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Differenzieren & Fördern / 22.06.2018

DaZ im Fachunterricht: Sprung ins kalte Wasser

So können Sie DaZ-Lernenden den Übergang in die Regelklasse erleichtern

Egal wie gut sie im Alltag schon mit der deutschen Sprache umgehen können, der Wechsel in den Regelunterricht stellt Schüler/-innen, die Deutsch als Zweitsprache (DaZ) lernen, vor ganz neue Herausforderungen. In Biologie, Mathe, Physik und anderen Fächern können Lehrkräfte ihnen aber wirkungsvoll mit Wortgeländern, beschrifteten Abbildungen und anderen Kniffen helfen.

Schülerin meldet sich im Klassenzimmer
Bild: Shutterstock.com/Drazen Zigic

Sie wissen, wie man auf Deutsch nach dem richtigen Bus fragt. Wie man sich über Herkunft und Hobbys austauscht, wie man Äpfel und Erdbeeren kauft und vielleicht auch, wie man vom Krieg erzählt. In rund einem Jahr haben die meisten DaZ-Schüler/-innen so viel gelernt, dass sie ihren Alltag hierzulande richtig gut meistern. Und nun kommt so etwas auf sie zu: „Die Masse eines homogenen Stoffes ist zu seinem Volumen direkt proportional. Die Dichte eines Stoffes ist der Quotient aus der Masse und dem zugehörigen Volumen eines homogenen Körpers.“ Physik. Gar nicht mal besonders schwer, aber nur mit dem Grundwortschatz im Rucksack kaum zu verstehen. Oder: „Die Schmelz- und Verdampfungswärme von Wasser und seine spezifische Wärmekapazität sind viel größer als bei anderen Stoffen.“ Verständlich, wenn da selbst hochmotivierte Schüler/-innen der Frust packt.

Yurdakul Cakir-Dikkaya
Bild: Gestaltung der Icons: Stan Hema, Berlin 2017/2018

Yurdakul Cakir-Dikkaya

Ich höre von vielen Lehrkräften, dass die DaZ-Schüler/-innen im Fachunterricht zu Zaungästen werden.

Prima ankommen im Fachunterricht

„Nach meist nur einem Jahr in einer Willkommens- oder Vorbereitungsklasse müssen Schüler/-innen, die ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu uns gekommen sind, in den Regelunterricht wechseln. Insbesondere in Fächern wie Physik, Biologie und Mathe stehen sie dann vor großen sprachlichen Herausforderungen. Aber auch in Geschichte oder Erdkunde ist es angesichts des besonderen Wortschatzes und der Satzstrukturen schwierig, den Einstieg zu packen und den Anschluss an die Mitschüler nicht zu verlieren.“

„Ich höre von vielen Lehrkräften, dass die DaZ-Schüler/-innen im Fachunterricht zu Zaungästen werden. Sie wohnen dem Unterricht bei, verfolgen das Geschehen, bleiben aber still und unbeteiligt in einer Ecke sitzen“, sagt Yurdakul Cakir-Dikkaya. Die Oberstudienrätin im Hochschuldienst unterrichtet an der Universität Duisburg-Essen im Bereich Germanistik/Linguistik, berät den Cornelsen Verlag zu DaZ-Themen. Und sie ist Herausgeberin der Cornelsen-Lehrwerkreihe Prima ankommen im Fachunterricht, die genau für diese wichtige Phase an der Schwelle zum Regelunterricht konzipiert wurde.

Vokabeln zu lernen reicht nicht

Cakir-Dikkaya hat den Übergang aus der Vorbereitungs- in die Regelklasse selbst erlebt. Sie kam als Gastarbeiterkind mit ihren Eltern aus der Türkei nach Deutschland und lernte die ersten vier Jahre in der Grundschule in Vorbereitungsklassen, unterrichtet vor allem von Lehrerinnen und Lehrern aus der alten Heimat. „Als ich dann in die fünfte Klasse einer Hauptschule wechselte, hatte ich zwar alle kommunikativen Fähigkeiten, die ich für den Alltag brauchte, aber in den Sachfächern habe ich anfangs nicht mal die Zusammenhänge verstanden“, erzählt sie. „Und es reicht einfach nicht, nur die Vokabeln aufzuschnappen und zu lernen.“ Fachtexte zu lesen, zu verstehen und zu schreiben sei eine der größten Hürden, ist Cakir-Dikkaya überzeugt. 

Für Schülerinnen und Schüler, die mit arabischen oder anderen Schriftzeichen aufgewachsen sind und in Deutschland erst das lateinische Alphabet lernen müssen, ist diese Hürde doppelt so hoch. „Wer sich in Fachtexten von Wort zu Wort hangelt, kann kaum den Inhalt des Textes oder gar den Sinn eines Satzes erfassen. Denn wenn er am Ende des Satzes angelangt ist, hat er schon den Anfang vergessen“, sagt sie.

Ganz wichtig für DaZ-Schüler/-innen: sorgsame Textarbeit

Den Schlüssel für ein gutes Mitkommen in Physik, Mathe und Co. sieht Cakir-Dikkaya deshalb in einer sorgsamen Textarbeit mit verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen in den einzelnen Lesephasen. Fachlehrer/-innen, die vor dem Einsatz eines Textes das Vorwissen aktivieren bzw. aufbauen, helfen ihren Schülerinnen und Schülern beim Leseverstehen. So eine Hinführung zum Text oder auch zu einem neuen Thema kann beispielsweise dadurch geschehen, dass man den DaZ-Schülerinnen und Schülern eine oder mehrere Abbildungen in die Hand gibt, auf denen der relevante Wortschatz präsentiert und eingeordnet wird. Wenn die Schüler/-innen sich die Zeit nehmen können, sich damit zu beschäftigen und die Abbildung eigenständig zu beschriften, helfe dies ihrem inhaltlichen Verständnis und ihrer sprachlichen Entwicklung sehr auf die Sprünge, sagt Cakir-Dikkaya.

Texte, die die wesentlichen Aspekte des Themas auf einfachem sprachlichen Niveau zusammenfassen, ohne die relevanten Vokabeln und fachspezifischen Wendungen außer Acht zu lassen, seien ebenfalls eine große Stütze. Diese Ansätze hat die Germanistin auch als Herausgeberin der Cornelsen-Fachbuchreihe verfolgt.

Motivieren und Lernerfolge würdigen

Fachlehrer haben oft nur zwei, drei DaZ-Schüler/-innen in ihren Klassen. Besondere Aufmerksamkeit können sie ihnen im Schulalltag also kaum widmen, ohne die übrigen Schüler/-innen zu langweilen. Deshalb kommt es vor allem darauf an, die Motivation der DaZ-Schüler/-innen zu wecken, Lernerfolge zu würdigen und immer wieder den Einstieg in Themen zu erleichtern. Schließlich lastet gerade auf jenen Schülerinnen und Schülern die größte Last, die neben allen anderen schulischen Aufgaben auch noch in Eigenregie ihr sprachliches Niveau verbessern müssen. Sich im Kollegium auszutauschen und unterstützende Materialien wie Wortschatz-Abbildungen und Lerntexte zu teilen, hilft Fachlehrkräften dabei, ihren Arbeitsaufwand einzugrenzen.
 

Für eine gelungene sprachliche Weiterentwicklung im Sachunterricht spielt die mündliche Beteiligung eine wichtige Rolle. Wenn man als Schüler/-in die Sprache nicht beherrscht, die Inhalte noch nicht voll durchdrungen hat und Mitschüler um kesse Sprüche nicht verlegen sind, ist die Angst, sich zu blamieren, immer da. Fachlehrer/-innen können es ihren DaZ-Schülerinnen und Schülern leichter machen, sich auch mündlich einzubringen – mit sogenannten Geländern, wie sie insbesondere in der Fremdsprachendidaktik bezeichnet werden. Vorgegebene Satzbausteine, die charakteristisch für das jeweilige Thema sind und immer wiederkehren, helfen den Schülern enorm. Zum Beispiel beim Thema Magnetismus: „X wird vom Magneten angezogen, Y wird vom Magneten abgestoßen“ – darauf aufbauend kann die Schülerin/der Schüler das Richtige ergänzen.

„Mit ein wenig Sprachanalyse, das heißt, sich zu überlegen, welche sprachlichen Strukturen in der jeweiligen Stunde relevant sind, lässt sich so viel erreichen – ohne dass es die Lehrer/-innen viel Zeit und Mühe kostet“, resümiert Cakir-Dikkaya.

Sechs Empfehlungen für das Lehren von DaZ im Fachunterricht

1. Die Perspektive wechseln
Versetzen Sie sich in die Rolle Ihrer DaZ-Schüler/-innen: Überlegen Sie sich, wie Sie zum Beispiel ein Experiment zum Magnetismus in Englisch, Französisch oder in einer anderen Fremdsprache, die Sie einigermaßen beherrschen, beschreiben würden. Oder wie Sie die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges zusammenfassen oder die Arbeitsweise des Bundestages erklären würden. Nicht so einfach? Genau so fühlen sich Ihre Schüler/-innen. Über welche Unterstützung würden Sie sich freuen? Genau das ist vielleicht auch das Richtige für Ihre DaZ-Schüler/-innen.

2. Den Stoff gut gliedern
Brechen Sie das Thema auf und bilden Sie überschaubare Abschnitte. Stellen Sie sich zum Vergleich einen langen, anspruchsvollen Text vor: ihn in kleine "Päckchen" zu gliedern, kann das Verstehen deutlich erleichtern. Geben Sie Ihren Unterrichtsabschnitten sinnvolle Überschriften – ähnlich den Zwischenüberschriften in einem Text. Stellen Sie alles so konkret und anschaulich wie möglich dar.

3. Die sprachlichen Anforderungen langsam steigern
Fangen Sie einfach an und steigern Sie dann die sprachlichen Schwierigkeiten sukzessive. Steht beispielsweise in Physik, Biologie oder Chemie ein Experiment bevor, gehen Sie schrittweise vor: Lassen Sie die Schüler/-innen beim Experimentieren locker erzählen, was sie machen. Das kann bruchstückhaft und unvollständig sein, aber es trainiert den Wortschatz, das Bilden von Sätzen und das Sprechen. Reden Sie dann mit den Schülerinnen und Schülern über das Experiment oder lassen Sie die Schüler sich in Partnerarbeit darüber austauschen. Das übt Fachbegriffe ein, die Sätze werden anspruchsvoller und Zusammenhänge klarer. Machen Sie eine Schreibübung. Die Schüler/-innen müssen jetzt ganze Sätze bilden und ihren Text konzipieren. Geben Sie eine Leseaufgabe. Einen Schulbuchtext in der jeweiligen Fachsprache zu lesen, führt das Gelernte nochmals vor Augen und sollte den Schülern jetzt nicht mehr schwerfallen.

4. Den Wortschatz präsentieren
Es gibt viele Ideen, um den für das aktuelle Thema relevanten Wortschatz interessant und abwechslungsreich zu präsentieren und den DaZ-Schülern so den Einstieg wesentlich zu erleichtern. Lassen Sie Ihre Kreativität spielen: Sie können mit Clustern arbeiten, Mindmaps zeichnen und schreiben – oder auch spielerisch herangehen. Zum Beispiel mit einem Memory-Spiel mit Wort-Bild-Paaren, mit Worträtseln und Lückentexten oder -bildern.

5. Die richtigen Fragen stellen
Fragen zum Verständnis spielen laut Sprachforschern eine wichtige Rolle für das Textverständnis und den weiteren Lernprozess. Bauen Sie deshalb regelmäßig Fragen in Ihren Unterricht ein, die Ihren Schülerinnen und Schülern helfen, das Gelernte zu reflektieren, es in eigenen Worten wiederzugeben, Verständnislücken zu entdecken und sich alles Relevante einzuprägen.

6. Zum Mitreden ermuntern
Wenn sich die DaZ-Schüler/-innen zu Wort melden, gehen Sie sensibel damit um. Wenn nicht alles richtig ist, streichen Sie das Positive heraus, statt auf den Fehlern herumzureiten. Arbeiten Sie mit den richtigen Aussagen weiter und bauen Sie konstruktiv darauf auf. Wenn Sie Wortschatz und Grammatik korrigieren, tun Sie dies vorsichtig und wertschätzend. Nutzen Sie Fragen, um die Schüler/-innen weiter zu motivieren: zum Beispiel: „Habe ich dich richtig verstanden?“, oder: „Kannst du uns das genauer erklären?“.

Finden Sie hier einen Erfahrungsbericht zum DaZ-Unterricht.

Deutsch als Zweitsprache (DaZ) 

Sprache vereint Menschen und Kulturen. Als Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) finden Sie hier passende Lösungen, Lehrwerke und Materialien für eine erfolgreiche Sprachvermittlung.

Fortbildungen der Cornelsen Akademie 

Flüchtlingskinder unterrichten – Erst die Freude, dann das Lernen! (SchiLf)
Sie erleben selbst, wie neue freudige FLOW-Erlebnisse ein „Warm-up“ schaffen und die Kinder Ihre Angst durch positive Erfahrungen im Gehirn überschreiben. In Übungssequenzen erfahren Sie, wie Sie einen Zugang zu diesen Kindern finden, der es Ihnen ermöglicht, Ihre „eigentliche“ Arbeit zu verrichten.  

Lernprozesse effektiv gestalten: Individualisieren im Unterricht (SchiLf)
Sie lernen, wie Sie Ihre Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen und ihn selbst zu gestalten.

Förderung von Wortschatz & Leseverstehen im sprachsensiblen Fachunterricht
In diesem Live-Online-Seminars stehen neben Merkmalen schulischer Fachsprache sog. Schlüsselworttabellen im Mittelpunkt. Darüber hinaus lernen Sie unterschiedliche methodische Möglichkeiten zum Auf- und Ausbau des rezeptiven und produktiven Alltags- und Bildungswortschatzes kennen.

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