Grundschule / 26.11.2018

{First Steps} Lernlandkarten zur Individualisierung von Lernwegen

Erfolgreich Englischlernen von Anfang an

Die Individualisierung von Lernprozessen ist besonders beim Fremdsprachenlernen ein wichtiger Aspekt für Erfolg. Lernlandkarten eignen sich hervorragend dazu, individuelle Übungswege abzubilden – und zwar mit Spaßfaktor, wenn sie z. B. als Rakete aufbereitet sind. Die Kopiervorlagen zeigen Ihnen praxisbezogene Beispiele, wie Sie eine Lernlandkarte erstellen und damit arbeiten können.

Bild: Shutterstock.com/Pressmaster

Individuelle Orientierung mit Lernlandkarten

Zwei Stunden Englisch in der Woche – und eine ganze Klasse mit teils zieldifferent zu unterrichtenden Kindern soll zeitgleich dasselbe lernen? Wie kann diese Herausforderung gelingen, wo doch das Sprachenlernen bekanntermaßen niemals homogen, sondern stets sehr individuell verläuft? Individualisierte Lernwege müssen zu einem frühen Zeitpunkt angestoßen werden, damit das Englischlernen von Anfang an ein Erfolg wird!

Lernlandkarten können anhand einer bestimmten Gewichtung von unterschiedlichen Kompetenz-Items individuelle Lernwege abbilden – in ganz unterschiedlicher, visueller Aufbereitung, z. B. als Landkarten, Seekarten oder Lernraketen. So dienen sie der individuellen Orientierung und geben zudem einen Überblick über passende Übungsangebote.

Implementierung der Lernlandkartenarbeit zur Unit In the park (Sunshine 3) im Englischunterricht einer Inklusionsklasse

Vorbereitung der Lernlandkarten

Für die Vorbereitung der Unit In the park sichten wir nach einer ersten Wortschatzeinführung zu den Wortfeldern fruits und drinks erst einmal die auf Deutsch formulierten Kompetenzen, die in den kommenden Stunden im Fokus des Lernens stehen sollen. Diese unterscheiden sich in der Lerngruppe aufgrund von zieldifferent unterrichteten Kindern in Anzahl und Umfang. In einer weiteren Phase von etwa zwei Unterrichtsstunden bearbeiten die Kinder "Ich teste mich"-Übungen. Die Ergebnisse werden mit passendem Kontrollmaterial oder einem Partner überprüft. Dabei erfahren die Schülerinnen und Schüler, welche Kompetenzen sie bereits sicher beherrschen und welche noch Schwierigkeiten bereiten. Ein Aufgabenplan dient als Übersicht über die zu erwerbenden Kompetenzen mit passenden Testaufgaben auf unterschiedlichen Leistungsniveaus (lila: leicht, dunkelblau: mittelschwer, hellblau: anspruchsvoll). Zudem sind alle Aufgaben auf dem Plan anhand von Symbolen den vier Kernkompetenzen Hör-/Hörsehverstehen (Symbol Ohr), Sprechen (Symbol Sprechblase), Lesen (Symbol Buch) und Schreiben (Symbol Stift) zugeordnet, damit sich die Kinder schneller zurechtfinden können. Ein Aufbau des "Ich teste mich"-Materials in vier verschiedenen Kompetenzecken im Klassenraum hilft beim leichten Finden der passenden Aufgaben.

Sind die Aufgaben in der "Ich teste mich"-Phase überwiegend leichtgefallen und nahezu fehlerlos bearbeitet worden, malen die Kinder das entsprechende Kompetenz-Feld mit der Farbe Grün an. Gab es Unsicherheiten und einige Fehler bei der Lösung der Aufgaben, wird die Kompetenz orange eingefärbt. 

Kompetenz-Items, die bei der Bearbeitung der Testaufgaben noch sehr schwergefallen sind und nur mit viel Hilfe zu schaffen waren, färben die Schülerinnen und Schüler rot ein. Jedes Kind erarbeitet so eine Übersicht, die aufzeigt, wo Stärken (eher grün/orange) und Schwächen (eher orange/rot) beim Englischlernen vorhanden sind. Schwächen werden im Gespräch stets als Übungspotential, "Baustelle" oder "Hier führt mich der Weg noch hin" kommuniziert. Auf Grundlage dieser Übersicht sollen die Kinder im Anschluss ihre nächsten Lernschritte zur individuellen Weiterarbeit priorisieren und auf der vorher festgelegten Lernlandkarte fixieren.

Priorisierung der eigenen Lernschritte

In einem Lerngespräch im Plenum berichten die Kinder aus ihrer „Ich teste mich“-Phase und nennen einen Kompetenzbereich, der ihnen besonders leicht- und einen, der ihnen besonders schwergefallen ist. Ein Kind stellt fest: "Ich kann schon alle Zehnerzahlen verstehen, habe ich mit Linus herausgefunden, aber beim Sprechen vertue ich mich immer noch mit 30 und 40". Einem anderen Kind ist aufgefallen: "Ich kann die neuen Wörter für Früchte und Getränke super verstehen und sogar lesen, aber als ich die Übung zum Schreiben gemacht habe, da waren noch ganz schön viele Fehler dabei". Schnell stellen die Schülerinnen und Schüler fest, dass alle zwar in derselben Einheit lernen, jeder jedoch seine eigenen "Baustellen" hat und nur individuelles Üben diese aus dem Weg räumen kann. Wir legen fest, dass sich jedes Kind drei bis fünf Kompetenz-Items aussucht, die er oder sie im individuellen Aufgabenplan orange oder rot eingefärbt hat. Es können auch grüne Items ausgewählt werden, sollten zu wenige orange und rote vorhanden sein. Sie werden aus einer Vorlage ausgeschnitten und in die Reihenfolge gebracht, in der sie bearbeitet werden sollen.

Wir haben uns bei unserer Lernlandkarte für eine Lernrakete entschieden. Hierbei kleben die Kinder ihre Kompetenzkärtchen von unten nach oben auf eine Flasche, unten beginnend mit der Kompetenz, die als erstes bearbeitet werden soll. Ein Stab mit Namensschild wird zur besseren Zuordnung in die Flasche gesteckt. Wurde erfolgreich an einer Kompetenz geübt, darf nach und nach Sand bis zu dem entsprechenden Kompetenzkärtchen in die Flasche eingefüllt werden, damit zu sehen ist, was man bereits erfolgreich geschafft hat. Wenn die Flasche voll ist und das Kind sein oberstes Kompetenzkärtchen erreicht hat, ist die Rakete bereit zum Abflug – und eine neue Einheit kann kommen! 

Individuelles Üben mit der Lernrakete

Ist die Lernrakete erst einmal vorbereitet, kann die Übungsphase (ca. zwei bis drei Stunden) beginnen. Die Kinder finden die Kompetenzen auf ihrer Rakete in ihrem Arbeitsplan wieder und üben anhand der Aufgaben aus der "So übe ich"-Spalte – in Partnerarbeit oder alleine. Die Materialien werden zur leichteren Orientierung an bestimmten Orten im Klassenraum angeboten – geordnet nach den Kompetenzen Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben. Übungen zum Hörverstehen mit CD-Player werden im Flur aufgebaut. Passende Selbstkontrollbogen liegen entsprechend überall bereit. Zum Übungsmaterial gehören Aufgaben aus dem Pupil’s Book, dem Activity Book, der Inklusionsmappe, den Kopiervorlagen (Lehrerhandreichung) und den interaktiven Übungen von Sunshine 3 sowie eigenes Material. Manche Aufgaben lassen sich unterschiedlichen Kompetenz-Items zuordnen, sodass schnell ein großer Pool an Materialien aus den o. g. Titeln des Lehrwerks mit, den Kindern vertrauten, Aufgabenformaten entstehen kann.

Am Ende jeder Stunde gibt es eine ca. siebenminütige Show what you can do-Runde zur Präsentation von Ergebnissen und zum Austausch von Problemen.

Show what you can do – eine Auswertung der Lernlandkartenarbeit

Werden Lernschwerpunkte individuell bearbeitet, fallen Unterschiede in der Leistung und der Begabung oder sonderpädagogischer Förderbedarf gar nicht länger auf. Alle haben sich auf ihrer individuellen Lernrakete etwas Besonderes vorgenommen, an dem sie arbeiten, vorankommen, durchstarten möchten. Jedes einzelne Kind kann so die Arbeit an der eigenen Lernlandkarte in den Fokus bringen und den eigenen Fortschritt präsentieren.

Wir kommen am Ende der Einheit im Plenum zu einer letzten Show what you can do-Runde zusammen und alle zeigen ihre Lernrakete als Zeugnis der eigenen erfolgreichen Arbeit und werten aus. Diese Zeugnisse könnten unterschiedlicher gar nicht sein und jeder kann zu diesem Zeitpunkt bewundernde Blicke und die Würdigung durch die Mitschüler erwarten. Da ist z. B. zu hören: "Dass du sagen kannst, was das Obst da kostet, das konntest du doch letztens noch nicht, ist ja toll!" Oder: "Es war gut, dass ich mir was im Schreiben vorgenommen habe. Das war früher immer am schwersten für mich. Ich kann jetzt sogar die Sprechblasen beim Kiosk richtig eintragen – ohne Fehler." Und auch: "Mir hat geholfen, dass ich mir die neuen Wörter für die Zehnerzahlen und Früchte nochmal auf dem Tablet ganz oft und in Ruhe anhören konnte. Jetzt kann ich alles richtig aussprechen, sogar thirty."

Zur Arbeit mit der Rakete als Landkarte für das eigene Lernen ist bei der schriftlichen Auswertung die einhellige Meinung: "Es hat mir gefallen, selbst zu entscheiden, was ich dazulernen möchte. So konnte ich viel besser lernen, als wenn alle das Gleiche tun müssen."

Inga Bensmann unterrichtet an der Hundertwassergrundschule in Weyhe-Leeste, Niedersachsen, außerdem Fortbildungs-, Berater- und Autorentätigkeit, Arbeitsschwerpunkt: Individualisierung im Englischunterricht in inklusiven Lerngruppen.

First Steps – Englisch in der Grundschule

Die First Steps-Reihe bietet Ihnen regelmäßig neue Unterrichtsideen, Arbeitsblätter sowie wertvolle Tipps und Ideen für Ihren Unterricht.

Weitere Artikel der Reihe:

Sunshine - Pupil's Book - 3. Schuljahr

Sunshine

Englisch ab Klasse 3 - Allgemeine Ausgabe 2015 · 3. Schuljahr

Pupil's Book
Sunshine - Activity Book - 3. Schuljahr

Sunshine

Englisch ab Klasse 3 - Allgemeine Ausgabe 2015 · 3. Schuljahr

Activity Book
Mit Audio-CD, Minibildkarten und Faltbox

Fortbildungstipp

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Sie erfahren welche Chancen Ihr Unterricht für Schülerinnen und Schüler birgt und worin die Herausausforderungen für Lehrkräfte bestehen. 

Schlagworte:

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