Wie Schulbücher entstehen, wie es zu Fehlern kommen kann und wie wir daraus lernen
So entsteht ein Schulbuch
„Ihr seid doch ein Bildungsverlag. Wie kann euch solch ein Fehler unterlaufen? Passt da keiner auf?“ Das sind einige der Fragen, die gestellt werden, wenn Fehler in unseren Medien entdeckt werden. Als Verlag für Bildungsmedien gehört es quasi zur DNA von Cornelsen Medien zu entwickeln, die fehlerfrei sind. Schließlich geht es hier um Schule. Da sollte, nein, da muss alles korrekt sein. Das ist unser Anspruch. Und trotzdem passieren Fehler. Trotz aller Genauigkeit, mit der alle Mitwirkenden an den Materialien arbeiten. Trotz aller Gremien und Kontrollen, die die Bücher, Arbeitsblätter, die Apps und digitalen Medien durchlaufen, trotz intensiver Schulungen und der Teilhabe von Fachleuten.
Nur was passiert, wenn nach der Veröffentlichung Fehler entdeckt werden? Was geschieht, wenn sich Sichtweisen auf geschichtliche, politische, gesellschaftliche Ereignisse oder Lebensweisen ändern? Wie geht der Verlag damit um, welche Handlungsmöglichkeiten gibt es? Um hierauf Antworten zu geben, ist es wichtig, zunächst den Entstehungsprozess eines Schulbuches zu betrachten – denn der ist gar nicht so ohne.
Unser Selbstverständnis
Die Entwicklung eines Schulbuchs, von Unterrichtsmaterialien generell ist sehr komplex. Es gibt Vorgaben der Kultusministerien, viele Beteiligte, vielschichtige Entscheidungsprozesse. Bildungsmedien werden über einen längeren Zeitraum entwickelt und sollen über mehrere Jahre genutzt werden. Dazu kommt das Selbstverständnis von Cornelsen, mit all seinen Produkten dazu beizutragen, dass Diversität und Heterogenität gefördert werden. Das heißt, wir berücksichtigen die Verschiedenheit der Menschen in allen Stufen der Produktentwicklung. Dies wird bei der Entwicklung aller Medien an vielen Stellen betrachtet, diskutiert und dort wo erforderlich korrigiert.
Der Lehrplan
Grundlage für die Entwicklung aller Lehrbücher sind die Lehrplanvorgaben der Bundesländer. Jedes Lehrwerk muss diese Anforderungen erfüllen. Damit dies gewährleistet ist, müssen alle Bildungsmedien von den Kultusministerien genehmigt, sprich, zugelassen werden. Diese Kontrollinstanz durchlaufen alle Schulbücher und Begleitmedien aller Verlage. Der Prozess der Zulassung ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Die Genehmigung kann durch das zuständige Kultusministerium oder durch eine nachgeordnete Behörde erfolgen. Schulbücher müssen lehrplankonform sein, den allgemeinen Verfassungsgrundsätzen entsprechen und didaktisch wie sprachlich den jeweiligen Anforderungen entsprechen.
Bildungsmedien entstehen in Teamarbeit
Eine weitverbreitete Meinung ist, dass Schulbücher und Bildungsmedien von Redakteur/-innen im Verlag erstellt werden. Zweite Annahme ist, dass sie von freien Autor/-innen verfasst werden. Beides stimmt nicht.
Schulbücher entstehen immer in unterschiedlich zusammengesetzten Teams. Und die können recht heterogen sein: Hinter jedem Lehrwerk steht zunächst ein Autor/-innen-Team aus Fachpädagog/-innen, die ihre Erfahrungen aus dem Berufsalltag einbringen oder/und Hochschul-Pädagog/-innen, die aktuellste Kenntnisse aus der Forschung einfließen lassen. Zusammengestellt und koordiniert wird das Autor/-innen-Team von der Verlagsredaktion. Hier laufen alle Fäden zusammen: Die Redakteur/-innen betreuen die Autor/-innen, sprechen in vielen Arbeitsmeetings Inhalte, Abläufe ab, haben alle relevanten Termine bis zum Erscheinungstermin im Blick.
Die Redaktion als Schnittstelle
Als wichtige Schnittstelle im Entstehungsprozess betreuen die Redaktionen viele Gewerke: Sie koordinieren die externen Autor/-innen und Herausgeber/-innen, achten darauf, dass die Inhalte den Lehr- und Rahmenplanvorgaben entsprechen, dass Formulierungen und Aufbau verständlich und für alle nachvollziehbar sind. Die Redaktion stößt auch die Beschaffung aller erforderlichen Medien an: Fotos, Illustrationen, Grafiken, Tabellen, Bewegtbilder/Videos etc. Parallel dazu werden die Inhalte in das final abgestimmte Layout eingearbeitet. Gestaltung und Aufbau des Buches wurden zuvor in vielen Runden diskutiert, geändert, mit zukünftigen Nutzer/-innen getestet und weiter optimiert. Ebenfalls parallel laufen die Gespräche mit den Kolleg/-innen im Marketing. Hier wird über die Bewerbung des Titels gesprochen, die Kolleg/-innen des Außendienstes werden geschult. Und, wichtiger Punkt: Der Erscheinungstermin muss immer im Auge behalten werden. Denn jedes Lehrbuch soll zu Beginn des Schuljahres vorliegen, damit die Schulen oder die Eltern die Materialien bestellen können und die Schüler/-innen sie rechtzeitig am ersten Schultag in Händen haben.
Bevor ein Titel bei den Kultusministerien eingereicht wird, prüfen die Redaktionen noch einmal alle Inhalte genau. Dabei geht es neben sprachlicher und inhaltlicher Korrektheit auch darum, dass beispielsweise sichergestellt werden muss, dass alle Bild- und Textrechte für die Veröffentlichung vorliegen. Nicht weniger wichtig ist die Überprüfung mit Blick auf Diversity & Inclusion. Hier steht den Redaktionen ein internes Expert/-innen-Netzwerk mit Rat und Tat zur Seite. Erst nach diesen Prüfungsschritten geht ein Lehrbuch in die Genehmigung und kann nach positiver Rückmeldung der Behörde in den Druck gegeben werden.
Wie wir mit Fehlern umgehen
Der gesamte Entwicklungsprozess für ein Lehrwerk nimmt in der Regel mehrere Jahre in Anspruch. Doch trotz aller Kontrollen, Korrekturen, Schulterblicke, Gremien, die jedes Produkt im Verlag und bei den Ministerien durchläuft, passieren auch Fehler. Bei allen aufgetretenen Mängeln und Mankos gehen wir umgehend der Ursache nach und beheben sie schnellstmöglich. Cornelsen geht offen und konstruktiv mit Fehlern um. Wir stellen uns der Verantwortung und sehen in jedem aufgetretenen Fehler auch eine Chance zur Weiterentwicklung der Produkte, der Prozesse sowie zur Zusammenarbeit aller Beteiligten im Unternehmen. Wir treten mit Kund/-innen und Betroffenen in Kontakt, suchen den Austausch. Aufgetretene Fehler können zudem auf Lücken in den Arbeitsprozessen hinweisen. Wir gehen gemeinsam mit den Kolleg/-innen die Abläufe durch und suchen nach Verbesserungen. Das können klarere oder neue Regeln sein, ein neues Gremium oder optimierte Freigabeprozesse. Eine weitere Chance liegt in der Weiterbildung aller Mitarbeiter/-innen. Damit z. B. alle das gleiche Verständnis zu den Themen Diversität, Inklusion oder gesellschaftliche Verantwortung haben, werden alle am Entstehungsprozess beteiligten Kolleg/-innen in unterschiedlichen Formaten geschult.
Mit diesen Schritten können wir Fehler für die Zukunft vermeiden. Nur was geschieht mit denen, die schon „in der Welt“ sind? Also mit denen, die in den Büchern stehen, die sich in den Schulen und den Haushalten der Schüler/-innen befinden?
Möglichkeit eines korrigierten Nachdrucks
Verkauft sich eine Auflage ab, werden Bücher nachgedruckt. Das ist die Chance, bis dahin erkannte Fehler zu korrigieren und so einen korrigierten Nachdruck anzubieten. Das können „kleinere“ Fehler wie ein fehlendes Satzzeichen, eine falsche Bildunterschrift oder eine falsche Seitenzahl sein. Aber auch solche, die einen tieferen Eingriff in den Text oder bei den Abbildungen erfordern. Der Verlag entfernt so die vorhandenen Mängel und druckt die Bücher in veränderter Form nach.
Auf die sich bereits am Markt befindlichen Exemplare hat dieser Schritt keinen Einfluss. Denn Schulbücher sind oft über sehr viele Jahre im Umlauf, ohne dass sie ausgetauscht werden. Das betrifft insbesondere die sogenannten „Leihländer“, also die Bundesländer, in denen die Schüler/-innen die Bücher zur Ausleihe von der Schule erhalten.
Wie anfangs gesagt: Ein komplexer Prozess. Aber er birgt auch viele Chancen und Ansatzpunkte auf Fehler zu reagieren, sie zu vermeiden, die Produkte und die Arbeitsprozesse ständig zu verbessern. Daran arbeiten wir. Jeden Tag.