Musik als Unterrichtsprinzip in der Grundschule
Fächerübergreifende Förderung mit Melodie, Rhythmus und Bewegung
Musik spielt im Leben der meisten Kinder eine wichtige Rolle. Zumindest in der Freizeit, denn als Schulfach erfreut sich Musik häufig weniger großer Beliebtheit. Dabei lassen sich mit Melodie, Rhythmus und Bewegung fächerübergreifend Bildungs- und Entwicklungsprozesse nachhaltig verbessern.
In der Antike zählte Musik neben Grammatik, Rhetorik, Dialektik bzw. Logik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie zu den sieben freien Künsten, den "septem artes liberales". Und auch heute noch ist Musik weit mehr als ein Nebenfach mit Spaßfaktor. Musik hat das Potenzial, Lernerfolge und soziale Prozesse positiv zu beeinflussen. Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard und Carolin Schmidmeier sprechen sich in ihrem neuen Cornelsen-Ratgeber Lernen fördern mit Melodie, Rhythmus und Bewegung für Musik als Unterrichtsprinzip aus. Die folgenden Inhalte und Anregungen sind ihrem Buch entnommen oder eng daran angelehnt.
Über den Wert von Musik als Unterrichtsprinzip
Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard ist Professor für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Autor zahlreicher fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Publikationen, international tätiger Referent sowie professioneller Musiker. Carolin Schmidmeier ist Grundschullehrerin, unterrichtet im Fachbereich Musikpädagogik und -didaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und ist Autorin musikpädagogischer Publikationen. Das Plädoyer des Herausgeberduos für mehr Musik in der Schule kommt nicht von ungefähr. In ihrem Buch heißt es:
"Ein am Menschen orientiertes, nachhaltiges und sinnvolles Lernen bedarf angesichts aktueller Lerntheorien vielgestaltiger, synthetisierender Vernetzungen durch gemeinsame, fächerübergreifende Frage- und Aufgabenstellungen sowie verbindende Methoden. Da Musik zur Verwirklichung aller fächerübergreifender Bildungs- und Erziehungsziele weit über das Schulfach hinaus beitragen kann, kommt ihr im Rahmen der schulischen Aneignungs- und Vermittlungsprozesse eine tragende Rolle zu."
Gute Argumente für einen musikalischeren Schulalltag sei neben ästhetischen Bedürfnissen vor allem auch die positive Wirkung von Musik auf die Entwicklung und soziale Kompetenz von Kindern. Hinzu kommen die motivationsfördernde Eigenschaft von Musik, das damit einhergehende sensomotorische Förderungspotenzial sowie die überfachlichen Bildungs- und Erziehungsziele, die im teils sehr eng gedachten Fachunterricht häufig zu kurz geraten.
Expertinnen und Experten wie Schmidmeier und Eberhard sind sich einig, dass das Potenzial von Musik in einem ganzheitlich ausgerichteten Schul- und Lernalltag viel stärker ausgeschöpft werden sollte.
Musik verbindet, inspiriert und motiviert. Sie aktiviert, indem sie emotionale Zugänge zu abstrakten Themen schafft – das macht Freude und fördert die Kreativität. Viele gute Gründe also, Musik stärker im Unterricht zu etablieren. Doch wie kann das konkret aussehen?
Ganzheitlich lernen mit Stimme, Bewegung oder szenischem Spiel
Durch Musik lassen sich Inhalte wie auswendig zu lernende Vokabeln oder mathematische Fachbegriffe ganzheitlich verarbeiten und behalten. In nahezu allen Fächern bieten sich beispielsweise Lieder, Raps und rhythmisierte Reime als gedächtnisstützende und vertiefende Unterrichtselemente an. Musik bewegt unseren Körper und Geist, gleich ob wir rhythmisch sprechen, singen oder musizieren. Sie lädt zum Tanzen, Springen, Drehen, Gehen und anderem mehr ein. Mit ihr können wir Gefühle, Stimmungen, Inhalte darstellen oder gar szenisch interpretieren.
Die folgenden exemplarischen Impulse werden im Ratgeber "Lernen fördern mit Melodie, Rhythmus und Bewegung" ausführlich dargestellt und mit sofort einsetzbaren Unterrichtsmaterialien und Kopiervorlagen angereichert. Hier sollen sie Ihnen auszugsweise als Inspiration dienen und ein Gefühl dafür vermitteln, welche Methoden abseits der bekannten Pfade es noch für Sie zu entdecken gibt.
Beispiel 1: Musikgestützte Sprachförderung mit Bilderbüchern
Die sprachliche Heterogenität in einer Schulklasse stellt für viele Lehrkräfte eine große Herausforderung dar. Sprachliche Förderung wird mittlerweile als fächerübergreifendes Prinzip verstanden. Besonders der Einsatz von Musik in Verbindung mit Bilderbüchern ermöglicht eine intensive und gezielte Förderung der sprachlichen Kompetenzen auf den verschiedenen Sprachebenen. Singen und rhythmisches Sprechen trainieren die Aussprache und erweitern den Wortschatz. Grammatische Strukturen und Satzkonstruktionen können in interaktiven Sprachförderliedern spielerisch geübt und in rhythmischen Bewegungsspielen ganzheitlich erlebt werden.
Anhand des bekannten Bilderbuches "Die kleine Raupe Nimmersatt" von Eric Carle lässt sich beispielhaft die Verknüpfung von Sprachförderung und Musik verdeutlichen: durch dialogisches Vorlesen, rhythmisches Sprechen, Lautgebärden und Gesang.
Beispiel 2: Rechtschreiblieder und Bildwörter
Das Verpacken von Lerninhalten in Lieder ist nicht neu. Der bayerische Lehrer Georg Lapper unterrichtete vor dem Ersten Weltkrieg an ausländischen Schulen in Spanien und China. Dort brachte er den Schülerinnen und Schülern die deutsche Sprache bei, indem er thematisch eingegrenztes Alltagsvokabular in gedichteter Form auf bekannte Volksmelodien übertrug.
Das Interesse an Lernliedern scheint heutzutage immer noch groß, wenn man sich die Angebote für Lehrkräfte und Eltern unter dem Suchbegriff "Lernlieder" ansieht. Ein höchst amüsantes Beispiel ist der Rap "Die vier Fälle". Hier wird deutlich, dass diese Art und Weise des Lernens weit über die Grundschule hinaus verwendet werden kann. Damals wie heute liegt der Zweck des Ganzen darin, Informationen langfristig im Gedächtnis zu speichern.
Dafür sind zwei Aspekte von Bedeutung: Wiederholung und Aufmerksamkeit. Das im Buch vorgestellte Rechtschreiblied in Verbindung mit den Bildwörtern wird beiden Ansprüchen gerecht. Durch das Singen des Liedes in Musik und Deutsch wird ein sinnvolles Wiederholen erreicht. Die Bilder erregen Aufmerksamkeit, initiieren Sprech- und Schreibanlässe und schaffen emotionale Bezüge zu dem abstrakten Thema "Richtig schreiben".
Beispiel 3: Tanzende Stifte und Musik nach Bildern
Musik überträgt sich durch den Hörsinn auf den ganzen Körper und findet im besten Fall ihren Ausdruck im Bild. Im Kunst- oder Musikunterricht können sich die Kinder regelrecht "freimalen" und mit dem Stift auf dem Papier tanzen.
Das Gute daran: Ein und dieselbe Methode lässt sich über mehrere Schuljahre immer wieder aufgreifen. Es beginnt für die Kinder des ersten oder zweiten Schuljahres mit meditativem Malen, also einer eher sozialen Übung zum Erlangen von innerer Ruhe und Stille. Diese einfache Technik wird zu einem späteren Zeitpunkt weiterentwickelt und hat dabei dann auch Farblehre und erste Kompositionsideen einer Bildgestaltung im Blick.
Beispiel 4: Mit Musik das Einmaleins automatisieren
Das kleine Einmaleins ist in der Grundschule ein zentrales Unterrichtsziel im Fach Mathematik. Ausgehend von einer handlungsorientierten Erarbeitung des Einmaleins, zum Beispiel Darstellung der Einmaleins-Aufgaben mit Plättchen und Punktebildern, sollen die Aufgaben schließlich automatisiert werden. Um sie zu verinnerlichen, bietet sich der Einmaleins-Rap an. Dabei werden die Einmaleins-Aufgaben rhythmisch gesprochen.
Da der Fokus auf dem Textinhalt liegt, sind der Rhythmus und die Gestaltung des Einmaleins-Rap bewusst einfach gehalten. So können sich die Schülerinnen und Schüler auf die Rechenaufgaben konzentrieren. Das Rappen und die instrumentale Begleitung tragen zur Motivation der Kinder bei und begünstigen, dass sie sich gerne auf das Thema Einmaleins einlassen. Das rhythmische Sprechen, die Aktivierung mehrerer Lernkanäle sowie die häufigen Wiederholungen in mehreren Unterrichtsstunden unterstützen die nachhaltige Festigung des Einmaleins.
Musik als "didaktisches Vehikel"
Diese kurz angerissenen Unterrichtsimpulse geben ein Gefühl dafür, was Musik als lebendige, auflockernde und unterstützende Methode leisten kann. Ob zum Aufwärmen, Festigen oder für zwischendurch. Denn Musik dient nicht nur als "didaktisches Vehikel" – mit musikalischen Mitteln macht das Lernen in allen Fächern einfach viel mehr Freude!
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Klasse(n) Konzentrationskicks – Bewegungsübungen und -impulse für mehr Aufmerksamkeit und Konzentration
Lernen Sie spaßige Bewegungsübungen für mehr Aufmerksamkeit und Konzentration der Schüler-/innen im Unterricht kennen. Mit den vorgestellten Bewegungsimpulsen und -übungen motivieren Sie Ihre Schüler/-innen auf unterhaltsame Art und Weise zur Aktivierung der beiden Gehirnhälften.