Digitales Lernen in der Schule
Viele Schülerinnen und Schüler sind begeistert, aber ohne eine pädagogische Strategie bringen iPad und Co. wenig.
Lernformen, die digitale Medien nutzen, ermöglichen interaktives Lernen, kreative Projektarbeit und sind nah dran an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Aber für eine erfolgreiche pädagogische Arbeit braucht es mehr als ein schnelles WLAN und Tablets für alle Schüler/-innen. Ein neues Buch fasst Tipps und Erfahrungen von Lehrkräften zusammen.
Jede zweite Lehrkraft nutzt digitale Medien eher selten
Sie heißen iPad-Schule, Macbook-Gymnasium oder Tablet-Realschule. Schulen, in denen Jugendliche im Unterricht, bei den Hausaufgaben und Projektarbeiten umfassend digitale Medien nutzen. Es werden immer mehr. Und im Herbst 2016 hat Bundesbildungsministerin Johanna Wanka einen 5 Milliarden Euro umfassenden Digitalpakt angekündigt, um Schulen besser für das digitale Lernen auszustatten.
Nachholbedarf gibt es auf Fälle. Die weiterführenden Schulen in Deutschland seien zwar auf einem guten Weg in ihre digitale Zukunft, doch im internationalen Vergleich seien sie derzeit nur mittelmäßig. So fasst Professor Wilfried Bos von der Technischen Universität Dortmund das Ergebnis der aktuellen Studie „Schule digital – der Länderindikator 2016“ zusammen, die er im Auftrag der Telekom-Stiftung durchgeführt hat. An der Befragung nahmen 1.210 Lehrkräfte der Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schulen aus allen 16 Bundesländern teil. Jeder zweite Lehrer gibt demnach an, digitale Medien seltener als einmal pro Woche im Unterricht zu nutzen. Nur jeder sechste tut dies täglich, gut ein Drittel im wöchentlichen Rhythmus.
Pädagogische Medienkonzepte gibt es längst nicht überall
Jede zweite Schule verfügt laut den befragten Lehrekräften allerdings nicht über ein Medienkonzept für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Immerhin 72 Prozent der befragten Lehrer/-innen geben an, ihre Schülerinnen und Schüler zeigten, „dass sie die Glaubwürdigkeit und die Nützlichkeit ermittelter Informationen richtig einschätzen können.“ Doch erschreckend ist: Der Wert hat sich trotz der rasanten Zunahme falscher Informationen im Netz im Vergleich zum Vorjahr um rund zehn Prozent verschlechtert.
Dennoch glauben rund drei von vier Lehrer/-innen von sich, dass sie Inhalte, eingesetzte digitale Medien und Lehrmethoden angemessen kombinieren können. Zwischen den digitalen Möglichkeiten und der Realität in deutschen Schulen klafft also noch immer eine große Lücke. Praktiker und Wissenschaftler sind sich einig: Die besten Rechner und das schnellste WLAN bringen wenig, wenn es kein vom Kollegium unterstütztes, pädagogisch fundiertes Lernkonzept in den Schulen gibt.
Lehrer twittern über erfolgreiches Arbeiten mit digitalen Medien
Die Lehrer André Spang und Torsten Larbig betreiben schon seit einiger Zeit einen erfolgreichen Twitter-Chat zu pädagogischen Themen. Unter dem Hashtag #EDChatDE tauschen sich Lehrer regelmäßig zu aktuellen Fragen aus. Beide haben jetzt im Cornelsen Verlag ein Buch mit den interessantesten Themen und Tweets zum Schwerpunkt „Digitale Medien“ herausgegeben. Die twitternden Pädagogen sehen im digitalen Lernen viele Vorteile: Individuelles Lernen wird verbessert, sich untereinander zu vernetzen und gemeinsam zu lernen fällt den Schülern leichter, und interaktives Lernen, das die Schüler begeistert und motiviert, ist in vielfältigen Formen möglich. Angefangen bei Apps, mit deren Hilfe die Schüler individuell lernen, Gelerntes einüben und sich auf Prüfungen vorbereiten – bis hin zu kreativen Gemeinschaftsprojekten wie Blogs, Wikis, Websites oder sogar dem Programmieren eigener Apps.
Auch Prüfungen auf dem iPad sind möglich
Aber auch Prüfungsleistungen lassen sich digital erbringen, davon sind viele der twitternden Lehrer im Chat überzeugt. Zum einen gibt es technische Lösungen, die den Zugang zum Internet und zu bestimmten Dokumenten für die Dauer der Prüfung sperren. Aber auch alternative digitale Prüfungsformen seien möglich, wenn es das Schulrecht zulässt: etwa ein Blog zu schreiben.
Es wird auch vorgeschlagen, sogenannte „Badges“ zu erwerben statt der klassischen Schulnoten in Klausuren, also eine Art Online-Zertifikat für im Internet erbrachte Leistungen, wie sie etwa bei Programmierkursen im Netz schon üblich sind. Oder es wird radikal gefragt: Warum soll man eigentlich in Prüfungen den Zugang zum Internet sperren, wenn es doch der Lebensrealität der Schüler entspricht und sie fast jederzeit darauf zugreifen zu können?
Keinen Schüler benachteiligen
Tablets wie etwa das iPad oder Laptops sind besonders beliebt für das digitale Lernen. Doch nicht alle Eltern können oder wollen sich das leisten. BYOD – „Bring your own device“, jeder Schüler bringt mit, was er selbst hat – klingt da bitter in manchen Eltern- und Schülerohren. Einige Schulen handeln Rabatte mit Händlern aus oder greifen geringverdienenden Eltern unter die Arme, andere akquirieren Sponsoren. Doch gute Lösungen gibt es nicht immer.
Um die Eltern mit ins Boot zu holen – auch solche, die dem digitalen Lernen skeptisch gegenüberstehen –, empfehlen Spang, Larbig und ihre Chat-Kollegen, transparent und offen mit ihnen zu kommunizieren, das dahinter stehende pädagogische Konzept zu erklären und die Eltern auch mal in eine Unterrichtsstunde einzuladen.
Aber nicht nur bei manchen Eltern ist Überzeugungsarbeit gefragt, auch in den Lehrerkollegien gibt es immer Pädagoginnen oder Pädagogen, die sich gegen digitales Lernen in ihrem Unterricht sträuben. Sich nicht auf die Skeptiker zu stürzen, sondern gelassen mit begeisterten Kollegen anzufangen, das ist ein Weg, den die Lehrer/-innen im Chat von Spang und Larbig empfehlen. Auch eine Möglichkeit: Materialen für digitales Lernen zu erarbeiten und in einer für die Kollegen offen zugänglichen Plattform bereitzustellen, um so den Einstieg zu erleichtern und neugierig zu machen.
Apps können im Lehreralltag auch außerhalb der Schule helfen
Dabei nutzen digitalbegeisterte Lehrer das Netz nicht nur für den Unterricht, sondern auch in ihrer eigenen Arbeitsorganisation und Unterrichtsvorbereitung. Viele Apps helfen dabei. Auch die Vernetzung mit den Kollegen – in der eigenen Schule oder außerhalb – ist digital gut möglich.
Doch ob Vokabelnlernen, Matheprüfung, Unterrichtsvorbereitung oder Kollegenchat: „Die Fallstricke wären, wenn Geld einfach ausgeschüttet würde und irgendwelche Menschen irgendwelche Geräte in die Hand bekommen, das aber nicht eingebettet ist in eine pädagogisch vernünftige Gesamtstrategie.“ So bringt es Nordrhein-Westfalens Kultusministerin Silvia Löhrmann von den Grünen anlässlich der Verhandlungen zum Digitalpakt auf den Punkt.
Fortbildungstipp
Digitale Medien – Entwicklung pädagogischer Leitplanken für Ihre Schule (SchiLf)
Viele Lehrkräfte setzen individuell ihre privaten Tablets und Smartphones zur Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung aber auch zur Kommunikation u.a. mit Schülerinnen und Schülern ein. Oft fehlt dabei eine systematische Medienerziehung an den Schulen.
Classroom Management in Zeiten der Digitalität
Erfahren Sie in diesem Vortrag, wie Lehrkräfte durch situative Beobachtung gezielt in ihren Unterricht intervenieren, um Schüler*innen beim fokussierten Lernen mit digitalen Endgeräten aktiv zu unterstützen.