Achtsamkeit & Gesundheit / 22.06.2018

Mehr Gelassenheit im Schulalltag

"Mit den Schüler/-innen zu lachen, schafft Entspannung und Nähe"

Sie gerät im Schulleben oft unter die Räder: die Gelassenheit, mit der sich der Alltag besser meistern und Probleme leichter lösen lassen. Dabei gibt es viele unkomplizierte Wege, entspannt zu bleiben.

Bild: stock.adobe.com/pathdoc

Heidemarie Brosche ist eine begeisterte Buchautorin, geht auf Lesereisen und unterrichtet seit vielen Jahren. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie viel ein gelassener Umgang mit den täglichen kleinen und großen Problemen wert ist. 

Interview mit Heidemarie Brosche

Frau Brosche, Sie schreiben Ratgeber und Bücher für Kinder und Jugendliche. Sie geben Lesungen und unterrichten in Teilzeit an einer Grund- und Mittelschule in Augsburg. Kurz: Ihr Alltag ist vollgepackt. Was hilft Ihnen persönlich, dabei gelassen zu bleiben?

Heidemarie Brosche: Oh, da gibt es einiges. Ich mache mir zum Beispiel bewusst, dass ich für vieles, was mich umtreibt, gar nicht verantwortlich bin. Etwa für Schwächen unseres Schulsystems oder für Versäumnisse der Eltern. Ich fokussiere mich auf das, was ich wirklich ändern kann, reibe mich aber nicht auf für Missstände, für die ich gar nichts kann.

Ich freue mich über kleine Erfolge. Ein Beispiel: Wenn ein Schüler von mir häufig mit seinem Nachbarn schwätzt, dann verbuche ich die halbe Stunde, in der er voll konzentriert bei der Sache ist, als Erfolg. Und es tut mir immer gut zu lachen. Vor allem gemeinsam mit den Schülern. Das schafft Entspannung, Nähe und Bindung. 

Ich mache mir auch immer wieder klar, dass es gerade für Kinder und Jugendliche, die in schwierigen Verhältnissen groß werden, manchmal ein Mensch ist, der ihnen Stärke gibt, ohne den sie abdriften würden. Das kann sehr wohl einer ihrer Lehrer sein. Wir können also enorm wichtig sein, auch wenn wir dies womöglich nie erfahren.


Ohne ein gutes Verhältnis zu den Schülern wird die Gelassenheit ewig auf sich warten lassen. Sie beschreiben, wie man vom "natürlichen Feind" der Schüler zu einem respektierten Gegenüber werden kann. Was braucht es dazu?

Heidemarie Brosche: Zunächst gilt es, eine Beziehung zu den Schülern aufzubauen. Das heißt nicht, sich einzuschleimen oder ihnen alles durchgehen zu lassen, sondern ihnen das Gefühl zu geben, dass man auf ihrer Seite steht, für sie da ist und dabei authentisch bleibt. Es braucht dazu auch das Bemühen, gerecht zu sein. Man wird es nie schaffen, immer gerecht zu agieren, aber die Schüler nehmen es einem sehr übel, wenn man sich nicht ernsthaft darum bemüht. Sein "Herzibopperl" unter den Schülern zu haben, das man gern bevorzugt, das geht gar nicht, da sind die Kinder und Jugendlichen sehr sensibel.

Es gehören aber auch Dinge dazu wie die Körpersprache und der Blickkontakt zu den Schülern, um im Unterricht wirklich präsent zu sein und Gelassenheit auszustrahlen.


Sie plädieren dafür, mutiger und gelassener mit den Lehrplänen umzugehen und auch mal den Mut zur Lücke zu haben. Wenn ein Thema die Schüler besonders packt, bringe es einen nachhaltigeren Lernerfolg, wenn man dranbleibt und in die Tiefe geht, statt zum nächsten Thema weiterzuhasten. Das klingt sehr sinnvoll – aber wie überzeugt man die Schulleitung und die Kollegen davon?

Heidemarie Brosche: An meiner Schule habe ich Glück, denn die Schulleitung sieht es ganz ähnlich wie ich. Und es gibt ja gute Argumente dafür: Es ist doch Augenwischerei, darauf stolz zu sein, wie viel Stoff man durchgenommen hat, wenn die Schüler nur wenig davon wirklich behalten.

Mir geht es mehr um die Grundhaltung: Wenn Schüler erleben, dass ihnen das Lernen Spaß macht, sind sie viel motivierter und werden sich auch selbstständig und mit Lust Wissen aneignen.

Projektarbeit zur Unterrichtsentwicklung

Viele Ihrer Empfehlungen ermuntern, mit den Schülern nachsichtig umzugehen, ihnen mehr Freiräume zu geben: Sie raten, auch in mehrmals gemachten Fehlern das Positive zu sehen. Sie ermuntern, Phasen ohne Zensuren in den Unterricht einzubauen. Ist das nicht viel zu lieb – angesichts der harten, leistungsorientierten Realität, die die Schüler spätestens im Berufsleben erwartet?

Heidemarie Brosche: Ich bin ja nicht für eine Kuschelpädagogik, sondern auch dafür, dass etwa Regeln eingehalten und der Stoff gelernt wird. Aber nur, weil das spätere Leben so hart ist, muss es ja nicht schon in der Schule so sein. Unsere Schüler sind die Generation, die unsere zukünftige Gesellschaft prägen wird. Und in der Schule kann ich viel dazu beitragen, dass sich künftig eine andere Kultur entwickelt. Da können schon Nuancen einen Unterschied machen: Wenn ich einen Schüler auf Fehler hinweise, muss ich das ja nicht abwertend machen. Anerkennung ist ein Grundbedürfnis, und den Schülern mitzugeben, dass sie – ganz unabhängig von ihrer Leistung – etwas wert sind, für sich und für andere, das ist mir ganz wichtig. Und es bringt mehr Gelassenheit in den schulischen Alltag, für mich und die Schüler.

In der Zusammenarbeit mit Eltern gelassen zu bleiben, dürfte vielen Lehrern oft besonders schwerfallen. Vor allem in heiklen Gesprächen sei es gut, sich einen Kollegen mit an den Tisch zu holen, der mehr Distanz hat, aber auch unterstützen kann, sagen Sie. Welche Rolle kann die Zusammenarbeit mit Lehrerkollegen generell einnehmen, um mehr Gelassenheit in den schulischen Alltag zu bringen?

Heidemarie Brosche: Eine ganz wichtige Rolle! Wenn Lehrer sich gegenseitig unterstützen, ist das viel wert. Wenn man in ein "festgefahrenes Kollegium" neue Ideen hineinträgt, und die meisten rollen mit den Augen, wiegeln ab, weil sie Mehrarbeit fürchten, oder glauben, dass es sowieso nichts bringt, dann ist das furchtbar frustrierend. Wenn ich aber ein paar Gleichgesinnte finde, mit denen ich zusammen etwas bewirken kann, statt als Einzelkämpferin zu agieren, ist das Gold wert.

Ich halte aber gar nichts davon, mit dem gesamten Kollegium blendend auskommen zu wollen. Das gelingt nicht und ich selbst halte höchstens eine freundliche Distanz zu Kollegen, die mich mit ihrer negativen Stimmung runterziehen. Aber zu Kollegen auf gleicher Wellenlänge eine gute Beziehung aufzubauen, das halte ich für ganz wesentlich.

 

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