Sprachsensibilität
Projekt: Kriterienkatalog zur Prüfung von Unterrichtsmaterialien
Sprachsensibilität wird im Kontext von Unterricht und Unterrichtsmaterialien verstanden als übergeordnete Kategorie und als Qualitätsmerkmal eines pädagogischen Unterrichts- und Lehrwerkskonzepts, um die kommunikative Teilhabe aller Lernenden am Unterricht zu sichern.
Begriffsdefinition
Der Begriff Sprachsensibilität (auch "Sprachbewusstheit" bzw. "language awareness") ist zwar weit verbreitet, aber nicht eindeutig definiert. Die Bedeutung von Sprachsensibilität ist jedoch unumstritten und erfährt derzeit in allgemein-, aber auch sonder-, berufspädagogischen sowie therapeutischen Forschungs- und Arbeitsfeldern zunehmend Aufmerksamkeit.
Konsens ist, dass dieser Begriff die Bereitschaft und Fähigkeit einer Person umfasst, sich aus einer nur inhaltlichen Sichtweise [auf Schrift und Sprache] zu lösen und die Aufmerksamkeit auf sprachliche Erscheinungen als solche zu richten (Andresen/Funke 2006; Budde 2012).
Sprachsensibilität wird im Kontext von Unterricht und Unterrichtsmaterialien verstanden als übergeordnete Kategorie und als Qualitätsmerkmal eines pädagogischen (Unterrichts- bzw. Lehrwerks-) Konzepts, um die kommunikative Teilhabe aller Lernenden am Unterricht zu sichern und deren individuelle kommunikative Kompetenz zu fördern.
Sprachsensible Unterrichtsmaterialien
Sprachsensible Unterrichtsmaterialien unterstützen die Gestaltung konkreter Lehr- und Lernsituationen, um die kommunikative Teilhabe gerade von Schülerinnen und Schülern mit gravierenden Lern- und Sprachproblemen am Unterricht zu sichern resp. zu ermöglichen. In den Fokus genommen werden hier alle leistungsschwächeren Lernenden, vor allem aber Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf "Lernen" und/oder sonderpädagogischem Förderbedarf "Sprache" sowie Deutsch als Zweitsprache (DaZ).
Sprachsensible Unterrichtsmaterialien enthalten für die genannten Gruppen von Lernenden sprachlich angemessene Lernarrangements, um fachbezogenes sprachliches Lernen sowie sprachbezogenes Fachhandeln zu unterstützen.
Unterrichtsmaterialien erfüllen eine Doppelfunktion: einerseits dienen sie u.a. als Wissensspeicher, andererseits werden sie in ganz verschiedenen Sozial-, Kommunikations- und Arbeitsformen eingesetzt, um kommunikatives Handeln resp. Sprachhandeln anzuregen. In diesen "Sprachraum auf Zeit" (Möckel 1999) fließen die individuellen kommunikativen Kompetenzen der beteiligten Personen ein. Ob jemand "kommunikativ kompetent" ist, hängt davon ab, ob er/sie auf sein/ihr Fähigkeitsrepertoire zugreifen kann und will und dies in der aktuellen (oft unplanbaren) sozialen Situation angemessenen, flexibel und effizient umsetzt (Efing 2014).
Aus diesem zugrunde gelegten, mehrdimensionalen Konstrukt kommunikativer Kompetenzen (Efing 2014) sind zwei Ebenen für die Analyse von Lehrwerken relevant:
- Sprachsystemkompetenz, die morphologisch-syntaktische sowie lexikalisch-semantische Aspekte auf Wort- und Satzebene umfasst.
- Text-, Diskurs- und Strukturierungskompetenz, die die Strategien zur Texterschließung und -produktion erfasst.
Beide Kompetenzebenen werden mit Blick auf (die Kriterien) Erschließungs- und Produktionsstrategien sowie auf Merkmale der Textgestaltung hin analysiert (vgl. Abbildung 1). Operationalisiert werden diese über eine 10-Felder-Matrix mit insgesamt 56 Items. Der hohe Grad an Ausdifferenzierung begründet sich nicht zuletzt mit der Heterogenität der avisierten Schülerschaft.
Die "Erschließungs- und Produktionsstrategien" werden auf der morphologisch-syntaktischen, semantisch-lexikalischen sowie Text-, Diskurs- und Strukturierungsebene jeweils auf der Wort-, Satz- und Textebene analysiert. Die entsprechenden didaktischen Interventionen (vgl. Glossar/Methodenhandbuch) intendieren auf den Kompetenzaufbau resp. auf die Sprachproduktion.
Die "Textgestaltung" wiederum wird unterteilt in die Bereiche der sprachlichen sowie multicodalen Gestaltung. Analysiert werden morphologisch-syntaktischen sowie semantisch-lexikalischen als auch Strukturierungsaspekte. Damit fokussiert dieses Kriterium vorrangig auf die Sprachrezeption und entsprechende didaktische Ideen auf kompensatorische sowie additive Maßnahmen zur Erweiterung, Ergänzung vorhandener Kompetenzen.
Für die Analyse von Lehrwerken wird von einem weit gefassten Textbegriff ausgegangen. Ein "Text" ist eine in sich thematisch und konzeptuell geschlossene Einheit mit erkennbarer kommunikativer Funktion. Dies kann sowohl ein Sachtext, eine Definition, eine Instruktion, ein Arbeitsauftrag oder eine Aufgabe, aber auch eine thematisch geschlossene Darstellung eines Sachverhaltes als multicodaler Text, d.h. eine Kombination von Schrift, Symbolen und Bildern sein.
Literatur
Andresen, H. & Funke, R. (2006). Entwicklung sprachlichen Wissens und sprachlicher Bewusstheit. In Bredel, U. et al. (Hrsg.) (2006). Didaktik der deutschen Sprache. Bd. I. S. 438–451. Paderborn: Schöningh UTB.
Budde, M. (2012). Über Sprache reflektieren Unterricht in sprachheterogenen Lerngruppen. Abrufbar unter: http://www.uni-kassel.de/upress/online/frei/978-3-86219-260-1.volltext.frei.pdf
Efing, C. (2014). Kommunikative Kompetenz. In: Grabowski, J. (Hrsg.): Sinn und Unsinn von Kompetenzen. Fähigkeitskonzepte im Bereich von Sprache, Medien und Kultur. Budrich, Opladen 2014, 93 – 113
Möckel, A. (1999). Analyse von Unterricht als Sprachhandlung. In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 3/99. Online unter: http://bidok.uibk.ac.at/library/beh3-99-analyse.html
Unsere Empfehlungen
Sprachsensible Unterrichtsmaterialien fokussieren auf die Gestaltung konkreter Lehr- und Lernsituationen und müssen primär die kommunikative Teilhabe gerade von Lernenden mit gravierenden Lern- und Sprachproblemen am Unterricht sichern resp. ermöglichen.
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