor.

  1. Erste Stufe: Ermahnung (Grün)
  2. Zweite Stufe: Zweite Mahnung mit Hinweis auf Konsequenz (Orange)
  3. Dritte Stufe: Strafe als Konsequenz (Rot)

Bei der dritten Stufe sollte unmittelbar und ohne Diskussion eine angemessene Strafe verhängt werden – dem Fehlverhalten und Alter des Störenden angepasst.

Für die Klasse muss verständlich sein, welche Regel verletzt wurde und warum die Strafe verhängt wird. Sie ist so zu formulieren, dass der Unruhestifter sein Selbstwertgefühl nicht verliert und vor der Klasse nicht unnötig zur Schau gestellt wird. 

Bei der Analyse einer Unterrichtsstörung werden persönliche, didaktische und methodische Mittel überprüft und weiterentwickelt. Sie hilft, Schülerinnen und Schüler sowie der jeweiligen Lehrkraft, das eigene Verhalten besser zu verstehen.

Unter Lehrerinnen und Lehrern können Unterrichtsstörungen auch in der Supervision behandelt werden, beispielsweise in einer kollegialen Hospitation oder Fallberatung zu Disziplinproblemen. So  haben die Kollegen/Kolleginnen und Lehrkräfte  die Möglichkeit sich auszutauschen und zu unterstützen.