Zu viel Smartphone und Co.?
Wie Kinder und Jugendliche den sorgsamen Umgang mit digitalen Medien lernen
Kinder wachsen in einer digitalisierten Welt auf und müssen den kompetenten Umgang mit den digitalen Medien lernen. Unterdessen hat sich die Schule diese Aufgabe zu eigen gemacht und thematisiert Fragen wie Sicherheit, Hass oder Mobbing im Netz auch im Unterricht. Doch was ist mit dem Konsum generell – wie viel Medienzeit ist in Ordnung und wann wird es problematisch? Auch das kann und sollte Thema in der Schule sein.
Ein paar Zahlen vorab: Rund 21 Prozent der 6- bis 9-jährigen Kinder in Deutschland besitzen ein eigenes Smartphone. Bei den 10- bis 12-Jährigen sind es dann bereits 86 Prozent und fast alle 13- bis 15-Jährigen - nämlich 95 Prozent - verfügen über ein solches Gerät. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die im Juni 2022 veröffentlicht wurden.
So ganz konfliktfrei verläuft die Nutzung von Smartphone und Co. allerdings nicht. Rund Zweidrittel aller Jugendlichen haben häufig Streit in Familie und Freundeskreis, weil sie zu oft digitale Medien nutzen. Die Hälfte aller Jugendlichen sagt sogar, dass sie ihre digitale Mediennutzung einschränken will. Das sind Ergebnisse der aktuellen forsa-Umfrage, die die EU-Initiative klicksafe zum Safer Internet Day (SID) 2023 in Auftrag gegeben hatte. Auch der Jugendmedienschutzindex 2022 der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: 72 Prozent der befragten Jugendlichen glauben demnach, zu viel Zeit im Internet zu verbringen.
Das heißt, die Kinder und Jugendlichen selbst schätzen ihre Mediennutzung kritisch ein. Ein guter Ausgangspunkt also, um gemeinsam mit ihnen Strategien für einen verantwortungsvollen Umgang zu entwickeln.
Doch wo lernen Kinder und Jugendliche diesen verantwortungsvollen Umgang? Neben dem Elternhaus ist die Schule dafür der geeignete Ort. Unterdessen gibt es auch etliche Unterrichtsanregungen zu diesem Thema. Und zwar bereits für die Grundschule. Denn selbst wenn Grundschulkinder im Vergleich zu Jugendlichen noch relativ wenig Zeit mit Smartphone und Co. verbringen, so ändert sich dies doch schnell mit zunehmendem Alter – wie alle Umfragen und Studien belegen. Gut also, wenn Kinder im Grundschulalter bereits einen reflektierten und vernünftigen Umgang mit den digitalen Medien gelernt haben.
In der Grundschule
Die Website Hanisauland der Bundeszentrale für politische Bildung zum Beispiel bietet für die dritte und vierte Klasse der Grundschule Arbeitsblätter zum Thema „Regeln im Internet“ an. Dabei geht es auch um die Frage des Medienkonsums. Die Kinder lernen Argumente für einen verantwortungsvollen Medienkonsum kennen und dass Internetregeln ihrem Schutz dienen. Schließlich können sie einen eigenen Meinungsbeitrag zum Thema „Regeln für das Internet?“ formulieren.
Gut geeignet für einen Einstieg in das Thema sind auch sogenannte Medientagebücher. Auch diese können bereits in der Grundschule zum Einsatz kommen. Darin dokumentieren die Kinder während einer Woche ihren Medienkonsum. In einem Wochenplan, aufgeteilt nach Tagen und Stunden schreiben sie auf, wann sie welche Medien genutzt haben. Das funktioniert auch schon in den Anfangsklassen, wenn aufs Aufschreiben verzichtet wird und die Kinder stattdessen kleine Icons für die genutzten Medien Smartphone, Computer, Tablet, Internet, Fernseher, Radio, Bücher, Zeitungen/Zeitschriften oder Konsole in diesem Wochenplan aufkleben. Am Ende der Woche werden die Ergebnisse dann besprochen und reflektiert. Ein Ergebnis könnte sein, digitale Medien zukünftig grundsätzlich bewusster zu nutzen und vor allen Dingen auch weniger passiv als vielmehr aktiv.
Für die aktive Nutzung gibt es gute Beispiele. So kann zum Beispiel mit dem Smartphone fotografiert und daraus dann ein Fotomemory gebastelt werden. Oder die Kinder bekommen die Aufgabe, Gegenstände zu fotografieren, die dann im Doppelpack eines der typisch deutschen Schlangenwörter – Komposita – ergeben, zum Beispiel also Haus und Tür, Wasser und Ball, Fenster und Brett. Oder die Klasse erstellt gemeinsam eine eigene Website, etwa mit dem speziell für die Grundschule entwickelten Website-Generator Primolo.
Schließlich bietet der Cornelsen Verlag etliche Ratgeber, Kopiervorlagen und Arbeitsblätter zum aktiven Einsatz digitaler Medien in der Grundschule an.
In den weiterführenden Schulen
In den weiterführenden Schulen kann dann das Thema Digital Detox aufgegriffen werden. Damit wird die digitale Auszeit beschrieben, die ein Mensch bewusst auf die Nutzung elektronischer Geräte wie Smartphones, Tablets und Computer teilweise oder ganz verzichtet.
Die Initiative klicksafe.de bietet mit der Digital Detox Box umfangreiches Unterrichtsmaterial zu diesem Thema für die Sekundarstufe I und II an. Dabei geht es zum Beispiel darum, zu hinterfragen, wann das Smartphone im eigenen Alltag ein störender Faktor ist. Oder die Jugendlichen lernen Strategien für digitales Wohlbefinden kennen und auf die eigene Nutzung anzuwenden. Außerdem können sie Funktionen am Smartphone entdecken, mit denen sie ihre Nutzungszeiten messen und begrenzen können. Es geht also weniger darum, komplett auf das Smartphone zu verzichten, als vielmehr die Nutzungsdauer zu reduzieren und selbst die Kontrolle zu behalten.
Sehr aufschlussreich kann auch ein Blick auf die Funktionsweisen beliebter Apps und Internetportale sein, die – zum Beispiel durch häufige Nachrichten - immer mehr die Aufmerksamkeit ihrer Nutzerinnen und Nutzer einfordern. Dazu hat der Fernsehsender arte die achtteilige Videoclip-Reihe Dopamin für die außerschulische Medienarbeit produziert, die sich auch für den Unterricht eignet. Die Clips sind jeweils sieben bis acht Minuten lang.
Beim Elternabend
Damit alle an einem Strang ziehen, sollte das Thema Mediennutzung auch bei Elternabenden auf der Tagesordnung stehen. Dabei müssen Eltern und Lehrkräfte auch die eigene Mediennutzung kritisch hinterfragen. Schließlich gehört das Smartphone bei vielen Erwachsenen zum ständigen Begleiter, jede Nachricht wird sofort gelesen, jede WhatsApp umgehend beantwortet und taucht im Gespräch eine Frage auf, dann wird sofort Google zu Rate gezogen.
Wurden in der Klasse bereits Medientagebücher geschrieben, können die anonymisierten Ergebnisse während eines solchen Elternabends vorgestellt und besprochen werden. Möglicherweise entsteht dann sogar die Idee für ein Eltern-Medientagebuch, das dann in der Familie diskutiert wird und zu Regeln führen kann. Vorschläge für solche Regeln bietet der Mediennutzungsvertrag der Initiativen klicksafe und Internet-ABC. Eltern und Kinder können darin gemeinsam festlegen, welche Medien und Inhalte wie und wie lange genutzt werden dürfen. Darüber hinaus können auch eigene Regeln erstellt werden. Wichtig ist, dass sich nicht nur die Kinder an die Regeln halten, auch die Eltern werden in die Pflicht genommen. Ideal, wenn alle sich dann darüber einig sind, dass Smartphone und Co. nützliche Begleiter im Alltag sind, dass sie aber nicht den Tagesablauf bestimmen dürfen.
Fortbildungen der Cornelsen Akademie
Achtsamkeit in Zeiten der Digitalisierung
In diesem interaktiven Workshop erfahren Sie, was Achtsamkeit bedeutet und inwiefern sie eine gute Partnerin der Digitalisierung sein sollte.
(Digitaler) Alltag & Medienwelt von Schülerinnen und Schülern
Schüler/-innen und das Smartphone in der Hand – ein gewohntes Bild, nicht nur im Schulalltag. Doch wofür genau benutzen sie diese? Wie hat sich das Verhältnis von Alltag und Medienwelt in den letzten Jahren verändert?
Quellen
Kinder- und Jugendstudie 2022 des Digitalverbands Bitkom
forsa-Umfrage der EU-Initiative klicksafe zum Safer Internet Day (SID) 2023.
Jugendmedienschutzindex 2022 der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM)
Arbeitsblätter zum Thema „Regeln im Internet“ der Bundeszentrale für politische Bildung
Primolo - Website-Generator für die Grundschule
Digital Detox Box - Unterrichtsmaterial der EU-Initiative klicksafe für die Sekundarstufe I und II
Dopamin - Videoclip-Reihe des Fernsehsenders arte
Mediennutzungsvertrag von klicksafe und Internet-ABC