Schule gestalten / 25.05.2021

Wenn Kollegen zu Verbündeten werden

Teamarbeit an Schulen bringt viel Gutes – aber auch mehr Arbeit

Freude und Stress teilen, Probleme gemeinsam lösen, Feedback bekommen – die Vorteile von Teamarbeit liegen auf der Hand. Ebenso klar ist: Sie braucht Zeit und Aufmerksamkeit, die es eigentlich gar nicht gibt. Lehrkräfte und Schulleiter/-innen, die dennoch echte Teamarbeit pflegen und sie nicht mehr missen möchten, erzählen, worauf es ankommt.

Zwei Kolleginnen im Gespräch
Bild: Shutterstock.com/stockfour

„Man muss viel eigene Zeit einbringen. Das sollte und muss man sich aber gönnen, weil es guttut.“ Eva-Maria Redeker ist überzeugte Teamarbeiterin. Dabei ging es für die Lehrerin am Gymnasium Adolfinum in Moers gar nicht so einfach los. Als junge Lehrkraft wurde sie gefragt, ob sie mit einem nicht ganz unkomplizierten Kollegen ein Team bilden möchte. „Ich war froh darüber, dass ich gefragt wurde und auch Nein hätte sagen können“, erzählt sie rückblickend. Inzwischen ist die enge Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen ein fester Bestandteil ihres schulischen Alltags. Am Adolfinum in Moers ist Teamarbeit auf vielen Ebenen fest verankert: Klassen werden in Zweierteams geleitet, zudem arbeiten alle Kolleginnen und Kollegen einer Jahrgangsstufe fächerübergreifend zusammen.

Teamarbeit stärkt die Schulqualität

Für Eva-Maria Redeker hat das viele gute Seiten: „Ich habe immer jemanden an meiner Seite, der mir Feedback geben kann und eine andere Perspektive auf die Dinge hat.“ Ob es um die Einschätzung der Schüler geht, ob Lösungen für Schwierigkeiten in der Klasse gesucht werden oder ein Elternabend bevorsteht. 

Bildungsforscher/-innen bestätigen, dass die Schulqualität steigt, wenn Lehrkräfte gut in Teams zusammenarbeiten. Der Unterricht wird besser, und auch den Lehrer/-innen geht es besser, selbst wenn die Teamarbeit mal Zeit und Nerven kostet. Denn viele sind motivierter und fühlen sich gesünder, wenn sich Schwierigkeiten und Stress auf mehr als nur die eigenen Schultern verteilen.

Intensive Kooperationen sind selten. Teamarbeit stärkt die Schulqualität

Fest steht aber auch: Teamarbeit ist nicht gleich Teamarbeit. Zwischen dem kollegialen Austausch von Unterrichtsmaterialien und der Klassenleitung im Team liegen Welten. Während die allgemeine Zustimmung vieler Lehrer/-innen zur Teamarbeit groß ist, klafft zwischen Wunsch und Realität eine große Lücke. Das haben die Bildungsforscher Dirk Richter und Hans Anand Pant in einer Studie im Auftrag der Robert Bosch Stiftung herausgefunden. Dafür haben sie 1.000 Lehrkräfte in einer repräsentativen Umfrage interviewt. Danach finden es 97 Prozent der Lehrer/-innen wichtig, mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Doch für knapp zwei Drittel heißt Teamarbeit vor allem, regelmäßig Lehr- und Unterrichtsmaterial auszutauschen. Nur rund ein Viertel unterrichtet auch regelmäßig im Team in derselben Klasse. Und nur für rund ein Zehntel bedeutet Teamarbeit auch, im Unterricht von Kolleginnen und Kollegen zu hospitieren und Feedback zu geben – und zu bekommen.

Evolution statt Revolution – klein anfangen!

Arndt van Huet, Schulleiter des Gymnasiums in den Filder Benden in Moers, kennt die praktischen Hürden für Teamarbeit im Schulalltag. Personell und zeitlich ist es oft so eng, dass an Teamarbeit nur schwer zu denken ist. Aber er ist von den positiven Aspekten der Teamarbeit überzeugt und macht sich für sie stark. In der Schule gibt es Klassenleiterteams und so oft es geht auch kollegiale Hospitationen. Van Huet geht mit seinem Kollegium noch einen Schritt weiter und baut eine schulübergreifende Teamarbeit auf: um Kindern den Übergang von der Grund- in die weiterführende Schule zu erleichtern, kooperieren Lehrer seiner Schule mit Kolleginnen und Kollegen der Grundschulen. Sein Motto: „Evolution statt Revolution – mit kleinen Projekten anfangen“
Mit kleinen Projekten anzufangen hilft auch, skeptischen Kolleginnen und Kollegen entgegenzukommen. Positive Erfahrungen im Kleinen können eine gute Motivation sein, die Projekte nach und nach auszuweiten. Denn die Neigung, besser allein klarkommen zu wollen, ist selbst beim Nachwuchs nicht selten. Auch Lehramtsstudentinnen und -Studenten zeigen sich zwar grundsätzlich von den Vorteilen der Teamarbeit überzeugt, doch je näher sie tatsächlich rückt, umso vorsichtiger werden sie.
Martin Rothland, Erziehungswissenschaftler an der Universität Siegen, erforscht, wie der pädagogische Nachwuchs kooperative Arbeitsformen umsetzt. Seine These: Das Berufsbild ist noch vom traditionellen Einzelkämpfertum geprägt – auch weil viele junge Lehrer/-innen das aus ihrer eigenen Schulzeit noch so kennen. Hinzu komme oft Unsicherheit, wenn man neu in einer Schule anfängt und Angst hat, eigene Unzulänglichkeiten und Fehler zu zeigen. Rothland setzt deshalb darauf, schon während des Studiums Teamarbeit zu praktizieren und so „die Saat zu säen“.

Guter Kompetenz-Mix ist wichtiger als Sympathie

Entscheidend dafür, ob Lehrerkooperationen gelingen, ist die Zusammensetzung der Teams. Ideal ist es, wenn sich die Teammitglieder in ihren Stärken und Schwächen gut ergänzen, wenn sie unterschiedliche Kompetenzen in die gemeinsame Arbeit einbringen können. Van Huet und Redeker haben gute Erfahrungen damit gemacht, Männer und Frauen zusammenzubringen und, soweit möglich, erfahrene mit jüngeren Kollegen. Das Plus: Die Schüler/-innen haben mehr Anknüpfungspunkte und die Lehrkräfte können vom Erfahrungsaustausch profitieren.

Selten werden sich Teams finden, die sich blind verstehen und ohne Konflikte zusammenarbeiten. Umso wichtiger ist eine professionelle Einstellung: Konflikte anzusprechen, bevor sie sich festgefahren haben, und sich auch mal Rat von außen zu holen, wenn es hakt. 

Daniela Körber, langjährige Rektorin einer Grundschule und heute Schulrätin in Solingen, fasst ihre Erfahrungen bei der Teambildung so zusammen: „Kolleginnen und Kollegen neigen oft dazu, Sympathieteams zu bilden. Das ist aber nicht immer das Beste, denn im Sinne der Schüler/-innen kommt es vor allem auf eine gute Mischung aus Kompetenzen und Vorlieben an. Für mich hat es sich bewährt, die Teams weder von oben herab festzulegen noch zu viel basisdemokratische Freiheit zuzulassen – sondern so gut es geht gemeinsame Entscheidungen zu treffen.“

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Empfehlungen für gute Teamarbeit in der Schule

1. Einbetten in die Schulkultur
Arbeitsteams sind keine Traumpaare, und manche(r) Lehrer(-in) möchte am liebsten einfach „sein Ding machen“. Ohne eine Schulkultur, in der gegenseitiger Respekt, Fehlertoleranz und eine offene Kommunikation geschätzt werden, ist Teamarbeit schwer umzusetzen. Kooperationen sollten deshalb nicht als reine Arbeitsmethode betrachtet werden, sondern in eine wertschätzende, kommunikative Schulkultur eingebettet werden.

2. Verschiedene Kompetenzen vereinen
Teams sind dann am stärksten, wenn ihre Mitglieder so viele verschiedene Perspektiven, Denkweisen, Stärken und Schwächen einbringen wie möglich – und trotzdem professionell zusammenarbeiten. Für die Schüler/-innen sind dann die Chancen am größten, eine passende Beziehungsebene aufzubauen und individuell gefördert zu werden.

3. Männer und Frauen, alte Hasen und junge Talente zusammenbringen
Gerade wenn die Schüler/-innen mitten in der Pubertät stecken, sind gemischtgeschlechtliche Teams Gold wert. Aber auch eine Mischung aus erfahrenen und jungen Kolleginnen und Kollegen kann sehr fruchtbar sein, wenn alle ihre Erfahrungen und Kenntnisse gerne austauschen.

4. Prioritäten setzen
Auch wenn es nicht möglich ist, systematisch Zeit für Teamarbeit zu geben, und die Personalausstattung zu eng ist, um Stunden oder sogar Klassenleitungen doppelt zu besetzen, spricht nichts dagegen, mit kleinen Projekten zu starten. Die Ressourcen sollten dort eingesetzt werden, wo sie am nötigsten gebraucht werden: meist bei den jüngsten Schülerinnen und Schülern. „Alle Kräfte in den Anfang“, bringt es Schulrätin Daniela Körber auf den Punkt. Zum Beispiel in Form von Klassenleiterteams in den jüngsten Klassen oder an der Nahtstelle zwischen Grund- und weiterführenden Schulen.

5. Teams im Dialog bilden
Die Teammitglieder sollten gut miteinander klarkommen – aber das allein macht noch kein gutes Team aus. Um individuelle Fähigkeiten und Kenntnisse bestmöglich zu kombinieren, sollten die Teams im Dialog gebildet werden. Mit Übersicht und Einfühlungsvermögen vonseiten der Schulleitung oder den Koordinatorinnen und Koordinatoren – und mit dem Recht der Lehrer/-innen, auch mal Nein zu sagen, wenn eine Zusammenarbeit unvorstellbar scheint.

6. Lasten und Freuden so gerecht wie möglich verteilen
Es fängt im Kleinen an. Zwei Beispiele: Schwierige Elterngespräche werden fair aufgeteilt oder gemeinsam geführt. Und wer die Klassenfahrt organisiert, kann bei der Planung des Schulfestes die Hände in den Schoß legen. Auf Dauer halten Teams nur zusammen, wenn sich keiner übervorteilt fühlt.

Fortbildungen der Cornelsen Akademie 

Teamarbeit erfolgreich gestalten (SchiLf)
Sie erleben Kooperation und Teamarbeit in praktischen Übungen und betrachten sie aus unterschiedlichen Perspektiven. Für die jeweiligen Kooperationsfelder und spezifischen Teamstrukturen Ihrer Schule erarbeiten Sie konkrete Vorstellungen, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. 

Teamcoaching: vom Kollegium zum Team (SchiLf)
Sie erlernen anhand eines strukturierten Verfahrens, sich auf Probleme im Berufsalltag eine Außenperspektive geben zu lassen und von der Erfahrung und den Sichtweisen der Kollegen zu profitieren.

Kollegiale Unterrichtshospitation (SchiLf)
Wir erstellen gemeinsam einen Leitfaden zur Implementierung der kollegialen Unterrichtshospitation. Dieser ermöglicht Ihnen die effiziente Integration in den Schulalltag.

Kollegiale Fallberatung (SchiLf)
Bei der kollegialen Fallberatung geht es darum, mit einem systematischen Gesprächsmodell als problematisch empfundene Praxissituationen wertfrei und vertrauensvoll zu reflektieren, um den Verlauf dieser auf verschiedenen Ebenen zu verstehen und darauf aufbauend erweiterte Handlungsoptionen zu erarbeiten. 

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