Konfliktsituationen im Lehreralltag
Typische Konflikte - mit Schülern, Eltern und Kollegen
Konflikte lassen sich nie völlig vermeiden – das gilt besonders für den Schulalltag. Wir haben Ihnen erprobte Tipps und konkrete Handlungsempfehlungen für drei typische Szenarien zusammengestellt. Ob Schüler, Eltern oder Kollegen: So reagieren Sie richtig, wenn es hart auf hart kommt.
Konflikte lauern überall
"Unterrichten ist nichts für Feiglinge", schreibt Jonas Lanig in seinem Ratgeber "Typischen Konflikten im Lehreralltag begegnen". Recht hat er: Im Schulalltag werden Sie immer wieder mit schwierigen Situationen konfrontiert. Denn ganz gleich, wie sehr Sie sich bemühen und wie "deeskalierend" Sie sich verhalten: Sie werden nicht jeden Konfliktherd umschiffen können. Das ist aber auch völlig in Ordnung. Denn Konflikte sind nicht nur völlig normal – Sie lassen sich auch souverän lösen. Drei typische Szenarien spielen wir im Folgenden einmal mit Ihnen durch: je ein Konflikt mit Schülern, mit Eltern und mit den Kollegen – natürlich mit den passenden Handlungsempfehlungen.1
Schülerkonflikte: Das vorschnelle Unterrichtsende
Dass Sie selten pünktlich starten können, weil Raumwechsel und "Umbauphasen" am Anfang Ihrer Stunde für Verzögerungen sorgen, haben Sie wahrscheinlich längst akzeptiert. Die Tatsache aber, dass die Schüler schon vor dem Klingeln vorschnell, hastig und lautstark ihre Sachen packen, zehrt Ihnen vielleicht noch immer an Nerven. Wenn Sie dann eigentlich noch eine wichtige Info loswerden wollten, die Sie den Schülern gar nicht mehr schnell genug hinterherrufen können, kann sich schon mal Frust breit machen. Wie sollen Sie richtig auf diesen Konflikt reagieren, wenn die Schüler ihn gar nicht als solchen wahrnehmen?
Sinnvoll wäre es, gleich zu Beginn klarzumachen: Wann der Unterricht beginnt und wann er endet, entscheidet allein der Lehrer. Der Schulgong hat eine Erinnerungsfunktion – er ist aber nicht als Signal und Freifahrtschein gedacht, damit jeder sofort alles stehen und liegen lässt. Sie könnten ganz unmissverständlich erklären: "Ich erwarte, dass ihr eure Plätze direkt zum Beginn der Stunde umräumt. Danach will ich nur noch die Materialien auf den Tischen sehen, die ihr für meine Stunde braucht. Und eure Tasche packt ihr erst dann, wenn ich euch das Zeichen dazu gebe." Ideal wären natürlich ein entsprechender Passus in der Hausordnung und die konsequente Umsetzung durch jeden Kollegen.
Nun gilt im Schulalltag natürlich oft der markige Spruch: "Wir sind hier bei "So isses!" und nicht bei "Wünsch dir was!". Und so sehr Sie es sich wünschen mögen: Wenn die Schüler erst einmal an solche Unsitten gewöhnt sind, wird es für Sie schwierig. Helfen kann beispielsweise eine selbst erhobene Statistik. Führen Sie Buch, mit wie vielen Minuten Verspätung Sie starten und wie lang Sie durchschnittlich "überziehen". Das Ergebnis wird das untermauern, was alle eigentlich längst wissen: Die Minuten, die Sie überziehen, stehen in keinem Verhältnis zu den Verspätungen, die die Schüler sich herausnehmen. So haben Sie in jedem Fall eine gute Basis, um die Thematik noch einmal anzusprechen und feste Regeln zu etablieren. Als Kompromiss könnten Sie einem Schüler auch das Amt des Zeitwächters übertragen: Er soll Sie fünf Minuten vor Ende der Stunde erinnern. So können Sie sich auch gleich noch besser auf das Unterrichten konzentrieren.
Elternkonflikte: "Sie machen den Kindern Bauchweh!"
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen beim Elternabend und plötzlich platzt eine Mutter heraus: "Seit meine Tochter bei Ihnen Deutsch hat, geht Sie mit Bauchschmerzen in die Schule." Nach der ersten Sprachlosigkeit fragen Sie sich dann natürlich, wie Sie am besten reagieren. Bewährt haben sich für Situationen wie diese die folgenden fünf Schritte:
- Bedanken Sie sich für den Einwand. So signalisieren Sie der Mutter, dass Sie Ihre Sorge ernst nehmen, und reagieren sachlich, damit die Situation nicht aus dem Ruder läuft.
- Klären Sie, ob Sie die Aussage richtig verstanden haben und agieren Sie als aktive Zuhörerin. Sie könnten zum Beispiel sagen: "Wenn ich Sie richtig verstehe, sorgt der Deutschunterricht bei Anna oft für ein ungutes Gefühl. Und das äußert sich dann in Bauchweh." So rücken Sie das Fach in den Vordergrund, statt weiter von sich als Person und Ihrem Unterricht zu sprechen.
- Versuchen Sie, die Gründe für die Probleme gemeinsam mit der Mutter auszuloten. Am besten stellen Sie Fragen: "Kann es sein, dass Anna vor dem Deutschunterricht Angst hat? Dass sie befürchtet, sich zu blamieren?" Stellen Sie klar: "Sie kennen Ihre Tochter am besten und wissen am ehesten, wo die Ursachen liegen." Liefern Sie der Mutter verschiedene mögliche Ursachen und lassen Sie sie wählen. So verunsichern oder überfordern Sie sie nicht.
- Interessieren Sie sich ehrlich dafür, inwieweit Ihr Verhalten zur Angst der Schülerin beiträgt. "Vielleicht hat Anna Angst, etwas Falsches zu sagen und vor der ganzen Klasse bloßgestellt zu werden. Ich mache zwar immer wieder deutlich, dass Fehler wichtig und nichts Schlimmes sind, aber vielleicht hat sie das noch nicht verinnerlicht." So stellen Sie klar: Sie haben keine bösen Absichten, es gibt lediglich ein Vermittlungsproblem – und vielleicht leidet Anna unter den (möglichen) Reaktionen der Mitschüler.
- Einigen Sie sich darauf, dass Sie beide aktiv werden, um der Schülerin zu helfen. Sie können sich vornehmen, Schüler, die falsche Antworten geben, trotzdem zu loben und sie immer wieder zu bestärken. Die Mutter wiederum können Sie bitten, den Lernerfolg ihrer Tochter nicht ständig abzufragen, sondern sich lieber von den kleinen Begebenheiten des Schulalltags erzählen zu lassen. So verschiebt sich dann vielleicht auch Annas Wahrnehmung und die Bauchschmerzen sind bald verschwunden.
Kollegenkonflikte: Vor der Klasse bloßgestellt
Im Klassenraum kann es schon mal etwas lauter werden – zum Beispiel beim Stationenlernen in Partnerarbeit oder bei Gruppenarbeiten. Stellen Sie sich vor, Sie sind gerade mitten im trubeligen Geschehen, als die Klassentür auffliegt und ein Kollege poltert: "Was geht denn hier ab? Nennt ihr das ernsthaft Unterricht? Schluss mit dem Chaos und dem Gebrülle!" Stellen Sie sich dann vor, dass der Kollege Sie entdeckt und nachlegt: "Oh. Ich wusste ja nicht, dass Sie hier sind. Nach Unterricht hat sich das nun wirklich nicht angehört."
Nun können Sie natürlich reagieren, indem Sie sich entschuldigen: "Da ist es im Eifer des Gefechts wohl etwas laut geworden. In Zukunft passen wir besser auf, wir wollen ja niemanden stören." Wahrscheinlich werden Ihnen solche Arbeitsformen aber weiterhin am Herzen liegen – und vor der Klasse bloßgestellt zu werden, wollen Sie vermutlich nicht einfach schweigend hinnehmen.
Patzige Kommentare oder verärgertes "Zurückblaffen" wären an dieser Stelle natürlich kontraproduktiv. Im Idealfall warten Sie, bis Sie mit dem Kollegen unter vier Augen sprechen können. Machen Sie deutlich: Wenn er etwas an Ihrem Unterricht zu bemängeln hat, soll er Ihnen das gerne sagen – aber nicht vor Ihrer Klasse. Sie können formal argumentieren, indem Sie unmissverständlich klar machen, dass der Kollege Sie vor der Klasse lächerlich gemacht und Ihre Autorität untergraben hat. Fordern Sie ihn auf, in Zukunft auf derart unkollegiales Verhalten zu verzichten. Alternativ können Sie auch inhaltlich argumentieren und auf die Vorteile kooperativer Lernformen hinweisen. Erklären Sie dann: "Beim Umstellen der Tische oder bei einem Wechsel der Gruppen kann es schon mal lauter werden. Das ist der Preis dieser Arbeitsform. Das Ganze ist aber schließlich kein Dauerzustand. Deshalb würde ich auch Sie bitten, die kurzen Lärmphasen zu tolerieren." Besonnenes, aber bestimmtes Reagieren zahlt sich fast immer aus – und sorgt dafür, dass Sie Konflikte souverän meistern.
Literatur
1 Alle Anregungen basieren auf dem Ratgeber "Typischen Konflikten im Lehreralltag begegnen – Fallbeispiele und konkrete Handlungsempfehlungen" von Jonas Lanig (Verlag an der Ruhr, ISBN 978-3-8346-2512-0). Dort finden Sie auch zuverlässige Tipps für viele weitere Szenarien.
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Sie lernen, kritische Situationen aus dem Blickwinkel der Schüler/-innen zu betrachten und belastende Auseinandersetzungen mit ihnen ‒ und ihren Eltern ‒ deutlich abzukürzen. Sie erfahren, welche psychologischen Mechanismen wirksam sind, damit schwierige Schüler/-innen sich an die Regeln halten und deren Eltern dies unterstützen.
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Sie erlernen anhand eines strukturierten Verfahrens, sich auf Probleme im Berufsalltag eine Außenperspektive geben zu lassen und von der Erfahrung und den Sichtweisen der Kollegen zu profitieren.
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Sie erfahren, wie Sie in nur vier Schritten von der Konfrontation in die Kooperation kommen. Mit dieser Technik steigern Sie nachhaltig Ihre kommunikativen Kompetenzen sowohl bei Kolleginnen und Kollegen, Elterngesprächen als auch im Unterricht.
Umgang mit Ungewissheit im pädagogischen Handeln
In ihrer Schulpraxis und insbesondere im pädagogischen Handeln haben es Lehrkräfte immer wieder mit völlig neuen Situationen und höchst unterschiedlichen Menschen zu tun. Damit geht häufig ein hohes Maß an Ungewissheit und vielleicht sogar Unsicherheit einher. In diesem Live-Online-Seminar wollen wir uns diesem sensiblen Themenfeld widmen.