Grundschule / 04.02.2020

{First Steps} Kultur und kulturelle Bildung

Entdeckungstouren mit der Klasse 

Schulen sind beauftragt, die kulturelle Bildung der Lernenden in alle Unterrichtsfächer zu integrieren. Auch der Englischunterricht kann einen Beitrag dazu leisten, den Schülerinnen und Schülern Kultur näherzubringen: Spannende kulturelle Entdeckungstouren warten dabei sowohl im Klassenzimmer als auch außerhalb. 

Bild: Shutterstock.com/CREATISTA

Der Begriff Kultur hat viele Bedeutungen – es kommt ganz darauf an, wer ihn für welchen Adressatenkreis definiert. Quellen für den Englischunterricht bieten sowohl die Kultur des Alltagslebens als auch die der Kunst. Zu beiden Ausformungen von Kultur finden sich Aktivitäten und Inhalte im Unterricht: Zum schottischen folk song gehen die Kinder auf eine fantasy journey. In der Schulküche kochen sie Eintopf nach einem irischen Rezept. Auf dem Gang probiert eine Englischgruppe aus, wie sich der Dialog aus dem Lehrbuch dramaturgisch umsetzen lässt. Andere haben sich in die Leseecke ihres Klassenzimmers zurückgezogen, blättern in picture books oder lesen in ihrem graded reader. Auch in der örtlichen Bücherei lassen sich die englischsprachigen Bestände erkunden. Hin und wieder wird die Schule auch zum Theater, wenn eine Schauspieltruppe aus Großbritannien ein Stück auf Englisch präsentiert. 

Hochkultur und Alltagskultur

Begegnungen mit Kultur sind so zahlreich wie die Definitionen des Begriffs. Eine Form der Kennzeichnung ist die Unterscheidung von Hoch- und Alltagskultur.  Letztere liefert die meisten Themen für das Fach Englisch. In Betracht kommen alle Alltagsbereiche, die einen Bezug zur Lebenswelt der Kinder haben: Traditionen und Bräuche, die für eine Region wichtig sind (z. B. Feste, Feiertage), Gewohnheiten (wie Tagesrhythmus, Ernährung) und Organisationsformen des täglichen Lebens (z. B. Freizeit, Nahverkehr, Schulleben). Sie sind Ausdruck der Werte, Konventionen, Routinen und Überzeugungen, die das Alltagsleben einer Sprachgemeinschaft prägen, und sind es wert, genauer betrachtet zu werden.

Angereichert wird Englischunterricht mit Musik, Tanz, Erzählungen oder Spieltexten – den traditionellen Produkten der Künste. Sie sind Teil der Hochkultur, von Kunstschaffenden ersonnen und in eine wahrnehmbare Form gebracht. Auch in der Gebäudearchitektur oder in Skulpturen zeigt sich Hochkultur, z. B. an öffentlichen Plätzen. In Buchläden und Bibliotheken finden sich Bücher, Bilderbücher, Bildromane, Comics, DVDs und Hörbücher. 

Kultur und Sprache

Kultur und Sprache sind eng miteinander verbunden. Kein Wunder also, dass kulturell-künstlerische Aktivitäten wichtige Unterrichtsbausteine sind. Sie schaffen nicht nur authentische Sprechanlässe mit einer ästhetischen Note, sondern initiieren auch interkulturelles Lernen. Den Kindern wird vermittelt, wie sich kulturelle Erfahrungen aus ihrer Lebenswelt in englischen Sprachgemeinschaften darstellen.

Nicht weniger bedeutsam für die kulturelle Bildung der Lernenden sind rezeptive oder produktive Tätigkeiten im Englischunterricht. Dieser noch recht junge Lernbereich ergänzt das interkulturelle Lernen um Aneignungsfelder aus der eigenen Kultur. Welche das sind, hat die Kultusministerkonferenz 2013 in einigen kulturellen Bildungszielen dargelegt. Schlagwortartig zusammengefasst geht es um drei Zielsetzungen: den Umgang mit künstlerischen Ausdrucksformen, die Teilhabe am kulturellen Leben und das Erkunden kultureller Vielfalt in der Lebenswelt. Zweifellos sind musische Fächer besonders geeignet, Kinder an Exponate und Produkte kreativen Schaffens, an Tanz und Spiel heranzuführen. Dennoch ist kulturelle Bildung eine Aufgabe für alle Fächer. Und damit auch für den Englischunterricht. 

Entdecken und Experimentieren

Kulturelle Bildung möchte Kindern und Jugendlichen zu mehr kulturellen Erfahrungen verhelfen, über einzelne Fächer hinaus, in und außerhalb der Schule, vorbereitet von Lehrkräften und gleichermaßen von Vertreterinnen und Vertretern kultureller Einrichtungen in der Region. Ein Englischunterricht, der Musik, Bilder und Geschichten für den Lernprozess einsetzt, fördert die Bildung im Sinne des kulturellen Kompetenzerwerbs.

Beim Umgang mit kulturellen Kontexten in der Fremdsprache begegnen die Kinder künstlerischen Ausdrucksformen und probieren sie aus. Dabei bietet sich ihnen Gelegenheit, das Singen und Gestalten sowie das Vorspielen und Aufführen (z. B. von Lehrbuchdialogen) wertschätzen zu lernen. Darüber hinaus befassen sich die Kinder aktiv mit kulturellen Produkten und machen diese für sich zugänglich. Durch das eigene Tätigsein, durch Entdecken und Experimentieren wird kreativ ein Verständnis für künstlerische Praktiken angebahnt – alles auf Englisch, versteht sich.

Kulturelle Bildung entwickelt sich auch durch Teilhabe am kulturellen Leben. Nicht allen Kindern erschließt sich die Kulturarbeit jedoch über Familie, Gruppen oder Vereine. Lädt der Englischunterricht dann dazu ein, sich auf künstlerische Formen einzulassen, kann Interesse, Neugier und Freude an Kultur geweckt und der Bildungsprozess entscheidend beeinflusst werden. 

Künstler unterrichten

Um Kinder für die längerfristige Teilhabe am kulturellen Leben konkret zu motivieren, werden Fachleute eingeladen. Die Leiterin des Kinderchors studiert ein Beispiel aus dem englischen Liedrepertoire ein. Lesepatinnen tragen Geschichten aus graded readers vor. Weitere Ideen liefern Künstler aus der Region. Mit der Keramikerin werden englische Begriffe aus Ton modelliert. Murmelbilder stellt die Klasse mithilfe einer Malerin her, die die Kunstwerke auch beschreiben lässt. Ideen für freeze frames zu einer spannenden Erzählung setzen die Schülerinnen und Schüler unter Anleitung eines Laienschauspielers um. Andere Kunstschaffende unterstützen bei der Gestaltung eines Posters oder leiten dazu an, das Thema der aktuellen Unit in Tanz und Bewegung umzusetzen. Was kulturelle Praxis und Englischlernen gemeinsam haben, erfahren die Kinder so ganz unverkrampft bei der Beschäftigung mit kunstnahen Techniken und Gestaltungspraktiken.  

Kulturelle Expeditionen

Vielen Kindern hilft es, wenn die Schule kräftig dabei mitwirkt, dass sich die Türen zu Orten kultureller Bildung öffnen. Schließlich lassen sich Lernorte in der Umgebung auch mit Hilfe der Fremdsprache erschließen. Vor diesem Hintergrund ist kulturelle Bildung auch das Wahrnehmen und Verarbeiten von kultureller Realität durch die Lernsprache. Viele englischsprachige Schätze in der örtlichen Bücherei warten nur darauf, entdeckt und ausgeliehen zu werden. In der Kinovorhalle finden Kinder zahlreiche visuelle Impulse aus englischsprachigen Kulturen zum Sammeln. Mit Rechercheblättern ausgestattet lernen sie, wie die englische Sprache im nächsten Flughafen oder Bahnhof in Erscheinung tritt. Alternativ stellen sie Alltagsbeobachtungen am Ort an und entdecken Phänomene ihrer Alltagskultur, z. B. auf dem Marktplatz. Oder die Kinder halten in Supermarkt und Fußgängerzone ihre Eindrücke auf Englisch fest. Derweil fahnden die Computerexpertinnen der Klasse auf der Webseite der Gemeindeverwaltung nach Inszenierungen und Auftritten der internationalen Kunstszene. Konzerte, Pantomime, ein Schauspiel, ein Ballett: Mit etwas Glück ist eine Veranstaltung darunter, die für Kinder geeignet ist. Die nächste Expedition ist dann schon gesetzt.           

Fazit

Kulturelle Bildung im Englischunterricht ist kreatives Tun, Teilhabe und Erkundung. Die Kinder sind tätig, nehmen wahr, beobachten und forschen. Dabei bringen sie ihre kommunikativen Fähigkeiten ein. Auf diese Weise leistet kulturelle Bildung stets auch einen Beitrag zum Kompetenzerwerb in der Fremdsprache. 

Wolfgang Gehring 
Professor für Englischdidaktik an der Universität Oldenburg 

Fortbildung der Cornelsen Akademie 

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