Interview mit den Einstern-Herausgeber/-innen
„Wir sind kompromissbereiter geworden“
2021 feiern wir Jubiläum. Dass wir auf solch eine Erfolgsgeschichte zurückblicken können, verdanken wir unseren Autor/-innen und Herausgeber/-innen. Schon sehr lange dabei sind die Einstern-Herausgeber/-in Roland Bauer und Jutta Maurach. Anlässlich des Cornelsen-Jubiläums blicken sie für uns zurück auf über 40 Jahre Autoren- und Herausgebertätigkeit.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Cornelsen zustande?
Roland Bauer: 1980, in meiner Zeit als Konrektor, sagte ich einem Schulberater, der mir Kopien für ein neues Mathewerk zeigte, dass man daran noch einiges ändern und verbessern müsse. Das war der erste Kontakt, seither bin ich Autor bei Cornelsen. Die Konzeption des ersten Werks war anders als die üblichen Schulbücher.
Was war das Besondere?
Roland Bauer: Das, was uns auch heute noch antreibt: der Wunsch, dass Kinder selbstständig im eigenen Tempo mit den Materialien arbeiten können. Aber dieser Ansatz hat zunächst nicht so eingeschlagen, da waren wir der Zeit voraus. Es wurde im Grunde ein „normales“ Schulbuch daraus. Daraufhin bin ich erst mal ausgestiegen und habe mich dem Lernen an Stationen gewidmet. Meine Frau und ich erstellten dann gemeinsam mit anderen Lehrkräften Materialien für den eigenen Unterricht, die für selbstständiges Arbeiten geeignet waren. Viele davon wurden in der Reihe Lernen an Stationen aufgenommen und bildeten die Grundlage für Einstern und Einsterns Schwester.
Es war also erst mal Geduld gefragt.
Roland Bauer: Und ein bisschen Provokation. Als Referent bei einer Außendienstveranstaltung von Cornelsen habe ich einmal gesagt, das Schulbuch in der bisherigen Form habe keine Zukunft, es sei ein Auslaufmodell. Da ging es heiß her und man bat mich, mal ein Konzept zu erstellen. Bis zum nächsten Morgen hatte ich es fertig, und die Antwort war: Okay, das versuchen wir mal.
Wir waren verdammt stolz, als das erste Einstern-Heft so umgesetzt wurde. Auch wenn es etwas gedauert hat, denn anfangs war der Verlag noch stark an das gebunden, was er kannte. Unser großer Vorteil war, dass Cornelsen damals in Mathematik für die Grundschule praktisch noch nichts hatte. Diese Lücke haben wir gefüllt.
Jutta Maurach: Wir haben von einem großen Vertrauensvorschuss profitiert. Da es sich nicht um ein dickes Buch handelte, sondern um einzelne Themenhefte, war es ein richtiger Kampf, die Genehmigung der Ministerien zu bekommen. Die große Herausforderung, auch an den Verlag, bestand darin, die Hefte mithilfe eines Schubers so zu gestalten, dass der Buchcharakter gegeben war. Und die Materialien umfassten ja auch wesentlich mehr Seiten als ein herkömmliches Schulbuch. Das bedeutete Mehrkosten. Die Hefte mussten dann einzeln von Hand in die Schuber einsortiert werden. Alle haben gehofft, dass sich das Ganze gut verkauft, und zum Glück war das der Fall.
Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Jahre verändert?
Jutta Maurach: Da die Konkurrenz nachgezogen ist, hat sich der Fokus des Verlags natürlich gewandelt. Nun müssen wir uns manchmal mehr, als uns lieb ist, an dem orientieren, was andere machen. Aber wir sind in der Zwischenzeit kompromissbereiter geworden. Und man muss auch sagen: Was die Verlage heutzutage leisten, ist enorm. In welch kurzer Zeit immer wieder Neues aus dem Boden gestampft werden muss. Das war früher entspannter.
Was braucht es Ihrer Erfahrung nach, um über so lange Zeit gut und erfolgreich im Team miteinander zu arbeiten?
Roland Bauer: Die persönliche Ebene ist sehr wichtig. Es gab von Beginn an diese große Vertrauensbasis zwischen uns und dem Verlag, sodass wir gleichberechtigt und frei etwas miteinander entwickeln konnten.
Jutta Maurach: Auch bei der Arbeit an Einsterns Schwester kamen uns die guten persönlichen Verbindungen zugute. Als damalige Schulleiterin hatte ich das Glück, zwei Kolleginnen aus meiner Schule mit ins Autorinnen-Boot holen zu können. So konnten wir das, womit wir im Unterricht gute Erfahrungen gesammelt haben, zusammen mit der Redaktion in das Buch einfließen lassen. Diese enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem von uns gestalteten Materialfundus als Grundlage war ein großer Pluspunkt.
Welche Vorteile hat die gemeinsame Arbeit als Autorenpaar?
Jutta Maurach: Das Gute daran ist: Wir sind uns meistens sehr schnell einig. Und wir haben einen Geschwindigkeitsvorteil, weil wir uns schnell abstimmen, Entscheidungen treffen und Rückmeldungen geben. Das freut auch den Verlag, weil es Prozesse beschleunigt.
Was wünschen Sie sich – auch mit Blick auf die Werke und Reihen, die Sie schon so lange betreuen – für die Zukunft?
Roland Bauer: So langsam entsteht der Wunsch, ein bisschen mehr Ruhe und Zeit für uns zu haben, anstatt in jeder freien Minute an den Werken zu arbeiten. Aber wir sind ja mitten in einer Überarbeitungsphase, die noch zwei bis drei Jahre dauert. Und dann sehen wir weiter.
Jutta Maurach: Ich wünsche mir für die Zukunft, dass unsere Überarbeitungen weiterhin bei den Lehrkräften gut ankommen und dass die Kinder die Materialien in ihrem eigenen Tempo und mit Freude nutzen. Ich habe in meiner Schule erlebt, dass die Kinder schon über den Büchern saßen, als ich morgens in die Klasse kam. Ähnliches hören wir von vielen Lehrerinnen und Lehrern. Das zeigt uns, dass den Kindern das Lernen mit den Leitfiguren Einstern und Lola Spaß macht. Sie scheinen ihnen wirklich ans Herz gewachsen zu sein. Das zu erleben, ist ein schönes Gefühl.
Zur Person
Jutta Maurach war Grundschullehrerin und Schulleiterin einer Grundschule in Baden-Württemberg. Dort unterrichtete sie viele Jahre in jahrgangsgemischten Klassen. Sie ist Herausgeberin und Autorin der Grundschul-Lehrwerksreihen Einsterns Schwester (Deutsch) und Einstern (Mathematik).
Roland Bauer hat langjährige Erfahrung als Grund- und Hauptschullehrer und als Schulleiter. Er war Ausbilder am Seminar für schulpraktische Ausbildung, Dozent für Fachdidaktik Mathematik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und über 20 Jahre Schulrat in Sindelfingen, Reutlingen, Tübingen, Calw und Böblingen. Er ist Herausgeber und Autor der Reihen Einsterns Schwester, Einstern und Lernen an Stationen sowie verschiedener Grundsatzliteratur zum individuellen Lernen.