Gewalt effektiv vorbeugen – mit Schulmediation
Strategien zur Gewaltprävention
Konflikte und auch Gewalt – ob nun körperlich oder verbal – gehören fest zum Schulalltag. Damit die Auseinandersetzungen nicht eskalieren, ist eine effektive Gewaltprävention nötig – zum Beispiel in Form der Peer-Mediation.
Warum Gewaltprävention so wichtig ist
Bestimmt kennen Sie Situationen wie diese nur zu gut: Plötzlich gibt es Geschrei auf dem Schulhof. Sie sehen von weitem ein Gerangel zwischen zwei Schülern. Dann geht alles ganz schnell: Es folgen derbe Schimpfwörter, es wird geschubst – und schon schlägt einer der beiden Streithähne zu. Als Sie die zwei erreichen, trennen Sie sie sofort. Beide protestieren natürlich: "Er hat angefangen!" Und das aggressive Verhalten und die wütenden Blicke zeigen Ihnen schon: Das war noch nicht das Ende dieses Konflikts.
Wenn Auseinandersetzungen so weit eskalieren, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt, sind Sie natürlich sofort gefordert. Meist stehen Sie dann aber unter Druck und reagieren eher reflexartig als professionell-bedacht. Hinzu kommt: Durch den "Befehl von oben", sich wieder zu vertragen, ist der Streit in der Regel noch längst nicht beigelegt. So können Sie den Konflikt zwar für den Moment an Ort und Stelle unterbinden, aber eine tatsächliche Einsicht entsteht bei den Schülern nicht. Beide fühlen sich im Recht, meist fühlt sich zudem einer zu Unrecht zum Verlierer gemacht und die selbstkritische Erkenntnis, selber zur Eskalation beigetragen zu haben, bleibt völlig aus. Das bedeutet leider auch: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Schüler bei der nächsten Situation dieser Art grundlegend anders reagieren, ist gering. Konfliktsituationen gehören aber untrennbar zum (Schul-)Alltag – und um Gewalt langfristig zu vermeiden, ist effektive Prävention notwendig. Eine bewährte Möglichkeit zur Gewaltprävention ist die Schulmediation.
"Schulmediation" - was ist das?
Der Ratgeber "Konzepte zur Gewaltprävention in Schulen" von Helmolt Rademacher und Marion Altenburg-van Dieken (Cornelsen, ISBN 978-3-589-23291-8), definiert Mediation ganz grundlegend als "(...) ein Verfahren, bei dem eine dritte, überparteiliche Person (oder Personen) zwischen den Konfliktparteien vermittelt."1 Das Besondere dabei: Auf Bewertungen wird verzichtet, es geht nicht um Recht oder Unrecht oder um die Frage der Schuld – und der Mediator verzichtet komplett auf Lösungsvorschläge. Die Streithähne erarbeiten die Lösungen stattdessen selbst, sie suchen "eigenhändig" nach Lösungsansätzen und Möglichkeiten der Umsetzung. Der Mediator übernimmt also lediglich die Rolle des Moderators; er ist für den Prozess verantwortlich, aber nicht für die konkrete (Auf-)Lösung des Konflikts.
Heiko Markert und Klaus Markert ergänzen in Ihrem Artikel "Schulmediation – ein Mittel zur Gewaltprävention" (Zeitschrift Fördermagazin, Ausgabe 3/2010) darum: "Mediation ist ein Konfliktregelungsverfahren zur Förderung von Kommunikation und Kooperation."2 Das Prinzip basiert also letztlich auf der Vermittlung zwischen zwei Konfliktparteien, bei der Wertschätzung, Akzeptanz, Verständnis und Konstruktivität im Vordergrund stehen. Es geht nicht vorrangig darum, einen Konflikt schnellstmöglich zu beenden – sondern darum, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die von den Beteiligten tatsächlich verstanden, akzeptiert und aktiv mitgetragen werden. Als Vermittler fungieren (entsprechend ausgebildete) Schülerinnen und Schüler, die von beiden Streithähnen als unparteiische Dritte anerkannt werden.
Wie läuft ein Mediationsgespräch ab?
Der Mediator begrüßt zunächst die Konfliktparteien und stellt sich selbst vor. Er erklärt kurz die Rolle, die er einnehmen wird; er sagt den Beteiligten Vertraulichkeit und Neutralität sowie seine Hilfe bei der Suche nach einer konstruktiven Lösung zu. Dann erläutert er kurz den Ablauf des Gesprächs und die Regeln – und bittet die Betroffenen um ihr Einverständnis, mit dem Gespräch zu beginnen.
Der nächste Schritt zielt darauf ab, die unterschiedlichen Sichtweisen transparent zu machen. Der Mediator lässt die Beteiligten nacheinander ihre Sicht der Dinge schildern; er wiederholt das Wesentliche, fasst zusammen und fragt wenn nötig nach. Damit beide Parteien ausreden können und dem jeweils anderen auch wirklich zuhören, achtet der Mediator außerdem auf die Einhaltung der Gesprächsregeln. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sichtweisen hebt er noch einmal hervor.
Damit den Streithähnen deutlich wird, welche persönliche Bedeutung der Konflikt jeweils hat, animiert der Mediator anschließend zu Ich-Botschaften, die das individuelle Empfinden der Situation sichtbar machen. In dieser Phase konzentrieren sich die Beteiligten auf die Gefühle, Bedürfnisse und Interessen, sie fassen ihre Stimmung in Worte. Die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien wird so gezielt gefördert.
In der vierten Phase beschäftigen sich die Gesprächspartner mit der Lösungssuche. Sie sammeln Ideen, lesen ihre Vorschläge vor und überlegen dann gemeinsam: Ist der Vorschlag realistisch, fair, angemessen und klar genug für eine erfolgreiche Umsetzung?
Damit niemandem die weitere Verfahrensweise aufgezwungen wird, dient die letzte Phase des Mediationsgesprächs zur Einigung. Die Streithähne verständigen sich gemeinsam auf einen Lösungsweg, den sie ausprobieren wollen. Die Absprache wird schriftlich festgehalten, von beiden unterschrieben und jedem als Kopie ausgehändigt. Dann wird direkt ein neues Treffen vereinbart, am besten in 7–14 Tagen. Der Mediator bedankt sich schließlich bei den Konfliktparteien und schließt das Gespräch mit der Verabschiedung.
Was bringt Schulmediation den Schüler/-innen?
Die Ausbildung zum Mediator (übrigens oft auch synonym als "Konfliktlotse" und "Streitschlichter" bezeichnet) trainiert vielfältige soziale Kompetenzen. Die Schüler entwickeln ihre Kommunikations- und Konfliktfähigkeit; sie werden sensibilisiert und steigern Toleranz-, Empathie- und Selbstbehauptungsvermögen. Sie üben sich in Selbstkontrolle und lernen, verschiedene Verhaltensweisen sowie die Konsequenzen ihres Handelns abzuwägen. Heiko Maar und Klaus Markert benennen in ihrem Fachartikel außerdem folgende Schlüsselqualifikationen, die nachhaltig gefördert werden:
- "Selbstvertrauen,
- Eigenverantwortung,
- Kontaktfähigkeit,
- Beziehungsfähigkeit,
- Konfliktfähigkeit,
- aber auch Frustrationsfähigkeit,
- emotionale Ausdrucksfähigkeit,
- Empathie und Kreativität (...)."3
Die Schulmediation ist natürlich kein universell wirksames Zaubermittel. Gerade bei schwerwiegenden Auseinandersetzungen, wie zum Beispiel sexuellen Übergriffen, Mobbing oder schwerer Körperverletzung, ist sie für Kinder und Jugendliche sicherlich ungeeignet. Als Möglichkeit der Gewaltprävention hat sie sich allerdings als ausgesprochen erfolgreich in der Praxis bewährt. Denn wer erst mal gelernt hat, mit Konflikten richtig umzugehen, kann auf Gewalt schlichtweg verzichten.
Literatur
1 Definition entnommen aus: "Konzepte zur Gewaltprävention in Schulen – Prävention und Intervention" von Helmolt Rademacher und Marion Altenburg-van Dieken, ISBN 978-3-589-23291-8, Cornelsen, S. 106
2 Entnommen aus: "Schulmediation – ein Mittel zur Gewaltprävention" von Heiko Maar und Klaus Markert, Zeitschrift Fördermagazin, Ausgabe 3/2010, S. 29
3 Entnommen aus: "Schulmediation – ein Mittel zur Gewaltprävention" von Heiko Maar und Klaus Markert, Zeitschrift Fördermagazin, Ausgabe 3/2010, S. 31
"Konzepte zur Gewaltprävention in Schulen – Prävention und Intervention" von Helmolt Rademacher und Marion Altenburg-van Dieken, Cornelsen, ISBN 978-3-589-23291-8
"Schulmediation – ein Mittel zur Gewaltprävention" von Heiko Maar und Klaus Markert, Zeitschrift Fördermagazin, Ausgabe 3/2010
Fortbildungen der Cornelsen Akademie
Gewalt ist kein Mittel - Gewaltprophylaxe im Unterricht (SchiLf)
Sie erproben wirksame Maßnahmen zur Verhinderung, Eindämmung und zum Abbau von Gewalt und Mobbing. Sie erfahren, wie Sie als Kollegium durch die konsequente Doppelstrategie „Weich zu den Menschen und hart in der Sache" zur Deeskalation beitragen können.