Unterricht gestalten / 18.11.2020

Erfolgreich lernen auch in der Pandemie

Erziehungswissenschaftler geben Empfehlungen

Mehrere hundert Schulen sind derzeit in Deutschland pandemiebedingt wieder geschlossen, tausende von Kindern lernen ausschließlich zu Hause, andere wechseln zwischen Präsenzunterricht und häuslichem Lernen. Kurzum: Von einem regulären Schulunterricht sind wir wohl noch weit entfernt. Zeit, einmal genauer zu schauen, wie das Lernen in Zeiten von Corona erfolgreich sein kann.

Lächelndes Mädchen mit Kopfhörern in der Bibliothek
Bild: Shutterstock.com/insta_photos

Prof. Dr. Thamar Voss und Prof. Dr. Jörg Wittwer vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Freiburg haben aus Erkenntnissen der Unterrichtsforschung abgeleitet, wie ein erfolgreicher Unterricht unter Pandemiebedingungen gelingen kann. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in der Fachzeitschrift „Unterrichtswissenschaft“ veröffentlicht und Empfehlungen für Lehrerinnen und Lehrer abgeleitet. Wir stellen Ihnen einige davon vor.

Die Lernmaterialien

Während der kompletten Schulschließungen im Frühjahr haben Lehrkräfte und Schulen rasch reagiert und den Kindern Lernmaterialien für das häusliche Lernen zur Verfügung gestellt. Allerdings: Sind Materialien, die normalerweise im Unterrichtskonzept eingebunden sind, auch beim Lernen zu Hause effektiv? Beziehungsweise, was sollte bei diesen speziellen Materialien berücksichtigt werden?

Auch wenn es profan klingt, gerade unter Pandemiebedingungen ist es wichtig, dass Lehrkräfte die Lernmaterialien auf der Grundlage von Lernzielen systematisch planen. Dazu gesellen sich noch einige weitere Aspekte:

  • Die Lernmaterialien sollten möglichst umfangreiche Zusatzinformationen enthalten. Denn eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit neuen Lerninhalten droht zu scheitern, wenn bei Schülerinnen und Schülern Verständnisschwierigkeiten entstehen, die sie ohne Unterstützung der Lehrkraft nicht selbständig klären können. 
     
  • Die Schülerinnen und Schüler sollten über die Lernziele und das bevorstehende Lernen informiert werden, unter anderem durch Erläuterungen, wie sie sich durch die eingesetzten Lernformen neues Wissen aneignen, wie sie durch die Verwendung von Lernstrategien ihr Lernen selbst aktiv steuern können und wie sich ihr Wissenserwerb im Verlauf des Lernens entwickelt.
     
  • Auch jetzt ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur Gelerntes wiederholen, sondern sich mit neuen Lerninhalten befassen. Beispielsweise durch Aufgaben zur gezielten Aktivierung des Vorwissens oder durch die Anreicherung von Arbeitsblättern mit Aufforderungen, Lösungsansätze zu vergleichen. Schülerinnen und Schüler sollten ihr Wissen über neue Lerninhalte aktiv anwenden – zum Beispiel durch Beantwortung von Fragen und nicht lediglich durch wiederholtes Lesen.
     
  • Wenn die Berge zu hoch erscheinen, besteigt man sie wahrscheinlich nicht. Das gilt auch fürs Lernen: Durch Zerlegung der zu bearbeitenden Aufgaben in überschaubare Einzelschritte werden die Herausforderungen überschaubar und können gemeistert werden. Das gilt auch fürs Üben. Hier sollte das Lernen auf mehrere kürzere Phasen statt auf eine lange Lernphase verteilt werden.
     
  • Hilfreich sind gut strukturierte Tages- und Wochenpläne. Sie sollten alle notwendigen Informationen enthalten, die die Schülerinnen und Schüler benötigen, um erfolgreich allein lernen zu können.

Lerntagebücher

Schülerinnen und Schüler können jetzt dazu angeregt werden, Lerntagebücher zu schreiben und eigene Beispiele und Anwendungen für das Gelernte zu entwickeln. Mit ihren Lerntagebüchern können Schüler ihr neues Wissen reflektieren, indem sie darüber nachdenken, was sie von den neuen Lerninhalten verstanden haben. Sie können Bezüge zur eigenen Lebenswelt herstellen und überlegen, wie sie mögliche Verständnisschwierigkeiten beseitigen können. Digital erstellte Lerntagebücher können Lehrkräfte auch über die Distanz einsehen und qualifizierte Rückmeldungen geben.

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Digitale Werkzeuge

Digitale Werkzeuge können sowohl von Lehrkräften wie von Schülerinnen und Schülern genutzt werden. Lehrerinnen und Lehrer können Erklärungen multimedial gestalten. Schülerinnen und Schüler können digital Übungsaufgaben bearbeiten, sie können sich aber auch intensiver mit dem Lernstoff auseinandersetzen und eigene Präsentationen oder Erklärfilme produzieren.

Problematisch ist jetzt die fehlende soziale Eingebundenheit. Das gemeinsame Lernen und Leben kann zwar mit digitalen Werkzeugen nicht ersetzt werden, aber zumindest wird ein Austausch möglich. Über Chats oder Konferenzsysteme können die Lehrkräfte das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler wertschätzend begleiten. Und sie können ihre Schülerinnen und Schüler zum gegenseitigen Erklären und zum kooperativen Lernen anregen. Viele Videokonferenzprogramme bieten die Möglichkeit, Kleingruppen zu bilden – vergleichbar mit der Gruppenarbeit im Unterricht.

Die Rückmeldungen

Rückmeldungen sind wichtig für den Lernprozess. Doch welche Möglichkeiten haben Lehrkräfte, unter den Einschränkungen einer Pandemie effektive Rückmeldung zu geben?

  • Lehrkräfte können digitale Programme einsetzen, damit die Schülerinnen und Schüler eine effektive Rückmeldung über ihr Lernen erhalten. Damit bekommen die Lehrkräfte außerdem einen Überblick über den individuellen Lernstand ihrer Schülerinnen und Schüler. Feedback, das nicht aus „richtig“ oder „falsch“ besteht, sondern zusätzliche Informationen enthält, wie ergänzende Erklärungen, Lösungsansätze oder zusätzliche Hinweise zum Lernprozess, motivieren darüber hinaus zum weiteren Lernen.
     
  • Effektives Feedback ist aber auch beim Lernen mit Arbeitsblättern möglich. Etwa, wenn Lehrkräfte als Ergänzung zu den Arbeitsblättern Musterlösungen erstellen, die den Schülerinnen und Schülern nach dem Lernen zum Vergleich mit der eigenen Lösung zu Verfügung gestellt werden.

Die Eltern

Was können Lehrkräfte jetzt tun, damit die Chancenungleichheit nicht noch verstärkt wird, weil Kinder zu Hause sehr unterschiedlich gefördert werden? Wie können sie kompensatorisch wirken?

Auch hierbei hilft die sorgfältige Planung des Lernens im häuslichen Umfeld. Je weniger Fragen bei den Schülerinnen und Schülern offen bleiben, desto weniger ist elterliche Unterstützung notwendig.

Lehrkräfte können aber auch die Eltern direkt mit einbeziehen und sie über das Lernen ihrer Kinder informieren. Sie können außerdem konkrete Hinweise geben, wie sie ihre Kinder motivieren können. So sollten Eltern bei Problemen ansprechbar sein, jedoch nicht kontrollierend handeln. Wichtig sind auch praktische Tipps wie das Festlegen von Lern- und Freizeiten.

Fazit

Lernen in Pandemiezeiten kann gelingen, wenn auch nicht unbedingt genauso gut wie im regulären Schulbetrieb. Die beiden Autoren sehen aber nicht nur die Probleme, die es gegenwärtig zu bewältigen gilt, sondern auch einen möglichen positiven Effekt. Denn jetzt könnten innovative Lernmaterialien entwickelt werden, die in Zukunft besonders den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden.

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Lernpläne sind Vorschläge für Unterrichtssequenzen im Umfang von circa zwei Wochen. Sie können diese individuell auf die Bedürfnisse Ihrer Lernenden anpassen und direkt weitergeben

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