Gemeinsam anders: Unterschiede, die verbinden
Wie das Englisch-Lehrwerk Lighthouse Vielfalt im Unterricht fördert
Schulbücher prägen die Perspektiven und das Weltbild junger Menschen. Damit sich die gesellschaftliche Realität mit all ihren Facetten in den Lehrwerken widerspiegelt und stereotype Darstellungen der Vergangenheit angehören, braucht es Redaktionen, die genau hinschauen. Wie bei Lighthouse, einem der wichtigsten Cornelsen-Lehrwerke für den Englisch-Unterricht, das Vielfalt großschreibt.

"Fachleute von außen geben uns Sicherheit."

Jutta Seuren ist als Senior-Redakteurin verantwortlich für die General Edition von Lighthouse für mittlere Schulformen. Zurzeit arbeiten sie und ihr Team am Buch für Klasse 9 ab Schuljahr 2026/27. Schon in den bereits erschienenen vier Bänden wird viel Wert auf Diversität gelegt – schließlich steht das Thema seit Jahren in den Lehrplänen. Doch für die neuen Bände der Reihe nimmt die Redaktion das Feld der Vielfalt noch stärker in den Fokus: Denn zum einen lebten die bisherigen Lehrwerkscharaktere in Großbritannien und den USA, während es in den Bänden 5 und 6 Lektionen zu Singapur, Indien, Australien und Jamaika gibt. Zum anderen hat sich die Gesellschaft im Laufe der letzten Jahre weiterentwickelt und diskriminierungssensible Themen sind stärker ins Bewusstsein gerückt. All dem möchte die Redaktion mit einem noch aufmerksameren Blick begegnen.
„Um die Charaktere und ihre vielfältigen Lebenswelten authentisch darzustellen, holen wir uns diesmal unter anderem Unterstützung von externen Sensitivity- und Authenticity-Leserinnen“, sagt Jutta Seuren. „Zwar sind wir als Team gut aufgestellt und halten uns für sehr offen und achtsam im gesamten Feld der Diversität, doch natürlich gibt es Aspekte, die wir übersehen – schon allein durch unsere eher eurozentrische Perspektive. Die Fachleute von außen sind wertvoll, denn sie geben uns Sicherheit.“
Diversität auf natürliche Weise repräsentieren

Um auf selbstverständliche Art und Weise eine Vielfalt von Ethnizitäten, Identitäten, Persönlichkeiten, Familienkonstellationen, Rollen- und Körperbildern abzubilden, wird im Entstehungsprozess des Lehrwerks von Beginn an ganz bewusst hingeschaut. Ein wesentlicher Faktor, auf den sich die Lighthouse-Redaktion seit vielen Jahren verlassen kann, ist das Vertrauen in die beiden Autorinnen des Lehrwerks, Rebecca Robb Benne und Zoe Thorne. Sie haben in Zusammenarbeit mit den vier Herausgeber*innen aus verschiedenen Bundesländern das Konzept der vier Charaktere in Lighthouse entwickelt. Dabei achten sie sehr genau auf alle Aspekte, die Diversität betreffen.
Die Charaktere im Buch haben ganz unterschiedliche Facetten, Interessen und Kompetenzen, was aber eher subtil dargestellt wird. Ein Beispiel: Dass Noah im Autismus-Spektrum ist, steht zwar in den Handreichungen für Lehrkräfte, wird aber im Schulbuch nicht zum Thema gemacht. Ziel ist es, Vielfalt auf natürliche Weise zu repräsentieren, ohne zu othern, also andere als andersartig darzustellen. Autorin Rebecca Robb Benne formuliert es so: „Die Schüler*innen sollen sich in den Charakteren wiedererkennen.“

Um diese Natürlichkeit zu gewährleisten und Klischees sicher zu umschiffen, müssen alle, die am Lehrwerk mitwirken, ihr Bewusstsein für Diversität schärfen. Bei einem Produkt wie Lighthouse betrifft das eine große Gruppe von Mitarbeitenden. Es gibt drei verschiedene Ausgaben für unterschiedliche Schulformen sowie eine Menge Begleitmaterial wie Workbooks und Lernkontrollen. Als erstes Cornelsen-Lehrwerk verfolgt Lighthouse zudem ein hybrides Konzept mit eigener Lernen-App, sodass einige Kolleg*innen ausschließlich an digitalen Materialien arbeiten. Hinzu kommen externe Illustrator*innen. „Wir müssen alle mitnehmen“, sagt Jutta Seuren. „Dabei geht es zum Beispiel auch darum, realistische Hauttöne zu wählen und Menschen nicht immer normschön darzustellen. Auch das ist Vielfalt.“ Hier braucht es Offenheit und Austausch. Das kann bedeuten, die eine oder andere zusätzliche Korrekturschleife oder Abstimmungsrunde zu drehen, um gemeinsam die jeweils beste Lösung zu finden.
Doch dieser Mehraufwand zahlt sich aus. Die drei Redaktionsteams für die General, Advanced und Basic Edition redigieren immer in Tandems. Die etwa 20-köpfige Redaktionsgruppe bespricht dann im weiteren Verlauf Unit für Unit gemeinsam, nimmt Texte, Illustrationen und (Agentur-)Fotos unter die Lupe. Dabei geht es nicht ausschließlich um Diversität, aber eben auch. Dass das Thema an gesellschaftlichem Stellenwert gewinnt, spiegelt sich auch in der Lehrwerksentwicklung wider.
Wissensvermittlung in Workshops für Mitarbeitende
Cornelsen hat früh damit begonnen, unternehmensintern für „Diversity & Inclusion“ zu sensibilisieren, und eine gleichnamige Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die das Themenfeld in der Unternehmenskultur verankert. Seit zwei Jahren erstellt das D&I-Team datenbasierte Analysen und etabliert Schulungsformate, die Mitarbeitenden Wissen und Handwerkszeug vermitteln. In den Workshops geht es um Themen wie Unconscious Bias (unbewusste Voreingenommenheit), Inclusive Leadership und allgemeine Aufklärung zu Rassismus, Ableismus (Diskriminierungsformen gegenüber Menschen mit Behinderung) und Sexismus. Dabei finden auch Stimmen aus von Diskriminierung betroffenen Gruppen Gehör.
Florine Seeger ist Lead People & Culture Development bei Cornelsen und verantwortet das Engagement der D&I-Gruppe. Sie erklärt: „Vielfalt zu fördern – in unseren internen Strukturen und auch in der Entwicklung unserer Produkte – ist fester Bestandteil unserer Unternehmenswerte. Die Erwartungshaltung ist nicht, dass sich alle Mitarbeitenden mit allen Themen komplett auskennen, sondern dass sie durch Wissen Berührungsängste abbauen. Um das zu erreichen, investiert Cornelsen Zeit und Budget. Aber wir sind auch auf dem Weg und lernen kontinuierlich dazu.“ Dass Diversität und Teilhabe ein weites Lernfeld sind, kann auch Lighthouse-Redakteurin Jutta Seuren bestätigen: „Die Cornelsen-interne Gruppe macht eine tolle Arbeit. Sie hat innerhalb der letzten zwei Jahren immer mehr Standing bekommen und ist inzwischen nicht mehr wegzudenken.“
Das Engagement lohnt sich – das belegt auch die Tatsache, dass die Lighthouse-Redaktion bisher keine Kritik oder Einwände vonseiten der Bildungsministerien in Bezug auf Diversitätsthemen bekommen hat. Jutta Seuren: „Im Grunde setzen wir ja auch genau das um, was in der deutschen Bildungspolitik gefordert wird. Ich erlebe in den Ministerien eine ausgeprägte Offenheit und ein Fortschrittsdenken für dieses Themenfeld.“
Unterricht soll interkulturelle Handlungsfähigkeit stärken

Zum Hintergrund: Bereits 2015 hat die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund und Bildungsmedienverlagen eine Erklärung zur Darstellung von kultureller Vielfalt, Integration und Migration in Bildungsmedien entwickelt und unterzeichnet. Darin heißt es zum Beispiel: „Die Bildungsmedienverlage verpflichten sich in Text und Bild auf eine differenzierte Darstellung von Lebenswirklichkeiten.“ Zu einer kontinuierlichen Qualitätssicherung gehöre es auch, Autor*innen für eine multiperspektivische Darstellung von Diversität zu sensibilisieren und Redaktionen entsprechend fortzubilden.
In der „Lehrplanstudie Migration und Integration“ aus dem Jahr 2021, herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, wurde untersucht, wie Migration und Integration in Lehrplänen zum Thema gemacht werden. Daraus leiteten die Autor*innen vom Mercator Forum Migration und Integration (MIDEM) der TU Dresden konkrete Handlungsempfehlungen für die Lehrplanentwicklung ab und schreiben beispielsweise: „Die mit den vergangenen und gegenwärtigen Migrationsbewegungen verbundenen Veränderungen in der deutschen Gesellschaft sind nicht nur für die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler wesentlich, sondern auch für die Herausbildung eines Zugehörigkeitsgefühls. Dabei geht es bei der Bildung in einer vielfältigen Gesellschaft auch um die Sichtbarmachung individueller und kollektiver Migrationsgeschichten.“ In der Studie wird deutlich: Schüler*innen profitieren davon, wenn sich Vielfalt in Lehrwerken widerspiegelt.
Im Kernlehrplan Englisch (Sekundarstufe I) für NRW von 2022 heißt es: „Das Leitziel des Englischunterrichts stellt die interkulturelle Handlungsfähigkeit dar. Durch die Auseinandersetzung mit anglophonen Zielkulturen wird dabei ein interkultureller Diskurs eröffnet, welcher die Lernenden dazu befähigen soll, in einen bewussten Austausch über kulturspezifische Denk- und Lebensweisen, Werte, Normen und Lebensbedingungen der jeweiligen Zielkultur zu treten.“ Auch in anderen Lehrplänen finden sich umfangreiche Anforderungen zu interkultureller kommunikativer Kompetenz.
In einer 2024 von Cornelsen durchgeführten Umfrage unter Lehrkräften gaben 57 Prozent der Befragten an, dass das Thema Vielfalt und Teilhabe im Schul- bzw. Lehrkontext wichtig ist. Über die Hälfte fand es außerdem wichtig, dass Lehrwerke und Unterrichtsmaterial divers und inklusiv sind. Die meisten Lehrkräfte, die mit Lighthouse arbeiten, wissen es zu schätzen, dass das Lehrwerk die englischsprachige Welt interessant, bunt und vielfältig präsentiert. Das Feedback ist fast durchweg positiv. Vereinzelten Gegenwind wie in dem Fall, dass eine Schule Lighthouse nicht einführen wollte, weil die Kinder im Buch in Brighton zur Pride Parade gingen, kann die Redaktion gut aushalten. Konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge nimmt sie sich zu Herzen.
Vom Wert des Dazulernens
In der Auseinandersetzung mit diversitätssensiblen Themen steckt für Jutta Seuren und ihr Team ein großer Wert. Eine zukünftig noch vielfältigere Aufstellung der redaktionellen und beratenden Teams helfe dabei, diese Entwicklung weiter zu fördern. „Es klingt vielleicht etwas pathetisch, aber ich glaube, wir werden auf diese Weise tolerantere Menschen, die immer offener werden.“ Das sei auch im privaten Umfeld spürbar und bringe mehr Standpunktsicherheit, beispielsweise in Diskussionen um nicht mehr zeitgemäße Karnevalskostüme, berichtet die Redakteurin. „In solchen Situationen kann ich das Thema kulturelle Aneignung so vermitteln, dass die Gründe für eine damit verbundene Kränkung verständlich werden. Dann denke ich: Ja, so etwas lerne ich bei meiner Arbeit auch. Und das ist schön!“
Jutta Seuren regt dazu an, sich immer wieder die Frage zu stellen, was wir als Menschen gemeinsam haben. „Menschen unvoreingenommen und offen zu begegnen, die auf den ersten Blick nicht so wie ich erscheinen – darum geht es doch in der Schule und im Unterricht.“
Zur Person

Jutta Seuren ist Senior Redakteurin in der Redaktion Englisch Mittlere Schulformen und verantwortlich für das Schulbuch English Lighthouse General Edition.