Lernentwicklungsgespräche erfolgreich umsetzen
5 Tipps für das Vorbereiten, Durchführen und Umsetzen der Gespräche
Wie komme ich mit Grundschulkindern ins Gespräch über ihr Lernen? Wie finde ich geeignete Ziele? Und wie arbeite ich damit weiter? Auf diese und andere Fragen finden Sie in diesem Beitrag Antworten. Die Checklisten (Kopiervorlagen) unterstützen Sie bei den Vorbereitungen kommender Lernentwicklungsgespräche.
Was ist ein Lernentwicklungsgespräch und wozu dient es?
Lernentwicklungsgespräche (LEG) – Gespräche der Lehrkraft mit dem Kind im Beisein der Erziehungsberechtigten – werden als Instrument der Lernförderung in Grundschulen immer beliebter. Beim LEG handelt es sich um ein strukturiertes, individuelles Gespräch zwischen Lehrkraft, Eltern oder Erziehungsberechtigten und dem jeweiligen Kind. In ca. 30 bis 45 Minuten werden die schulische Leistung und die persönliche Entwicklung des Kindes besprochen. Die Beteiligten erfassen gemeinsam den Ist-Zustand und vereinbaren Ziele, um das Kind auf seinem Bildungsweg zu fördern. Dabei steht nicht die Notengebung im Vordergrund, sondern vor allem die individuelle Entwicklung des Kindes.
Wie LEG inhaltlich geplant und gestaltet werden, ist bisher jeder Schule oder Lehrkraft freigestellt. Im Folgenden finden Sie nützliche Hinweise für die drei großen Phasen, aus denen LEG im Wesentlichen bestehen:
- die Vorbereitung des Gesprächs,
- das Gespräch selbst und
- die Weiterarbeit mit vereinbarten Zielen.
Einen Überblick darüber, was im Vorfeld der LEG alles zu bedenken und vorzubereiten ist, gibt die Checkliste auf der beigefügten Kopiervorlage. Die ersten beiden Tipps für lernunterstützende LEG beziehen sich auf die Phase vor dem eigentlichen Gespräch, die nächsten beiden auf die konkrete Gesprächssituation und der letzte Tipp nimmt die Weiterarbeit mit den Zielen in den Blick. Hier können Sie sich die Kopiervorlage kostenlos herunterladen:
Tipp 1: Bereiten Sie die Lernentwicklungsgespräche im Unterricht gut vor
Eine der zentralen Ideen von LEG ist es, dass die Schulkinder ermuntert werden, über ihr Lernen selbst nachzudenken und über ihre Selbsteinschätzung mit der Lehrperson ins Gespräch zu kommen. Sie können sich in dem Gespräch zum einen mitteilen und zum anderen ihre eigene Einschätzung mit der Einschätzung der Lehrkraft vergleichen. Damit LEG gelingen, ist es wichtig, dass die Lernenden es gewohnt sind, über ihr Lernen nachzudenken und dieses einzuschätzen – und das nicht erst kurz vor oder im LEG. Daher ist es ratsam, von Beginn des Schuljahres an die Selbstreflexionsfähigkeit der Kinder (weiter) zu entwickeln. Möglichkeiten dazu sind z. B.
- kurze Daumenabfragen am Ende einer Unterrichtseinheit,
- regelmäßige Impulse, mit denen Aufgaben beziehungsweise deren Bearbeitung eingeschätzt werden,
- ein Lerntagebuch.
Es empfiehlt sich, bei diesen Einschätzungen genau die Symbole oder Kategorien zu verwenden, die dann auch im LEG (in Einschätzungsbögen oder in zusätzlichem, gesprächsunterstützendem Material) verwendet werden. Des Weiteren sollten die Kinder nicht nur angeleitet werden, ihren Lernstand einzuschätzen, sondern immer wieder auch einen Fokus auf die bereits gemachte Lernentwicklung zu legen. Dies ist nicht nur eine gute Vorbereitung auf die LEG, sondern hilft im Normalfall gerade auch leistungsschwächeren Kindern zu sehen, dass auch sie Fortschritte gemacht haben.
Auch können bereits im „normalen“ Unterricht aus diesen Reflexionen kleine Ziele für das weitere Lernen vereinbart werden, sei es auf Klassen- oder auch auf Individualebene. Somit sind die Lernenden nicht nur gut auf das Ausfüllen von Einschätzungsbögen, Lernlandkarten und Ähnlichem vorbereitet, sondern auch auf das konkrete Gespräch über ihr Lernen.
Tipp 2: Überprüfen Sie Ihre Einschätzungsbögen mithilfe einer geeigneten Checkliste
In der Regel füllen sowohl die Lehrkräfte als auch die Schulkinder einen solchen Einschätzungsbogen aus. Es empfiehlt sich dabei sehr, diese beiden Bögen möglichst ähnlich zu halten, damit ein Vergleich der Einschätzungen ermöglicht bzw. erleichtert wird. Zusätzlich gilt es, weitere Kriterien (siehe KV 2) zu beachten – sowohl auf der formalen als auch auf der inhaltlichen Seite. Formal ist es beispielsweise wichtig, dass die einzuschätzenden Aussagen eindeutig, klar, knapp und in einfacher Sprache formuliert sind. Zu vermeiden ist zudem der – in vielen Einschätzungsbögen zu findende – Fehler, dass in einer Aussage mehr als eine Kompetenz erfasst wird. Bei der Wahl der Einschätzungsskala ist zu berücksichtigen, dass die verwendeten Symbole und Antwortmöglichkeiten klar und eindeutig sind – und auch, dass sie zu den einzelnen Aussagen passen.
Smileys beispielsweise transportieren in erster Linie Emotionen und sind dann geeignet, wenn es um Freude und Interesse an Inhalten oder Fächern geht – wenig geeignet sind sie, um einen Lernstand oder eine Lernentwicklung zu markieren. Auf der inhaltlichen Ebene ist unbedingt darauf zu achten, dass nicht nur der aktuelle Lernstand, sondern auch die Lernentwicklung berücksichtigt wird.
Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung an der Universität Augsburg wurde deutlich, dass die meisten Lernentwicklungsgespräche eher Lernstandsgespräche sind. Dies zeigt sich bereits in den Einschätzungsbögen, in denen die Lernentwicklung nahezu keine Rolle spielt. Günstig ist es daher, wenn die Kinder bereits im Einschätzungsbogen ermutigt werden, sich Ideen für mögliche Ziele zu überlegen.
Tipp 3: Geben Sie den Kindern im Gespräch ausreichend Zeit und verwenden Sie gesprächsunterstützende Materialien
Vielen Kindern fällt es nicht ganz leicht, über ihr eigenes Lernen zu sprechen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie wissen oder vermuten, dass nicht nur positive Aspekte benannt werden. Hier ist es hilfreich, sich im Vorfeld zu überlegen, wie das Gespräch am Laufen gehalten wird. Als nützlich hat sich unter anderem Material erwiesen, das die Gesprächsführung unterstützt. Werden die Lernenden beispielsweise aufgefordert, einzelne Kompetenzen zu einem bestimmten Einschätzungssymbol zu legen (oder auch umgekehrt) oder sich an einer Zielscheibe einzuordnen, wird das Gespräch in aller Regel entschleunigt, da den Kindern hier mehr Zeit zum Nachdenken und Handeln gegeben wird als bei einer rein mündlichen Konversation.
Gleichzeitig kann hierbei auch die Fremdeinschätzung durch die Lehrkraft oder auch die Lernentwicklung anschaulich dargestellt werden, indem auch diese Aspekte visualisiert werden. Selbstverständlich ist es auch möglich, das Gespräch mithilfe der ausgefüllten Einschätzungsbögen zu führen. Dienen die Bögen als alleinige Gesprächsgrundlage, empfiehlt es sich, im Vorfeld einzelne Aspekte auszuwählen und diese dann detailliert zu besprechen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Selbsteinschätzung der Kinder häufig schon eine Zeit lang zurückliegt und hier Zeit zum Nachdenken und Ins-Gedächtnis-Rufen notwendig ist. Gleichgültig, wofür sich entschieden wird, wichtig ist, vor allem auch die Lernentwicklung zu thematisieren und bei unterschiedlichen Sichtweisen diese zu veranschaulichen und gemeinsam Gründe bzw. Erklärungen dafür zu suchen.
Tipp 4: Vereinbaren Sie sehr konkrete lernunterstützende Ziele
Damit vereinbarte Ziele das Lernen unterstützen können, ist es nicht nur wichtig, dass diese inhaltlich an die Lernvoraussetzungen der Kinder anschließen, sondern dass sie für die Lernenden auch klar sind und sie sich diesen verpflichtet fühlen. Für die Vereinbarung klarer Ziele hat es sich bewährt, sich für die Formulierung an den „SMART-Kriterien“ (spezifisch, messbar, aktivitätsorientiert, realistisch, terminiert) und an „Wenn-Dann-Plänen“ zu orientieren. Die Zielvereinbarungen sollten drei Elemente enthalten:
- das (möglichst konkrete) Ziel,
- konkrete Maßnahmen, mit denen das Ziel erreicht werden soll und
- einen Temin, an dem die Zielerreichung überprüft wird.
Wenn zum Beispiel das Ziel vereinbart wird, sich im Kopfrechnen zu verbessern, so könnte als Maßnahme vereinbart werden, die nächsten vier Wochen dreimal in der Woche zehn Kopfrechenaufgaben mit Minus bis 100 zu üben, die die Eltern stellen.
Mit Blick auf die Motivation der Kinder und darauf, dass sie sich den vereinbarten Zielen verpflichtet fühlen, sollten die Schülerinnen und Schüler aktiv in das Finden und Formulieren von Zielen eingebunden werden. So sollten passende Ideen und Vorschläge der Kinder berücksichtigt werden oder, wenn zunächst keine Ideen vorliegen, diese im Gespräch gemeinsam erarbeitet werden.
Tipp 5: Behalten Sie die Ziele in den Wochen nach dem LEG im Auge
In mehreren Studien hat sich gezeigt, dass viele Kinder schon in der Woche nach dem LEG ihr Ziel nicht mehr benennen können. Es ist daher auch ratsam, Maßnahmen zu ergreifen, die den Kindern helfen, die Ziele im Gedächtnis zu behalten. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um Ziele handelt, an denen nicht zwangsläufig jeden Tag gearbeitet werden kann, beispielsweise, wenn es um das Verhalten in Konfliktsituationen oder um die Arbeitsweise in Tests geht.
Hierzu bietet es sich z. B. an, mit den Kindern gemeinsam Erinnerungshilfen zu vereinbaren und von diesen gestalten zu lassen, wie beispielsweise ein Kärtchen, das gut am Tisch oder im Mäppchen platziert wird. Möglich ist auch ein fixer Termin (z. B. am Anfang oder Ende der Woche), an dem die Ziele in Erinnerung gerufen werden. Wird im Unterricht mit einem Lerntagebuch gearbeitet, so können hier die im LEG vereinbarten Ziele gut integriert, dokumentiert und der Zielerreichungsprozess reflektiert werden.
Wir haben oben schon kurz erwähnt, dass es günstig ist, wenn mit den Kindern ein Termin festgesetzt wird, an dem die Zielerreichung (und die Einhaltung der vereinbarten Maßnahmen dazu) überprüft wird. Dieser Termin sollte ernst genommen werden. Um die Bedeutung der vereinbarten Ziele hervorzuheben, hat es sich zudem bewährt, im dem LEG folgenden Zeugnis auf die Arbeit mit und das Erreichen der Ziele einzugehen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass es nicht die eine Methode gibt, um Lernentwicklungsgespräche erfolgreich führen zu können. Die aufgeführten Tipps und Beispiele sollen dabei jedoch eine unterstützende Anregung sein und dazu ermutigen, auch für einzelne Kinder unterschiedliche Methoden und Maßnahmen auszuwählen und individuelle Schwerpunkte zu setzen.
Zu den Autoren
Prof. Dr. Sonja Dollinger lehrt Grundschulpädagogik und -didaktik mit dem Schwerpunkt inklusiver Umgang mit Heterogenität an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Prof. Dr. Andreas Hartinger lehrt Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik an der Universität Augsburg. Sie sind Herausgeber des Buches Lernentwicklungsgespräche in der Grundschule. Erprobte Praxisbausteine.
Unser Titeltipp: Lernentwicklungshefte
Lernentwicklungshefte fassen die grundlegenden Inhalte aus dem Schulbuch in kurzen Übungen zusammen. Die einzelnen Seiten dienen der Lernkontrolle und können für die Rückmeldung des Leistungsstands an die Schüler/-innen genutzt werden. Die Ampel zur Selbsteinschätzung hilft den Kindern, sich selbst einzuschätzen und unterstützt sie dabei, ihr Wissen und ihre Kompetenzen zu reflektieren. Den Lehrkräften stehen Vorlagen für Lernentwicklungsgespräche mit den Kindern zur Verfügung, um den Lernstand individuell abzufragen und zu begleiten.
Fortbildungstipp der Cornelsen Akdemie
Warum richtiges Feedback im Schulalltag wertvoll ist
Sogenannte “Feedbackgespräche” werden oft als eine Mehrbelastung des ohnehin vollen Arbeitsalltags von Lehrkräften empfunden. Betrachtet man es nur aus Sicht der zeitlichen Perspektive, dann sind sie das auch. Welche Perspektiven es noch gibt und wo ein Mehrwert liegen könnte, der über die investierte Zeit hinaus wirksam ist, das erfahren Sie in diesem Live-Online-Webinar.