Spätestens seit dem sogenannten „Brandbrief“, den Lehrerinnen und Lehrer der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln im Jahr 2006 veröffentlichten, hat Gewalt an Schulen eine neue Öffentlichkeit bekommen. Doch wie weit ist Gewalt an Schulen heute tatsächlich verbreitet und was sind die Ursachen dafür? Was sind die ersten Signale und was können Lehrkräfte und Eltern als Gewaltprävention dagegen tun?
Schulische Gewalt kann sich in physischer und psychischer Form äußern – sowohl zwischen Schülerinnen und Schülern als auch zwischen Lernenden und Lehrenden. Psychische Gewalt manifestiert sich i. d. R. als Mobbing. Hierbei werden Schülerinnen und Schüler regelmäßig von einzelnen oder mehreren Mitschülerinnen und -schülern über einen längeren Zeitraum schikaniert. Die betroffene Person wird gehänselt, ausgeschlossen, erpresst oder beleidigt. Das Verbreiten von Gerüchten, Unwahrheiten oder Fotos über soziale Netzwerke stellt ebenfalls eine Form psychischer Gewalt dar. Physisch findet Gewalt unter Schülerinnen und Schülern zumeist durch körperliche Attacken statt. Auch Diebstahl oder das Zerstören von privaten Gegenständen zählen hierzu.
Bereits im Jahr 2003 hat das Bundeskriminalamt eine Studie mit dem Titel „Aggression und Delinquenz unter Jugendlichen“ durchgeführt. Insgesamt wurden dabei mehr als 1.100 Jugendliche der siebten und achten Klassen befragt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Mädchen generell weniger aggressives Verhalten aufweisen und auch seltener Opfer von Gewalt werden. Fast ein Drittel der befragten Jungen wurde hingegen in den letzten sechs Monaten von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern körperlich drangsaliert. Die Gruppe der Bullies, d. h. Kinder oder Jugendliche, die ihre Altersgenossen attackieren, liegt bei rund 5 %. Die Studie zeigt ebenfalls, dass das Aggressionspotenzial an Hauptschulen generell minimal höher liegt, als an anderen Schulen.
Wie entsteht körperliche Gewalt unter Schülerinnen und Schülern und was sind die Ursachen?
Für körperliche Gewalt an Schulen gibt es verschiedene Ursachen. So können beispielsweise erlebte aggressive Verhaltensmuster – z. B. aus dem familiären Umfeld – dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler dieses Verhalten ebenfalls an den Tag legen. Auch kann eine Cliquenbildung die Gewaltbereitschaft steigern, da in einer Gruppe generell die Hemmschwelle sinkt. Ein entsprechender Freundeskreis außerhalb des Schulkosmos‘ kann darüber hinaus dazu beitragen, dass körperliche Gewalt als ein adäquates Mittel zur Konfliktlösung angesehen wird.
Was sind mögliche Alarmsignale für körperliche Gewalt?
Schülerinnen und Schüler, die Opfer von physischer Gewalt an Schulen geworden sind, lassen sich oftmals bereits durch äußere Anzeichen und Verhaltensweisen erkennen. Blaue Flecken können dabei ebenso ein Zeichen sein wie der Ausschluss aus der eigenen Peergroup oder die Neigung, sich hauptsächlich in der Nähe der Lehrkraft aufzuhalten. Ängstlichkeit, Unsicherheit oder schlechter werdende Schulleistungen lassen sich ebenfalls als Alarmsignale lesen.
Auch körperliche Beschwerden durch psychosomatische Auslöser können ein Indiz für Gewalt und Schikane sein:
- Bauchschmerzen
- Kopfschmerzen
- Durchfall
- Hautausschlag
- Depressionen
- Schlaflosigkeit
Schulleitung und Lehrkräfte können gemeinsam Konzepte zur Gewaltprävention entwickeln und bestimmte Regeln aufstellen. Möglich ist hier auch die Unterstützung durch Psychologen oder Coaches. Durch die Hilfe externer Fachleute können Schülerinnen und Schüler gezielt gefördert werden, um sich selbst vor Gewalttaten zu schützen und ihr Selbstbewusstsein zu steigern.
An weiteren Konzepten können die Schüler/-innen direkt beteiligt werden, etwa durch einen Klassenvertrag, welcher das Verhalten einer Klasse beschreibt. Hier können mit der gesamten Klasse Bedürfnisse formuliert werden, unter welchen sozialen Umständen sie sich in der Schule wohlfühlen – und unter welchen nicht. Generell ist es hilfreich, dass sich sämtliche Maßnahmen an alle Schülerinnen und Schüler richten und nicht nur an Täter/-innen oder Opfer.
An einigen Schulen werden Schülerinnen und Schüler freiwillig als Streitschlichter ausgebildet. Durch diese Art von Mediation können Konflikte unter den Lernenden konstruktiv gelöst werden. Großer Vorteil einer solchen Methode: Altersgenossen haben es oftmals leichter, die Probleme ihrer Mitschüler/-innen nachzuvollziehen und sich gegenseitig anzuvertrauen.
Nach gewalttätigen Konflikten ist es – immer abhängig vom Ausmaß – zudem hilfreich, nicht zu schnell zur normalen Schulroutine zurückzukehren. Speziell dafür eingeplante Zeiten, um über die traumatischen Ereignisse zu sprechen, helfen den Schülerinnen und Schülern dabei, wieder in die Normalität zurückzufinden.
Darüber hinaus bietet es sich an, die betroffenen Eltern einzuladen, um über traumatische Erlebnisse, Reaktionen der Kinder und mögliche Hilfestellungen zu sprechen.
Eltern sollten zunächst aktiv das Verhalten ihres Kindes beobachten. Blaue Flecken, fehlende Gegenstände, Angst vor der Schule oder schlechter werdende Noten können Anzeichen von Gewalteinwirkung sein. Hier einfühlsam und umsichtig das Gespräch mit dem eigenen Kind zu suchen, ist in der Regel der erste Schritt.
Ebenso ist der Austausch mit den verantwortlichen Lehrerinnen und Lehrern eine sinnvolle Strategie, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Auch privat können Eltern ihre Kinder von externen Fachleuten und Coaches dabei unterstützen lassen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken – etwa durch einen Selbstverteidigungskurs und eine wertschätzende häusliche Erziehung.