Wie Unterrichtsgespräche das Lernen fördern können
Lasst uns mal darüber reden
Über Unterrichtsgespräche wird in der Didaktik heftig diskutiert, werden sie doch oftmals als unökonomisch und unehrlich deklariert und gelten als Synonym für den ohnehin verpönten Frontalunterricht. Dennoch ist das Unterrichtsgespräch die am häufigsten eingesetzte Unterrichtsmethode. Grund genug, einmal genauer hinzuschauen und herauszufinden, ob und wie Unterrichtsgespräche tatsächlich das Lernen fördern können.
Das haben die beiden Autoren Frank Schneider und Klaus Draken in ihrem Ratgeber „Unterrichtsgespräche“ getan und eine Fülle an guten Argumenten für die Effektivität von Unterrichtsgesprächen herausgearbeitet - wenn denn einige Kriterien stimmen. Das gilt für den traditionellen Lehrervortrag ebenso wie das schülermoderierte Schülergespräch.
Der Lehrervortrag
Die gängigste und wohl auch umstrittenste Form ist der Lehrervortrag, bei dem in der Regel die Lehrkraft als Expertin in kurzer Zeit komplexe Informationen schülergerecht erläutert. Ein solcher Vortrag kann recht uneffektiv sein, schließlich ist bekannt, wie wenig bei einmal Gehörten im Gedächtnis bleibt. Er kann aber auch – bei der Beachtung einiger Grundregeln – durchaus Wirkung zeigen:
Grundregeln für einen Lehrervortrag
- Kurz: möglichst nicht länger als zehn Minuten am Stück.
- Anschaulich: Erklärungen brauchen Beispiele.
- Mehrere Sinne ansprechen: Visualisierungen nutzen, Gegenstände mitbringen.
- Strukturiert: Gliederung voranstellen und immer wieder orientierend darauf verweisen.
- Wichtiges von Unwichtigem trennen: Zentrale Inhalte deutlich hervorheben.
- Pausen einbauen
- Gespräche über das bisher Verstandene in Murmelgruppen
- Verarbeitung des Gehörten durch kleine Aufgaben.
- Zuhöraufträge geben: Die Schüler können z.B. im Vorfeld Leitfragen erhalten, zu denen sie sich Notizen machen.
- Verarbeitung: Der Lehrervortrag wird nur eine Wirkung entfalten, wenn die Schülerinnen und Schüler mit dem dort erworbenen Wissen anschließend arbeiten müssen.
Aus dem Ruder?
Junglehrer und Referendare mögen befürchten, dass Unterrichtsgespräche schnell aus dem Ruder laufen, und dass dann das erwünschte Lernziel nicht erreicht wird, wenn sie nicht ständig das Heft in der Hand behalten. Die Unterrichtsplanung gilt als geeignetes Mittel, um dem vorzubeugen. Doch lässt sich tatsächlich das Unterrichtsgespräch am Lehrerschreibtisch verlässlich vorbereiten, lassen sich alle Szenarien vorhersehen? Selbst beim lehrerzentrierten Gespräch können – mit circa 30 unterschiedlichen Individuen – unverhoffte Entwicklungen eintreten und von der Lehrkraft spontane Reaktionen erfordern. Aber macht nicht gerade das einen lebendigen Unterricht aus? Und hat nicht gerade diese Art der Kommunikation einen größeren Lernerfolg als ein vom Lehrer abgespulter, ungestörter Vortrag?
Die Vorbereitung
Das heißt aber nicht, auf Planung ließe sich getrost verzichten, es heißt vielmehr, mögliche Überraschungen in die Planungen miteinzubeziehen und sich von der Vorstellung zu verabschieden, Unterrichtsgespräche ließen sich am Reißbrett vorbereiten. Und: Nicht nur der traditionelle Lehrervortrag braucht eine gute Vorbereitung, sondern alle Arten des Unterrichtsgesprächs, auch die, bei denen die Lehrkraft sich als Moderator oder gar als Mitdiskutant versteht, sollten vorab gut durchdacht sein.
Wenn in der Planung schon Überraschungen berücksichtigt werden, kann man gleichzeitig ein Repertoire an Reaktionsmustern entwickeln. Das funktioniert unter anderem mit diesen Fragen:
- Welche Äußerungen von Schülerinnen und Schülern sind in Reaktion auf die Leitimpulse/auf das Thema zu erwarten?
- Was könnten Lernende als schwierig empfinden?
- Wo sind Widersprüchlichkeiten zu erwarten?
- Welche Fehlvorstellungen sind denkbar?
- Welche Interaktionsschwierigkeiten sind möglich?
Tipps: Impulse und Pausen
Wir wissen aus vielen Alltagssituationen, wie schnell ein Gespräch ins Stocken geraten kann. Das kann auch im Unterricht passieren. Etwa, wenn die Schülerinnen und Schüler abgelenkt oder desinteressiert sind. Meist reichen dann gut überlegte Impulse, um wieder den roten Faden im Gespräch zu finden und für eine weitere Entwicklung zu sorgen. Abhängig vom Fach und der aktuellen Gesprächssituation können diese Impulse ganz unterschiedlich sein. Ein allgemeiner Impuls zum Gesprächsbeginn könnte sein: „Bitte sagt einmal, was euch hierzu durch den Kopf geht.“ Oder: „Bitte sagt alles, was euch dazu einfällt und welche Fragen daraus entstehen.“ „Hat jemand schon eine Idee für eine Antwort, eine Hypothese?“
Solche Impulse können allerdings auch verpuffen. Eine gute Möglichkeit dem zu begegnen, ist es, der Lerngruppe danach eine Pause zum Nachdenken zu gönnen verbunden mit der Botschaft: Die Frage ist schwierig, darüber muss man nachdenken. Es hilft also, wenn die Denkpause als solche definiert wird, etwa so: „Die Frage ist nicht ganz einfach. Ich bitte euch, darüber erst einmal zwei Minuten nachzudenken oder euch vielleicht auch mit eurer Nachbarin oder eurem Nachbarn auszutauschen. Dann sprechen wir darüber, was ihr herausgefunden habt.“
Ein einfacher Planungsbogen für das Unterrichtsgespräch könnte dann so aussehen:
Raumgestaltung: Welche Rahmenbedingungen müssen hergestellt werden? Wo wird mein Standort während der Diskussion sein - zentral vor der Klasse, am Rand, hinter der Klasse, auf einem Schülerplatz?
Eröffnungsphase: Welche Informationen will ich in der Eröffnungsmoderation vermitteln? 1. Thema/Fragestellung des Gesprächs. 2. Erinnerung an Regeln. 3. Zeitrahmen. 4. Mit welchem Material oder Impuls will ich beginnen? 5. Gebe ich Hörauftrage? 6. Habe ich weitere Ideen?
Impuls 1: Eröffnungsimpuls. Antizipation: Welche Antworten auf den Eröffnungsimpuls sind denkbar? Wie könnte ich reagieren?
Bündelung der Schülerbeitrage und Rückversicherung, ob sich alle in dieser Zusammenfassung wiederfinden.
Folgeimpulse mit Denkpausen. Antizipation: Wann könnte ein Folgeimpuls notwendig und sinnvoll sein und wie könnte er aussehen? Wie könnte ich reagieren?
Erneute Bündelung der Schülerbeiträge und Rückversicherung, ob sich alle in dieser Zusammenfassung wiederfinden.
Abschluss: Was haben wir erfahren, geklärt? Wo stehen wir? Was ist offen? Wie geht es weiter?
Leistungsbewertung im Unterrichtsgespräch
Mündliche Leistungen der Schülerinnen und Schüler müssen beurteilt werden. Doch was bedeutet das für die Unterrichtsgespräche? Welche Fallen lauern hier, wann ist die Beurteilung angesagt, wann führt sie möglicherweise dazu, dass die Schülerinnen und Schüler das Gespräch lediglich als Prüfungssituation und nicht als Lernsituation verstehen? Denn wissen die Schüler, dass ihre Leistungen bewertet werden, kann ein solches Gespräch schnell zu einem Talkshow-Unterricht mutieren, bei dem die hohe Beteiligung allein auf den Wunsch zurückgeht, sich mit Blick auf die Note permanent zu melden. Statt Neugierde zu entwickeln, versuchen die Schüler dann, lediglich die Lehrererwartungen zu erfüllen. Dieses Dilemma lässt sich nicht immer auflösen, am ehesten lässt sich damit umgehen, indem es mit den Lernenden zwar nicht gelöst, aber thematisiert wird:
- Was genau wird im Unterricht bewertet?
- Worin besteht die Qualität der Mitarbeit im Unterrichtsgespräch?
- Zielen Gespräche wirklich darauf, das zu sagen, was die Lehrkraft hören will?
- Oder ist Widerrede doch eher gefragt als schnelle Zustimmung?
- Wie gibt die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern ihre Rückmeldung über ihre Einschätzung?
Es lassen sich aber auch Gespräche im Unterricht führen, die klar als Lernsituationen gekennzeichnet werden und keiner Benotung unterliegen. Für die Lerngruppen sollte transparent sein, ob das gerade stattfindende Gespräch benotungsrelevant oder benotungsfrei ist.
Gesprächskultur
Neben all dem fachlichen, bei dem es in den Unterrichtsgesprächen geht, sollte man nicht vergessen, dass gerade diese Form eine weitere wichtige Funktion hat. Lehrkräfte sind nämlich auch ein Kommunikationsvorbild, und ihre Art der Interaktion, ihre Sprache und ihre Art des Sprechens kann auf das Verhalten der Schülerinnen und Schüler wirken. All das gibt den Schülerinnen und Schülern die notwendige Orientierung, um zu lernen, sich angemessen über eine Sache auseinanderzusetzen.
Fazit
In Unterrichtsgesprächen sollen Schüler Neues lernen, sich Wissen erarbeiten und sich Sachverhalten aus verschiedenen Perspektiven nähern. Das bedeutet aber nicht, dass die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer auf den allwissenden Experten beschränkt ist. Für das Gelingen des Gesprächs ist es wichtig, dass auch Sie mit einer Fragehaltung in den Unterricht gehen, dass Sie gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern etwas über das Thema in Erfahrung bringen wollen. Neugier ist dabei ganz entscheidend. Wie nähern sich die Lernenden dem Thema? Welche Ideen haben sie, welche Perspektive nehmen sie ein, was können sie sich gegenseitig und auch der Lehrkraft Neues sagen? Das unterscheidet das Gespräch von einer Instruktion oder reinen Belehrung.
Fortbildungstipp der Cornelsen Akademie
Herausfordernde Schüler/-innengespräche lösungsorientiert führen
Lehrpersonen sind immer wieder mit anspruchsvollen Gesprächssituationen konfrontiert. Sie sollen SchülerInnen und Eltern bei schulischen Schwierigkeiten beraten, Sie moderieren und intervenieren in Konfliktsituationen und haben ein offenes Ohr für die Nöte und Anliegen der Schüler/-innen im normalen Alltag.