Unterricht gestalten / 29.12.2023

Wie das freie Sprechen im Fremdsprachenunterricht gelingt

Keine Ping-Pong Gespräche, viel Scaffolding und der Skills Folder

Eine Fremdsprache lernt man am besten dort, wo sie gesprochen wird und wo man sich in dieser Sprache verständigen muss. Die meisten Schülerinnen und Schüler jedoch lernen eine fremde Sprache in der Schule. Wie lässt sich dort dieses selbstverständliche Sprechen simulieren, wie können Schülerinnen und Schüler zum freien Sprechen motiviert werden? Das haben wir den Englischlehrer Martin Bastkowski gefragt, der unter anderem Autor der Cornelsen Reihe Talking Time ist.

Bild: Shutterstock.com/Anastassiya Bezhekeneva

Herr Bastkowski, wie motivieren Sie Ihre Schüler zum freien Sprechen im Englischunterricht?

Martin Bastkowski: Ein ganz wichtiger Punkt ist die Klassenatmosphäre. Wenn die Schülerinnen und Schüler sich wohlfühlen und wissen, dass sie Fehler im Lernprozess machen dürfen und ihnen auch bewusst gemacht wird, dass sie in dieser Lernphase überhaupt nicht perfekt sprechen können, ist bereits ein großer Schritt geschafft.
 

Aber das allein reicht wahrscheinlich nicht aus?

Martin Bastkowski: Nein, wichtig ist auch ein zweites Element, nämlich, dass ich als Lehrkraft authentisch im Englischen bleibe. Ich weiß, dass einige Lehrkräfte sagen, dass es bei manchen Lerngruppen unmöglich ist. Ich möchte dennoch gern den Appell legen, dass man mit sprachlicher Unterstützung und visualisierten Arbeitsanweisungen im Englischen viel erreichen kann und die Schülerinnen und Schüler spüren, dass automatisch ein Schalter umgedreht wird: Jetzt ist wirklich Englischunterricht und wir wechseln von der deutschen Sprache in die englische.

„Grundschullehrkräfte machen einen fantastischen Englischunterricht“

Und das passiert auch von der ersten Englischstunde an in der Sekundarstufe I? Das stelle ich mir etwas schwierig vor.

Martin Bastkowski: Die Lehrkräfte der Sek I profitieren enorm von den Grundlagen, die in der Grundschule gelegt worden sind. Direkt nach dem Übertritt aus der Grundschule in die Sek I – also in der Regel ab Klasse fünf – probiere ich so viele Elemente wie möglich des Grundschul-Englischs zu übernehmen. Das liegt auch daran, dass die Grundschullehrkräfte wirklich einen fantastischen Englischunterricht machen. Sie agieren mit so viel Euphorie und Begeisterung, spielerisch und motivierend die Fremdsprache beizubringen.


Und dann klappt es mit dem Sprechen?

Martin Bastkowski: Es kommt noch ein dritter Bereich hinzu, das Scaffolding. Das bedeutet, ich gebe den Schülerinnen und Schülern ein Sprachgerüst. Man kann nicht einfach den Lernenden den Auftrag geben, eine Präsentation zu halten, sondern man muss zunächst verschiedene Sprachgerüste zur Verfügung stellen. Einerseits sprachlich, zum Beispiel chunks, phrases, Satzanfänge und Wortfelder. Aber ich habe auch einige Schülerinnen und Schüler, die sprachlich fit sind, aber inhaltlich Probleme haben. Ihnen muss ich inhaltliche Ideen zur Verfügung stellen, also sogenannte tips to talk or write about. Es ist wichtig, Schülerinnen und Schüler gut vorzubereiten und ihnen die Angst vor dem Sprechen zu nehmen.  

Binnendifferenzierte Sprechanlässe

Die kompetenzorientierten Aufgaben versetzen Ihre Schüler/-innen in die Lage, die Fremdsprache auf präsentierende und dialogische Art anzuwenden. Mithilfe von motivierenden und authentischen Sprechanlässen entwickeln und vertreten sie dabei ihren eigenen Standpunkt. Zur Unterstützung stehen binnendifferenzierende Elemente bereit.

Monologisches Sprechen fördern

Dieses Kartenset bietet Ihnen die Möglichkeit, mit Ihren Schülerinnen und Schülern monologisches Sprechen zu trainieren. Die Schülerinnen und Schüler können mithilfe der Karten üben, spontan auf sprachliche Impulse zu reagieren und sich in der Zielsprache zu artikulieren:

Kann denn KI, also Künstliche Intelligenz, dabei eine Rolle spielen?

Martin Bastkowski: Auf jeden Fall! KI ist eine extreme und sehr wertvolle Unterstützung für mich als Lehrkraft, zum Beispiel für das dialogische Sprechen. Eine häufige Voraussetzung für die Einführung ins dialogische Sprechen ist, einen Modelltext zu nutzen, den ich mit den Schülerinnen und Schülern bearbeiten kann und bei dem wir gemeinsam schauen, welche sprachlichen Mittel typisch in einem Dialog sind. Und diese sprachlichen Grundlagen können die Schülerinnen und Schüler dann selbst in ihrem eigenen Dialog anwenden. Aber dafür brauche ich zunächst einmal einen passenden Modelltext. Hier ist die KI sehr hilfreich, da ich genau eingeben kann, welche Elemente benötigt werden, zum Beispiel einen Modelltext zum Thema Restaurant; den Text in Form eines Dialoges und auf der Niveaustufe A2. Außerdem sollten zwei Probleme vorkommen, zum Beispiel, dass das Essen nicht gut war und dass es zu lange gedauert hat. Damit generiere ich einen thematisch passenden Dialog als Modelltext, den ich natürlich immer noch verändern kann. KI entlastet hiermit die Vorbereitung für mich enorm, um das Sprechen zu fördern. Dies gilt auch für die Erstellung von Feedback-Rastern, um anschließend eine Rückmeldung zu den Dialogen geben zu können. 

Martin Bastkowski
Bild: Cornelsen/Elke Besen

Martin Bastkowski

KI ist eine extreme und sehr wertvolle Unterstützung für mich als Lehrkraft, zum Beispiel für das dialogische Sprechen.

Und was passiert dann mit diesem Dialog?

Martin Bastkowski: Diesen Modelltext mit dem Dialog stelle ich dann gemeinsam in der Lerngruppe vor. Je nach Klassenniveau kann ich ihn selbst vortragen oder auch mit stärkeren Schülerinnen und Schülern in verteilten Rollen. Damit die Lernenden jetzt tatsächlich neue Kompetenzen entwickeln, etwa Sprachbewusstheit, ist es entscheidend, dass sie in kleinen Gruppen mit diesem Dialog arbeiten und zum Beispiel alle relevanten Satzstrukturen unterstreichen, die typisch für eine Restaurant-Situation sind. Sie haben also eine sprachliche Vorgabe und können zunächst induktiv für sich ermitteln, welche chunks und phrases relevant für einen Dialog sind. Dies wird dann im nächsten Schritt in einen eigenen Dialog eingebaut. Wichtig ist aber, dass wir ganz bewusst zunächst inhaltlich und dann sprachlich mit dem Modelltext arbeiten. Das heißt: Erst rezeptiv und reproduktiv, bevor die Schülerinnen und Schüler dann den großen Schritt machen, selbst produktiv etwas zu erstellen.

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Die Schülerinnen und Schüler laden sich die ChatClass App kostenlos im App Store bzw. Play Store herunter und treten mittels eines im Lehrer-Dashboard generierten Codes der Klasse bei. Alternativ kann die App über Klick auf „Ohne Code ausprobieren“ auch von Ihnen ausprobiert werden.

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„Ich verlagere meine Aufgaben oft in Partner- oder Kleingruppen“

Wie integrieren Sie die Sprechanlässe in Ihren Unterricht?

Martin Bastkowski: Ich beginne meinen Unterricht immer mit Warm-Ups, um die Schülerinnen und Schüler abzuholen. Diese Warm-Ups sind etwas niedrigschwelliger, also immer etwas unter dem Niveau der Klasse, damit wirklich auch alle partizipieren können. Was ich bewusst vermeide, sind Ping-Pong-Szenarien, also eine Frage zu stellen und nur ein Schüler oder eine Schülerin antwortet. Stattdessen verlagere ich meine Aufgaben daher oft in Partner- oder Kleingruppen. Eine Bildbeschreibung zum Beispiel mache ich nie im Plenum, sondern die Schülerinnen und Schüler beschreiben sich zu zweit gegenseitig das Bild. Hausaufgabenvergleiche mache ich nicht ping-pong-mäßig am Anfang, sondern die Schülerinnen und Schüler stellen sich zunächst gegenseitig die Hausaufgaben vor. Kurzum: Ich lagere also den Sprechakt immer erst aus, damit die Schülerinnen und Schüler wirklich Zeit haben, ein Konzept zu entwickeln und ich vor allem so viele Lernende wie möglich zeitgleich involviere und diese partizipieren. Und wenn sie dann den Mut gefasst haben und von den anderen die Bestätigung bekommen, „Ja, es ist richtig“, können sie im Anschluss ihre Arbeit im Plenum präsentieren.
 

Zum Schluss noch einmal kurz zusammengefasst: Was können Sie Lehrkräften empfehlen, die ihre Schülerinnen und Schüler zum freien Sprechen motivieren wollen?

Martin Bastkowski: Meine Lieblingsempfehlung ist, einen Skills Folder anzulegen, also Übersichten, von denen ich weiß, dass wir diese ständig im Unterricht brauchen. Dann kann ich jederzeit sagen: „Wir brauchen den Skills Folder und daraus die Elemente zum Thema Bildbeschreibung.“ Ich habe für meine Schülerinnen und Schüler eine Four-Step Picture Description erstellt, also vier Schritte, um ein Bild zu beschreiben - das finden Sie auch in meinen Talking Time Heften. Wann immer wir jetzt im Unterricht Bilder beschreiben, können die Schülerinnen und Schüler sofort in ihrem Skills Folder nachschlagen und finden dort die vier Schritte als Grundlage. Das Gleiche gilt für Diskussionen. Hier habe ich ein Poster entwickelt mit verschiedenen Satzanfängen und Chunks und Phrases, also zum Beispiel „I disagree“ oder „I take a different point of view“. Weitere Beispiele sind How to give a presentation, How to work in groups oder How to give Feedback. Die SchülerInnen haben damit immer Scaffolding, also Sprachgerüste an der Hand, und vor allem das Gefühl, gleich mit einer Aufgabe anfangen zu können. Aber vor allem steigert sich die Qualität, weil sie diese sprachlichen Mittel bewusst verwenden. Kurzum zum freien Sprechen: Keine Ping-Pong-Gespräche, viel Scaffolding, Einsprachigkeit im Unterricht und in jeder Stunde zahlreiche Phasen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler miteinander austauschen können.

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Zur Person

Martin Bastkowski ist Lehrer für die Jahrgänge 5-13, Fachbereichsleiter für Fremdsprachen sowie stellvertretender Schulzweigleiter Sek I (Kollegiale Schulleitung) an der KGS Ernst-Reuter-Schule in Pattensen (Niedersachsen).

Zudem arbeitet er als Lehrbeauftragter in der Fachdidaktik Englisch an der Universität Hildesheim und an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Darüber hinaus ist er bundesweit als Fortbildungsreferent im Bereich Fachdidaktik Englisch aktiv und bei verschiedenen Lehrwerken, Unterrichtsmaterialien und Fachzeitschriften als Fach- und Lehrwerksautor, Lehrwerksberater sowie Mitherausgeber tätig. Website: https://www.bastkowski.de

Fortbildungstipp der Cornelsen Akademie

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