Lernrückstände aufholen
Herausforderungen im kommenden Schuljahr
Dass das Lernen während der Pandemie mit Homeschooling und Wechselunterricht nicht reibungslos geklappt hat, ist klar. Wissenschaftler/-innen der Uni Frankfurt haben jetzt ein niederschmetterndes Urteil gefällt: Distanzunterricht war demnach genauso effektiv wie Sommerferien. Für ihre Untersuchung hatten sie entsprechende Studien aus aller Welt ausgewertet, die sich auf den ersten Lockdown bezogen. Viele Kinder werden also mit erheblichen Lernrückständen in das kommende Schuljahr starten. Dazu kommen psychosoziale Probleme, verursacht durch fehlende Kontakte mit Gleichaltrigen, mit Lehrkräften, mit Verwandten und Freunden.
Aktionsprogramm der Bundesregierung
Um all diese Probleme abzufedern, hat die Bundesregierung jetzt ein „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ beschlossen. Allein in die schulische Förderung sollen eine Milliarde Euro fließen. Doch wie wird es umgesetzt werden und welche Strategien können wirklich helfen?
Bereits in den Sommerferien sollen in den Bundesländern Sommercamps und Lernwerkstätten stattfinden und mit Beginn des neuen Schuljahres sollen unterrichtsbegleitende Fördermaßnahmen in den Kernfächern angeboten werden. Insbesondere leistungsschwache Kinder sollen gefördert werden, die während der Pandemie wenig auf familiale Lernunterstützung zurückgreifen konnten.
Die Zeit drängt also, die Sommerferien beginnen, entsprechende Ferienangebote müssten eigentlich schon geplant sein. Und wenn schon bald die ersten Bundesländer in das neue Schuljahr starten, sollten auch hier fertige Konzepte vorliegen.
Jetzt planen
Doch egal wie und wie schnell die Bundesländer die nun zur Verfügung stehenden Mittel verteilen: Gefragt sind die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleitungen.
Für Lehrerinnen und Lehrer stellt sich jetzt die Frage: Was wurde eigentlich verpasst, wo sind die Lücken, welche Kinder brauchen Unterstützung? Außerdem geht es nicht nur darum, Lernrückstände aufzuholen, sondern auch darum, psychosoziale Unterstützung zu leisten
Schulen haben Erfahrungen mit Fördermaßnahmen und die können von Schule zu Schule ganz unterschiedlich aussehen. Wichtig ist jetzt, auf bewährte Konzepte zurückzugreifen und diese, wenn möglich zu intensivieren. Schulleitungen sollten also schauen, wann und wie die Gelder bereitgestellt werden und ob bereits jetzt schon Maßnahmen eingeleitet werden können, ob zum Beispiel Lehramtsstudierende oder pensionierte Kolleginnen und Kollegen für das kommende Schuljahr akquiriert werden können. Es gilt, Kontakte aufbauen und bereits erfolgreiche Fördermaßnahmen fortzusetzen sowie schulintern nach weiteren Fördermöglichkeiten zu suchen.
Lehrkräfte wissen, was zu tun ist
Lehrerinnen und Lehrer kennen die Stärken und Schwächen ihrer Schülerinnen und Schüler. Und mit bewährten Diagnosewerkzeugen werden sie schnell ermitteln, was ihre Schüler/-innen während der Pandemie gelernt haben – und was nicht. Bewährt haben sich Lernstandskontrollen, die sich ganz konkret an den Kenntnissen und Kompetenzen, die im jeweiligen Fachunterricht vorausgesetzt werden, orientieren. Dabei gilt es, behutsam vorzugehen, denn gerade jetzt ist es wichtig, dass die Schüler/-innen nicht den Eindruck bekommen, sie würden mit diesen Kontrollen beurteilt oder gar benotet.
Eine weitere bewährte Methode ist die Selbsteinschätzung der Schülerinnen und Schüler. Bereits Kinder in den Abschlussklassen der Grundschule können ihre Fähigkeiten und Leistungen sehr gut selbst beurteilen. Und diese Methode bewirkt zweierlei: Lehrkräfte erfahren, wie ihre Schülerinnen und Schüler sich selbst sehen und die Schüler/-innen werden bereits von Anfang an in das Förderkonzept mit einbezogen. Und das erhöht die Lernmotivation deutlich.
Lernstandskontrollen und Selbsteinschätzungen sollten aber nicht bloß Eintagsfliegen ein, sondern dauerhaft über den Lernfortschritt Auskunft geben. Checklisten, die sich ganz konkret auf die Unterrichtsinhalte beziehen und in bestimmten Abständen an die Schüler/-innen verteilt werden, sind dafür ein probates Mittel.
Kooperation mit den Eltern
Die daraus entwickelten Förderpläne für die einzelnen Schüler/-innen beinhalten idealerweise auch eine verbindlichen Rahmen, etwa einen Lernvertrag. Und spätestens hier kommen auch die Eltern ins Spiel. In einer Stellungnahme einer Autor/-innengruppe der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Aufholpaket heißt es: “Fachlehrer/-innen oder die Klassenleitungen (sollten) die Lernenden und deren Eltern über mit einer Nutzung individualisierter Lernangebote verbundenen Chancen informieren, ihnen bei der Auswahl entsprechender Angebote beratend zur Seite stehen, die Fördermaßnahmen motivierend und systemisch Feedback gebend begleiten. Vereinbarungen zwischen den Beteiligten können helfen, individuelle Lernziele zu konkretisieren und deren Erreichen zu überprüfen.“
Hilfreich – und zwar für alle Schülerinnen und Schüler – ist es jetzt außerdem, noch einmal bestimmte Lerntechniken zu üben. Die Lernlücken sind groß und manchen Schülerinnen und Schülern fehlt der Mut, sich mit diesem Riesenproblem auseinanderzusetzen. Besser ist es, den Schüler/-innen überschaubare Ziele zu setzen und auf bewährte Lernmethoden zurückzugreifen. Zum Beispiel auf die guten alten Karteikarten, auf Pinnwände und Merkzettel. Oder auf Wiederholungen.
Die Stärken nicht vergessen
Und was ist mit den Stärken der Schülerinnen und Schüler? Vielleicht haben einzelne Schüler/-innen sogar während des Distanzunterrichts spezielle Stärken entwickelt. Möglicherweise hat sich gezeigt, wie gut sie Präsentationen erstellen können oder dass sie in selbstproduzierten Podcasts viel freier und selbstbewusster auftreten konnten als bei einem Vortrag vor der Klasse. Das Lernen während des Distanzunterrichts war deutlich anders als im Regelunterricht. Und es lohnt sich, im Nachhinein noch einmal zu schauen, wie die einzelnen Schülerinnen und Schüler damit umgegangen sind. So lassen sich ihre Stärken erkennen und auch weiterhin fördern.
Außerdem brauchen viele Kinder jetzt noch eine andere Art von Unterstützung, sie müssen nach dieser schweren Zeit wieder aufgebaut werden, gemeinsame Zeit beim Spielen, beim Entdecken, beim Spaß haben verbringen. Neben dem Aufholen in den Kernfächern geht es also auch um emotionales Aufholen. Da helfen neben Ermunterung und Lob künstlerische und sportliche Veranstaltungen, Klassenfahrten, Ausflüge und gemeinsame Projekte. Und dafür muss trotz aller Lernlücken unbedingt Zeit eingeplant werden.
Hoffnungsschimmer
Übrigens: Die Untersuchung der Uni Frankfurt zum Erfolg des Distanzunterrichts bezog sich auf das Frühjahr 2020. Die Wissenschaftler/-innen erwarten, dass der zweite Lockdown besser verkraftet wurde, weil die Schulen bereits auf Erfahrungen mit Distanz- und Wechselunterricht zurückgreifen konnten. Das lässt ein wenig hoffen, denn niemand kann mit Sicherheit sagen, ob die Schulschließungen auf absehbare Zeit die letzten sein werden. Schließlich warnen Expert/-innen bereits vor der nächsten Pandemiewelle. Und dann gibt es noch einen zweiten Hoffnungsschimmer. Den hat die Ständige wissenschaftliche Kommission (StäwiKo) der Kultusministerkonferenz formuliert: Sie betrachtet das Corona-Aufholpaket als Auftakt zur Entwicklung einer längerfristig angelegten Gesamtstrategie zur Reduktion von erheblichen Lernrückständen.
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