Grundschule / 07.03.2023

Wie Freiarbeit in der Grundschule gelingt

Eigene Lernwege finden und individuelle Lernerfolge erzielen

„Die Lehrkräfte unterstützen Schülerinnen und Schüler dabei, Inhalte und Methoden, Sozialformen sowie den Arbeitsplatz und die Arbeitsmittel zunehmend selbst zu wählen und ihre Arbeitsergebnisse eigenständig zu kontrollieren“, heißt es in den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Arbeit in der Grundschule. Wege dazu gibt es verschiedene. Einer heißt Freiarbeit. Wie gelingt Freiarbeit? Das haben wir Bernd Wehren gefragt. Er ist Grundschullehrer und Autor der Großen Freiarbeits-Schatzkisten und der Großen Spiele-Schatzkisten.

Junge mit grünem Pullover und Brille schreibt in ein Heft
Bild: Shutterstock.com/Kzenon

Interview mit Bernd Wehren

Herr Wehren, Sie sind offensichtlich Fachmann in Sachen Freiarbeit. Was bedeutet eigentlich Freiarbeit?

Bernd Wehren: Freiarbeit ist eine Form des Offenen Unterrichts. Die Kinder suchen sich selbst ein Lernziel und versuchen, dies auch eigenverantwortlich zu erreichen. Dabei wählen sie die Arbeitsform, die Aufgaben, die Hilfen und die Kontrollen selbst. Die Kinder entscheiden sich, allein oder mit anderen zu arbeiten und suchen sich leichte oder schwierige Aufgaben aus, sie wählen also selbst die für sie passenden Lernformen und Materialien.  Die Lehrkraft hat dann eher eine beratende und begleitende Rolle. Die Lehrkraft sollte die Freiarbeit zudem gut vorbereiten.
 

Was ist das Ziel?

Bernd Wehren: Die Kinder sollen lernen, selbstverantwortlich zu lernen. Sie finden eigene Lernwege und erzielen individuelle Lernerfolge, anders als im geschlossenen Unterricht, wenn ich als Lehrer sage: „Das machen wir jetzt.“ Auch wenn ich dabei natürlich differenzieren kann. Außerdem fördert die Freiarbeit das Miteinander.
 

Kann die Freiarbeit schon in der Eingangsphase eingesetzt werden?

Bernd Wehren: Ja, Freiarbeit kann ich von Anfang an einsetzen, weil ich ja weiß, welche Lernvoraussetzungen und basalen Fähigkeiten die Kinder aus dem Kindergarten mitbringen. Ich beginne zunächst mit ganz leichten Aufgaben, etwa mit Nachspurübungen auf Arbeitsblättern, oder ich sage: „Benutzt eure Stifte um Formen, Buchstaben und Zahlen nachzulegen.“ Dann habe ich vielleicht eine Sandwanne im Klassenraum, in die die Kinder Buchstaben und Zahlen malen können. Also sehr einfache Übungen. Ich muss die Kinder dort abholen, wo sie stehen, damit sie die Freiarbeitsformen verstehen. Das Allerwichtigste: Ich als Lehrer muss mich regeln, ich muss mich klar strukturieren und meine Lerngruppe kennen. Nach zwei, drei Wochen kann einschätzen, wie sich die Kinder in freien Arbeitsformen verhalten. Manche Kinder meinen, jetzt sei Freizeit und toben erst einmal durch den Klassenraum. Diese Kinder muss ich zunächst bei mir behalten. Die anderen Kinder bekommen vorstrukturiertes Material. Außerdem biete ich zum Beispiel die Kinderbuchecke an oder eine Ecke mit Spielen. Diese Art des Lernens muss ich allerdings mit allen Kindern im geschlossenen Unterricht geübt haben. Alle Kinder müssen mit dem Material umgehen können. Und es müssen unbedingt Regeln verabredet werden.
 

Welche Regeln sind das?

Bernd Wehren: Ganz einfach: „Wir müssen leise sein. Wir erledigen mindestens soundso viele Aufgaben. Wir bringen die Materialien wieder zurück. Wir helfen einander.“ Diese Regeln sind unerlässlich. Und ich muss die Kinder loben, wenn sie sich daran halten, aber ich muss auch Sanktionsmöglichkeiten haben, wenn es nicht funktioniert. Die Kinder sagen übrigens sehr schnell selbst: „Wir müssen leise sein, sonst können wir uns nicht konzentrieren.“

Ist der Ablauf immer gleich?

Bernd Wehren: Am Anfang der Freiarbeitszeit erkläre ich den Kindern, was sie machen können, am Ende reflektieren wir gemeinsam: Was haben wir gerade gemacht? Was ist gut gelaufen, was war schwierig?
 

Und welche Materialien werden eingesetzt?

Bernd Wehren: Zunächst einmal: Materialien sind wichtig, aber man muss keine Materialschlacht veranstalten. Man sollte auch überlegen, wie Stress zu vermeiden ist. Natürlich kann ich zehn Stationen vorbereiten, aber die Kinder – und auch ich - müssen das leisten können. Eins, zwei Freiarbeitshefte und zwei, drei Stationen mit sinnvollem, kindgemäßem Übungsmaterial genügen. Entscheidend ist: Die Kinder brauchen Ruhe zum Lernen und keine Überforderung.
 

Wie können Lehrkräfte mit Ihren Freiarbeitsschatzkisten arbeiten?

Bernd Wehren: Mit den Freiarbeitsschatzkisten kann ich entweder einzelne Arbeitsblätter zu Themen anbieten oder ich kopiere sie zu einem Heft zusammen. Zum Beispiel zum Plus- und Minusrechen im Zahlenraum bis fünf im ersten Schuljahr, oder die Kinder bekommen ein Rechengeschichtenheft und ein Buchstabenheft. Wichtig ist: Die Aufgaben sollen Spaß machen und die Kinder weiterbringen. Die Materialien sind so konzipiert, dass sie zum Lehrplan passen und den kompletten Lernstoff eines Schuljahres beinhalten. Sie bieten wiederholendes und vertiefendes Üben, sind von leicht nach schwer aufgebaut und passen chronologisch zum Schuljahr. Die Kopiervorlagen sind außerdem mehrkanalig und handlungsorientiert angelegt. Mit diesen Materialien haben die Lehrkräfte eine riesige Auswahl und können sich das jeweils Passende für ihre Lerngruppe zusammenstellen und dieses dann mit Bilderbüchern, Mal-Ecke, Kartenspielen, Bauklötzen oder Bastelmaterialien ergänzen. Wir haben an unserer Schule auch Tablet-PCs. Ich kann den Kindern also auch zusätzlich kleine Lernspiele anbieten.

Und was verbirgt sich hinter den Spiele-Schatzkisten?

Bernd Wehren: Die Spiele-Schatzkisten beinhalten zahlreiche, schnell einsetzbare, einfache Lernspiele für die Freiarbeit. Wenn man mehrere oder sogar alle acht großen Freiarbeits-Schatzkisten und die zwei großen Spiele-Schatzkisten besitzt, können die Kinder hervorragend spielerisch lernen, man kann differenzieren und individualisieren. Dies ist ideal für die Freiarbeit in inklusiven Klassen und Klassen des gemeinsamen Lernens und in Förderschulklassen.

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Freiarbeitsmaterial für die Grundschule

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Kopiervorlagen als PDF

Wie oft setzen Sie selbst Freiarbeit ein?

Bernd Wehren: Wir haben an unserer Schule das Konzept des offenen Anfangs. Die Kinder müssen um zehn nach acht da sei, können aber auch früher kommen. Der Unterricht beginnt dann um 20 nach acht. Die Regel ist: Jeden Morgen arbeiten die Kinder zunächst mit den Freiarbeitsmaterialien, egal wann sie kommen, spätestens aber ab zehn nach acht. Und für mich bedeutet das auch: Ich habe einen ruhigen entspannten Anfang und keinen Stress. Freiarbeit kombiniert mit einem offenen Anfang kann ich nur empfehlen! Auf jeden Fall aber sollte die Freiarbeit fest im Stundenplan eingebunden sein. Das geht auch nach der ersten großen Pause oder es werden Tage festgelegt: immer Dienstag und Donnerstag in der vierten Stunde zum Beispiel. Freiarbeit muss für Kinder eine Verbindlichkeit haben, denn die Kinder wollen Sicherheit.
 

Wie dokumentieren Sie den Lernfortschritt Ihrer Schülerinnen und Schüler in der Freiarbeit?

Bernd Wehren: Zunächst einmal lernen die Kinder, sich selbst zu kontrollieren. Dazu gibt es die Freiarbeitspläne und die Selbstkontrollblätter. Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass sie zum Beispiel drei von fünf Aufgaben erledigen müssen. Das haken sie selbst ab, zeigen es mir und ich unterschreibe dann mit einem Smiley. Als Lehrer erkenne ich den Lernfortschritt natürlich durch Beobachtung. Aber ich mache auch mindestens einmal im Halbjahr Tests, um wirklich herauszubekommen, wo die Kinder stehen. Auch damit ich am Elternsprechtag den Eltern Auskunft geben kann, und wir gemeinsam überlegen können, wo und wie gegebenenfalls Unterstützung nötig ist. Selbstverständlich kontrolliere ich auch die Lernhefte, die ich aus den umfangreichen Freiarbeitsschatzkisten zusammengestellt habe, um Lernfortschritte und Lerndefizite zu erkennen.
 

Wie muss die Freiarbeitsumgebung aussehen?

Bernd Wehren: Hier gilt wieder: Keine Materialschlacht! Außerdem sollte nicht mehr genutztes Material aussortiert werden. Ein paar funktionale Lernecken, die die Sitzordnung auflockern und die Erledigung der Aufgaben erleichtern, genügen bereits. Dazu gesellen sich vielleicht noch auf Regalen und Fensterbänken Bereiche für verschiedene Materialien.
 

Was ist beim Einstieg in die Freiarbeit besonders zu beachten?

Bernd Wehren: Freiarbeit heißt nicht Beliebigkeit. Lehrkräfte müssen sich vorab Gedanken machen, wie sie die Freiarbeit einführen, welche Regeln und Absprachen für sie unerlässlich sind. Wenn ich unsicher bin, kann ich Kolleginnen und Kollegen fragen oder hospitieren. Am besten ist natürlich, die Schule hat ein gemeinsames Konzept in Sachen Freiarbeit.

Vorhang auf für Freiarbeit und vielfältige Methoden

Mit den richtigen Methoden und Freiarbeit fördern Sie das selbstständige, vernetzte und nachhaltige Lernen. Wie Schüler/-innen sich selbst am besten organisieren und welche Methoden für welches Lernziel geeignet sind, verraten unsere Ratgeber und Kopiervorlagen. Legen Sie gleich los und probieren Sie es aus. 

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