Mehr Glück in der Schule?
Was es mit dem Schulfach Glück auf sich hat
Sie waren unglücklich in der oder gar durch die Schule - so erlebte der Schulleiter Ernst Fritz-Schubert immer öfter seine Schülerinnen und Schüler. Das wollte er ändern und startete 2007 an seiner Schule in Heidelberg das Projekt „Schulfach Glück“. Unterdessen wird dieses Schulfach an etlichen Schulen bundesweit unterrichtet, mal als Pflicht- und mal als Wahlfach. Was steckt dahinter, und brauchen Schulen tatsächlich das Schulfach Glück in Zeiten, in denen immer wieder neue Schulfächer - wie zum Beispiel Informatik, Ernährung, Wirtschaft oder Medienkompetenz - gefordert oder eingerichtet werden?
Auch an einigen Universitäten haben sich die Glücksforschung und das Fach Glück etabliert. So werden etwa am Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre der TU Berlin Glückslehrkräfte ausgebildet. „Das Schulfach Glück, dessen Inhalte auch in etablierte Fächer integriert werden können und sollen, geht vom Prinzip „vom Fehlerfinder zum Schatzsucher“ aus. Es sollen die eigenen Stärken entdeckt sowie ausgebildet und weniger der Fokus auf Schwächen gelegt werden“, heißt es auf der Website der TU Berlin.
Auch das von Dr. Ernst Fritz-Schubert, dem „Erfinder“ des Schulfachs Glück gegründete Fritz-Schubert-Institut hat unterdessen ein breites Aus- und Weiterbildungsangebot entwickelt. So können sich zum Beispiel Lehramtsstudierende der Universität Rostock in einem über ein Jahr verteilten Wochenendkurs des Instituts für das Fach Glück qualifizieren. Auf der Website des Instituts sind auch die „Glücksschulen“ in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz aufgelistet. Allein in Deutschland sind das bislang mehr als 100 Schulen.
Glückliche Lehrkräfte
Und an der TU Braunschweig forscht der Psychologe Tobias Rahm bereits seit langem zum Thema Glück und hat unter anderem ein Glückstraining für Lehrkräfte entwickelt. Eine erste Evaluation mit Daten von über 100 Teilnehmenden zeigte selbst zehn Wochen nach der ersten Messung ein bedeutsam höheres subjektives Wohlbefinden als zuvor. „Man kann deutlich sehen, dass auch einen Monat nach dem Training die Veränderungen bei der Anzahl positiver Emotionen bedeutsam höher und bei der Anzahl negativer Emotionen bedeutsam geringer ausfällt als bei der Kontrollgruppe“, berichtet Rahm. Lehrkräfte liegen ihm besonders am Herzen: „Wenn wir uns eine Welt mit weniger depressiven und mehr aufblühenden Menschen wünschen, sind unsere Schulen wahrscheinlich der beste Ansatzpunkt. Glückliche Lehrkräfte sollten laut Studien einerseits deutlich seltener unter Burn-Out, Depressionen oder anderen psychischen Belastungen leiden. Und andererseits sind glückliche, unbelastete, kreative und problemlösungskompetente Lehrkräfte sicherlich besser in der Lage, den nachfolgenden Generationen wichtige Lebenskompetenzen und Bildungsinhalte zu vermitteln als unglückliche.“ Das Training, so Rahm, lasse sich mit wenig Aufwand in die schulische Weiterbildung integrieren.
Seine Lieblingsübung heißt „Drei Gute Dinge“. Sie kann auch ganz privat zu Hause durchgeführt werden. Dazu wählt man eine feste Zeit vor dem Schlafengehen – zum Beispiel nach dem Zähneputzen – und notiert drei Dinge, die an diesem Tag schön waren. Das können ganz unspektakuläre Ereignisse sein, wie „ein Reh im Wald gesehen“ ein Lächeln des Brötchenverkäufers, ein Lob der Vorgesetzten, eine Umarmung des Kindes oder auch die erfolgreiche Erledigung einer unangenehmen Aufgabe. So wird die eigene Wahrnehmung stärker auf das Positive gelenkt. Außerdem wird notiert, was man selbst dazu beigetragen hat. „So merken Sie immer stärker, dass Sie tatsächlich ‛Ihres Glückes Schmied’ sind“, erklärt Tobias Rahm.
Projekt an Braunschweiger Grundschulen
Mittlerweile ist der Psychologe einen Schritt weitergegangen: In 16 Braunschweiger Grundschulen stand von November 2022 bis Januar 2023 „Glücksunterricht“ auf dem Stundenplan. Dieses GlüGS-Projekt („Glücksunterricht in der Grundschule“) hat Tobias Rahm gemeinsam mit der Buchautorin Carina Mathes ins Leben gerufen. 35 Lehramtsstudierende wurden mit Stundenplanungen und Unterrichtsmaterialien ausgestattet, um diese „Glücksstunden“ unterrichten zu können.
In den Stunden ging es um Fragen wie: Welche Gefühle gibt es? Welche sind besonders wertvoll? Wie kann man mehr davon haben? In ihrem „gelben Rucksack“ sammelten die Kinder zunächst persönliche schöne Momente, die sie später auf den Klassenrucksack aus Pappe schrieben. Außerdem schickten sie sich gegenseitig Postkarten mit Komplimenten. Themen wie Hilfsbereitschaft, emotionale Ansteckung, sich seiner selbst bewusst sein, Perspektiven wechseln, sowie Entspannung und Achtsamkeit standen auf dem Unterrichtsplan. Auch die Familien wurden durch wöchentliche Informationsbriefe mit Anregungen für zu Hause einbezogen. Jetzt wollen Tobias Rahm und Carina Mathes das Programm in die Lehrkräfteausbildung integrieren und die Auswirkungen wissenschaftlich evaluieren.
Fazit
Doch so erfolgreich und vielversprechend die Projekte auch verlaufen: Ein etabliertes Schulfach Glück wird es wohl nicht geben. Vielleicht ist das auch gar nicht notwendig oder erstrebenswert. Wichtig ist doch eher, dass sich immer mehr Schulen dieser Idee öffnen und Platz dafür finden, sei es im Wahlfachangebot, in einer Projektwoche - vielleicht anlässlich des Weltglückstags am 20. März - oder in allen anderen Fächern, vorzugsweise in den Fächern Ethik, Sozialkunde oder Philosophie. „Das Schulfach Glück ist kein Bestandteil des Fächerkanons der Kultusministerien, 80-90 Prozent Lehrplanbezug lässt sich aber im Fach Ethik herstellen. In andere Fächer können die Methoden ebenfalls einfließen. Hier gilt es, Freiräume, die sich bieten, zu nutzen“, heißt es auch auf der Website der TU Braunschweig.
Auf einen einfachen Nenner gebracht: Die Inhalte eines Schulfachs Glück sollen die Persönlichkeit stärken und zur Zufriedenheit und Lebenskompetenz der Schülerinnen und Schüler beitragen. Und das ist schließlich auch eine zentrale Aufgabe von Schule – und zwar in allen Fächern. Dazu gehört, was der Schirmherr der Cornelsen Stiftung Lehren und Lernen, Prof. Dr. Olaf Köller, kürzlich über die bisherigen Gewinner des Cornelsen Zukunftspreises sagte: „Was meiner Meinung nach alle auszeichnet, ist, dass sie Schule sehr stark aus den Augen der Schülerinnen und Schüler denken, sich in diesem Sinne engagieren und Initiativen zum Wohle der Schülerinnen und Schüler ergreifen.“
Fortbildungen der Cornelsen Akademie
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Was wahres Glück bedeutet, woher es kommt und wie Sie selbst Ihr Glücksempfinden positiv und nachhaltig beeinflussen können, erläutert Ihnen der Lehrer und YouTuber Ernst Neumeister in unserem Live-Online-Seminar.
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In diesem interaktiven Workshop erfahren Sie, was Achtsamkeit bedeutet und wie Sie diese in Ihrem Schulalltag leben und mit Schüler/-innen anwenden können.